Gute Ideen für gutes Volontariat

Bundesweites Netzwerktreffen für Voloausbilder im März 2018 in Hannover
Foto: Marta Krajinovic

Die Novellierung des Ausbildungstarifvertrags für Tageszeitungen hat die Diskussion um das gute Volontariat wieder in die Branchenöffentlichkeit gebracht. Das zeigte sich beim ersten bundesweiten „Netzwerktreffen für Volontärsausbilder_innen“ am 6. März in Hannover, zu dem die Journalistengewerkschaften dju in ver.di und DJV sowie der Verlegerverband BDZV eingeladen hatten. Rund 80 Teilnehmer_innen waren der Offerte zum Gedankenaustausch gefolgt.

Dabei zeigte sich, dass die Ausbilder_innen, die diese Aufgabe in ihren Verlagen oft zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit, quasi als „Ehrenamt“ übernehmen, an einem Gedankenaustausch mit den Kolleg_innen, am Vergleich der Möglichkeiten in den einzelnen Häusern und einem kontinuierlichen Treffen dieses Kreises sehr interessiert sind.

Vertreter der Tarifpartner während der Debatte: Sonja Boss (BDZV), Matthias von Fintel (ver.di), dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß und Kajo Döhring, DJV (v.l.n.r.).
Foto: Marta Krajinovic

Seit einigen Jahren beklagen Zeitungen, dass sie weniger oder schlechtere Bewerbungen erhalten, wie M berichtete. So ging es auch den Redaktionen der 15 Publikationen des Madsack-Konzerns, wie Personalleiter Adrian Schimpf, Hausherr der Veranstaltung, berichtete. Die Verlagsgruppe reagierte darauf mit einer Zusammenlegung der Ausbildung für alle ihre Blätter und gründete den Madsack-Campus in der Nähe des Pressehauses. Die neue Ausbildung wurde bundesweit beworben, die Zahl der Bewerbungen „hat sich dramatisch erhöht“, so Schimpf. Bei der Entwicklung des Konzepts hatten die eigenen Volos mitgewirkt, die jetzt auch als „Buddys“ den Neuen zur Verfügung stehen. Für die 24 Volontär_innen aller Blätter gibt eine vierwöchige gemeinsame Grundausbildung, die auch zu einem Gemeinschaftsgefühl und dauerhaften Kontakten innerhalb der Konzerngruppe führe.

Gutes Gerüst für praxisnahe Ausbildung

Die Volos der Süddeutschen Zeitung starten verteilt über das Jahr und erhalten eine persönliche, kurze Einführung durch den SZ-Ausbilder Detlef Esslinger. Da weiche die Süddeutsche vom Tarifvertrag, der zwei Wochen Einführung fordert, ab. Die verteilten Endzeiten des Volontariats förderten seiner Meinung nach die Chancen auf Übernahme, da auf freiwerdende Stellen besser reagiert werden könne. Esslinger nannte den novellierten Ausbildungstarifvertrag „ein gutes Gerüst“ und „sehr praxisnah“, er schütze „vor einer Einstellung als Billig-Redakteur“. Der Tarifvertrag setze aber nur Mindeststandards, die in den Häusern durch Ideen, nicht nur durch Kosten, übertroffen werden könnten. Die vorgeschriebenen drei Ressorts, die alle Volos mindestens durchlaufen sollen, nannte er „zu anspruchslos“, bei der SZ seien es neun Stationen. Die Süddeutsche hat eine feste Wohnung für die wechselnden Volos in der Haupstadtredaktion und schicke sie auch nach Brüssel. Die Themen der externen Seminare wählen die Volos mit Esslinger individuell aus.

