Journalismus braucht mehr Solidarität

Der dju-Tarifkommissionsvorsitzende Klaus Schrage bei der Mai-Demo des DGB 2018. In diesem Jahr findet die Kundgebung zum 1. Mai corona-bedingt nur virtuell statt.
Foto: Heinz Wraneschitz

Solidarität ist das große Thema des 1. Mai 2020. Es könnte uns Journalist*innen reichlich Stoff liefern. Wir könnten in vielen Facetten über Menschen berichten, die sich für andere einsetzen. Wir könnten darüber schreiben oder senden, wie eine wirklich solidarische Gesellschaft aussehen müsste. Doch es gibt diese Corona-Krise.

Und so geht es in unseren Berichten und Kommentaren darum, ob es Ausdruck von Solidarität ist, Grundrechte einzuschränken, Kontaktverbote zu verhängen oder das Tragen von Schutzmasken anzuordnen.

Wir sollten aber auch über unser eigenes Verhalten nachdenken. Etwa über die Frage, wie solidarisch festangestellte und selbstständige Medienschaffende miteinander umgehen. Gibt es Redaktionen, die ihren freien Mitarbeiter*innen zusichern, dass sie trotz Corona-Krise ausreichend Arbeitsaufträge bekommen? Womit sie wertschätzend anerkennen würden, dass Freie nicht bloß zu Terminjournalismus fähig sind? Wird ausreichend darüber berichtet, wie sehr Kreative in Bedrängnis geraten sind? Gibt es andererseits Freie, die sich dafür interessieren, in welche Probleme Redakteur*innen in der Corona-Krise geraten und ob dies wirklich so sein muss?

Es würde sich lohnen. Denn die aktuelle Situation mutet widersprüchlich an. In der Bevölkerung wird gerade neu entdeckt, wie wertvoll seriöser Journalismus für die Gesellschaft ist. Die Parole von der „Lügenpresse“ oder vom „Staatsfunk“ ist nicht mehr angesagt.

Stattdessen verzeichnen Nachrichtensendungen Rekord-Einschaltquoten und boomen gut gemachte Online-Angebote. Sogar die vielfach totgesagte Tageszeitung findet wieder mehr Beachtung, sei es in gedruckter Form oder als E-Paper.

Und was machen die Medienhäuser? Nutzen sie die Chance, indem sie Bedingungen schaffen, um die potenzielle neue oder zurückgekehrte Kundschaft zu begeistern und an sich zu binden? In vielen Fällen leider nicht. Stattdessen wird Kurzarbeit angeordnet. In einer Situation, in der das Können und die Kreativität der Redaktionen und Freien viel stärker gefordert sind als in normalen Zeiten.

Journalismus kann Solidarität bewirken. Er braucht aber auch Solidarität, um gut sein zu können. In diesem Sinne: Habt einen schönen 1. Mai!

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