Kabarett im NDR als Nullnummer

Null Honorar habe der Norddeutsche Rundfunk dem Kabarettisten-Duo Jennifer und Michael Ehnert für die Fernseh-Aufzeichnung und Sendung ihrer Tourneeproduktion „Zweikampfhasen“ geboten. Dagegen wandten sich die Kreativen am 17. Januar 2016 in einem Offenen Brief an Intendant Lutz Marmor. Zwei Tage später reagierte der Sender. Ehnert bezweifelt nun, dass mit dem NDR ein „ernsthaftes Gespräch über den Wert von Kultur“ möglich sei.

In den letzten Jahren habe es zwischen NDR und den beiden Künstlern bereits sieben ähnliche Kooperationen wie die jetzt geplante gegeben. Bisher sei es vom NDR-Honorar möglich gewesen, den Regisseur, den Autor, die Schauspieler, den Komponisten und die Stück-Produzenten „wenigstens halbwegs angemessen“ zu bezahlen, schreiben Jennifer und Michael Ehnert. Anfang Januar habe die NDR-Fernsehredaktion „Planung, Entwicklung, Innovation“ nach weit gediehenen Vorverhandlungen für „Zweikampfhasen“ nun statt Geld lediglich einen „Werbeeffekt“ für die Kabarettisten geboten. Es sei argumenteiert worden, dass man das Stück doch „sowieso“ spiele. Die unentgeltliche Aufzeichnung bedeute möglicherweise den Einstieg in eine weitergehende Zusammenarbeit.

Tourneeplakat Foto: Thorsten Harms
Tourneeplakat Foto: Thorsten Harms

Ehnert & Ehnert sehen das als „Medienpiraterie“, „künstlerischen Ausverkauf“ und „große(n) Schritt in eine völlig falsche Richtung“. Da es nicht nur um ihren Einzelfall, sondern um „gängige Praxis in einer Vielzahl von Fällen“ gehe, hoffen sie, dass „auch andere Künstler eine Zusammenarbeit mit dem NDR zu diesen Null-Konditionen verweigern“. Intendant Marmor möge sich für eine adäquate Bezahlung selbständiger Kreativer, Künstler und Kulturschaffender aussprechen und dafür auch praktisch sorgen, heißt es in dem Brief.

In einer Stellungnahme des NDR-Programmbereichsleiters ist von „Missverständnissen“ bei den Vertragsverhandlungen, aber auch von einer „verfälscht(en)“ Wiedergabe in dem offenen Brief die Rede. Die Honorarforderungen von Ehnert und dessen Management seien „deutlich zu hoch“, der „Verhandlungsspielraum so eng gesteckt“ gewesen, dass eine Einigung nicht möglich schien. Es sei “nicht Politik des NDR, grundsätzlich keine Lizenzgebühren zu zahlen“, heißt es.

Sie habe „exakt das gleiche Honorar“ wie bei vorherigen 90-minütigen Aufzeichnungen seit 1999 gefordert, betont die Managerin der Künstler auf Nachfrage von M. Die „Media-Leistung“ des NDR sei ein beträchtlicher Gegenwert, andere Kreative ließen sich auf so ein Verfahren ein, habe es diesmal konstant vom Sender geheißen. „Man zeigte sich wahnsinnig überrascht, dass wir überhaupt eine Honorierung erwarten“, bekräftigt auch Michael Ehnert. Er fürchtet, nun in einen Kleinkrieg verwickelt zu werden, der „vom eigentlichen Skandal“ ablenke: „Wir hatten die Hoffnung auf ein ernsthaftes Gespräch über den Wert von Kultur. Das scheint mit dem NDR so nicht möglich.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Zwölf Jahre Lager für Journalistinnen

Zwei leitende Journalistinnen des belarussischen Internet-Nachrichtenportals tut.by wurden in Minsk zu je zwölf Jahren Straflager verurteilt. Die Schuldsprüche ergingen am 17. März 2023 gegen Chefredakteurin Maryna Zolatava und Geschäftsführerin Ljudmila Tschekina, wie Reporter ohne Grenzen (RSF) jetzt informierte. Tut.by war bis zu den Massenprotesten gegen Diktator Alexander Lukaschenko im August 2020 das größte unabhängige Medienunternehmen in Belarus und die wichtigste Nachrichtenseite des Landes.
mehr »

Astrologie und Punkrock

Die Schwedin Liv Strömquist ist eine der einflussreichsten Comiczeichnerinnen. Die Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“ über die Kulturgeschichte der Vulva gilt manchen als moderner feministischer Klassiker. Ihr neues Buch handelt von Astrologie: Strömquist macht sich darin ausgiebig über die Eigenheiten der Sternzeichen lustig. Im Interview mit M erzählt sie, wie sie zu diesem Thema gefunden hat, wie Punk, Underground-Comics und ihr Studium ihren Stil geprägt haben und welche Frage sie in Interviews heute nicht mehr hört.
mehr »

Filmtipp: „Erfundene Wahrheit“

Daniel Sagers Dokumentarfilm „Erfundene Wahrheit“ bringt den Fälscher-Skandal um den „Spiegel“-Reporter Claas Relotius in die Streamingdienste. "…Er trägt eine schusssichere Weste, automatisches Gewehr, Nachtsichtgerät, irgendwann drückt er ab…" – Claas Relotius, Deutschlands bekanntester Reporter, wusste, was in einer schönen Reportage nicht nur über Amerikaner nahe der mexikanischen Grenze stehen muss. 
mehr »

DW vor Stellenabbau – ver.di protestiert

Mit Empörung reagiert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf die am Abend des 17. März in einer Online-Betriebsversammlung verkündeten Entlassungen bei der Deutschen Welle: Bis zu 300 vorwiegend freie Mitarbeitende sollen demnach noch dieses Jahr ihren Job verlieren. Begründung: Die Intendanz befürchte eine Verschlechterung der Finanzsituation für das Jahr 2024.
mehr »