Offene Debatten in guter Atmosphäre: Eva Werner vom DJV auf dem Podium mit Moderatorin Tina Groll und Miriam Scharlibbe, Jugendvertreterin im dju-Bundesvorstand (v.l.n.r.)
Foto: Marta Krajinovic

Beim Nürnberger Verlag, gibt es dagegen einen siebenwöchigen Anfang in der Gruppe, wie die langjährige Ausbildungsleiterin Gudrun Bayer von den Nürnberger Nachrichten erläuterte. Dazu würden auch Volos von Pressestellen der Stadt oder der Uni sowie Partner-Heimatzeitungen aufgenommen. Vieles sei aber im Ausbildungstarifvertrag zu weit interpretierbar, etwa die zu stellende technische Ausrüstung oder die erst im Musterausbildungsplan wieder auftauchende, im Tarifvertrag nicht erwähnte, Schulung im Layout. Das habe zu ungeahnten Diskussionen in den Redaktionen geführt.

Knackpunkt Verlängerungsmöglichkeit

Die mögliche Verlängerung der Ausbildung von drei Monaten für Crossmedia- oder andere Stationen nannte Bayer überflüssig: „Das machen wir vorher schon.“ Die Ausbildung werde eher verkürzt, sobald es eine Stelle zu besetzen gebe. Auch Esslinger hatte die Verlängerungsmöglichkeit kritisiert. Wie beide unterstrichen, bildeten ihre Häuser, ebenso wie Madsack, für den Eigenbedarf aus.

Für den BDZV gehörte die Verlängerungsmöglichkeit „zu den Knackpunkten“ der Verhandlungen. Sie solle den verschieden großen Häusern mehr Flexibilität geben, erläuterte Dr. Sonja Boss die Verlegersicht. Dem Vorwurf des „möglichen Missbrauchs“ begegnete der Verhandlungsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union dju, Matthias von Fintel, mit dem Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht zu dieser Vereinbarung: „Das schauen wir uns ganz genau an.“

Kajo Döhring vom Deutschen Journalistenverband DJV erläuterte, dass man durch die Branchenentwicklung und die neuen Verbreitungswege mehr Stoff in die 24 Monate reinpacken musste. Kritikpunkte werde man als „Sozialpartner“ einzuarbeiten versuchen. Die Verhandler_innen standen nach den Fragen der Moderatorin Tina Groll (dju) und der Teilnehmer_innen auch sofort in kleiner Runde zusammen und diskutierten.

Praxisbeispiele und Gesprächsbedarf

Der teilweise verzögerte Beginn der drei Workshops zum Datenjournalismus (Lukas Hansen), Mobile Reporting (Henning Bulka) und neuen Trends im Lokalen (Anke Vehmeier) zeigte ebenso wie die Mittagspause, wie groß das Bedürfnis nach dem Kollegengespräch unter den Ausbilder_innen ist.

Thomas Breyer-Mayländer zu Generationenmix und Erwartungen
Foto: Marta Krajinovic

Außerdem wurden drei Voloprojekte von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung HAZ, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung WAZ und der Akademie für Publizistik Hamburg vorgestellt.

Den Vortragsabschluss lieferte Professor Dr. Thomas Breyer-Mayländer mit seinen Tipps zum guten Feedback-Gespräch mit Volos. Sie führten zu einer sehr intensiven Diskussion und zeigten, wie viele Gedanken sich die meist sehr ambitionierten Ausbilder_innn zu diesem Punkt machen und dass sie sich auch Ausbildung für die Ausbilder_innen wünschen.

Als Fazit des Tages könnte stehen: Wir wollen unbedingt in Kontakt bleiben, denn Austausch regt zu guten Ideen für die Volos an.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »

Gewalt an Frauen bleibt Leerstelle

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich. Und nicht nur in Politik und Justiz besteht großer Nachholbedarf im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Auch die journalistische Praxis zeigt deutliche Schwächen und erhebliche Leerstellen. Der aktuelle Trendreport der Otto Brenner Stiftung nimmt die Jahre 2020 bis 2022 in den Blick und stellt fest: Gewalt gegen Frauen wird isoliert dargestellt, ohne strukturelle Ursachen und Präventionsmöglichkeiten zu thematisieren. Das betrifft besonders deutsche Täter. Die Perspektive der Opfer bleibt unterbelichtet.
mehr »