Es ging um die Wurst, als der Betriebsrat des Hamburger Abendblatts am 4. Juli zur kämpferischen Mittagspause in die Bäckerei neben dem Verlagseingang eingeladen hatte. Dass die Betriebsratsmitglieder dabei kostenlose Knackwürste verteilten, diente nicht nur der Motivation der Kolleginnen und Kollegen, sondern als Symbol: Die Beschäftigten der Hamburger Standorte der Funke-Medien-Gruppe kämpfen derzeit um den Erhalt ihres Rationalisierungsschutzabkommens. Das gilt in der Funke-Welt als „Hamburger Extrawurst“ und der Verlag lässt es auslaufen.
Abgeschlossen wurde das Abkommen in den 1980er Jahren, zu Zeiten, als das Abendblatt noch zum Axel-Springer-Verlag gehörte und dieser elektronische Redaktionssysteme einführte. Es enthält zahlreiche Regelungen, wie bei Stellenabbau und Umstrukturierungen Härten gegenüber den Mitarbeitern vermieden werden, zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen für andere Aufgaben im Verlag, großzügige Vorruhestandsregelungen oder Umzugshilfen bei Versetzungen. Es wurde fortan bei fast jeder größeren Umstrukturierung angewendet, statt jedes Mal einzelne Sozialpläne auszuhandeln. „Besonders bekannt wurde das Abkommen beim Umzug der Bild-Redaktion nach Berlin“, sagt Betriebsratsmitglied Sven Kummereincke. „Die Kollegen, die damals mit umzogen, haben dadurch Umzugskosten, Kosten für Wohnungssuche und zeitweise doppelte Haushaltsführung sowie einige andere Leistungen erhalten, die Arbeitgeber heute nicht mehr freiwillig gewähren.“ „Das Abkommen ist ein Teil der Hamburger Betriebskultur gewesen und sorgte dafür, dass die Kollegen, wenn Veränderungen anlagen, trotzdem zuversichtlich blieben und keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben mussten“, ergänzt der Betriebsratsvorsitzende Axel Ritscher.
Als die Funke-Medien-Gruppe 2013 die Zeitschriften und Regionalzeitungen des Axel-Springer-Verlags kaufte, ging das Rationalisierungsschutzabkommen mit in den neuen Verlag über, allerdings nur für eine Übergangszeit. Sämtliche Versuche der Betriebsräte, das Abkommen zu verlängern, liefen ins Leere. In Essen ist man nicht einmal zu Verhandlungen darüber bereit.
„Deshalb streben wir jetzt an, die Regelungen des Rationalisierungsschutzabkommens in einem Sozialtarifvertrag festzuschreiben und diesen per Arbeitskampf durchzusetzen“, sagt Sven Kummereincke. „Aktionen, wie diese, dienen dazu, das Thema über den Sommer in den Köpfen zu halten und den Organisationsgrad zu erhöhen. Wenn genügend Kolleginnen und Kollegen mitziehen, könnte es sein, dass dies nur der Anfang ist. Immerhin ist mit dem Wechsel zu Funke auch die Tarifbindung weggefallen. Und einen Haustarif oder gar die Anerkennung des Flächentarifs kann man sich auch nur erkämpfen. Aber die Bereitschaft in der Belegschaft steigt.“