Plus multimediale Inhalte

Ein Interview mit Matthias von Fintel zum novellierten Volontärstarifvertrag

Nach 26 Jahren liegt ein neuer Ausbildungstarifvertrag vor. Für den ersten Tarifvertrag für Volontärinnen und Volontäre an Tageszeitungen im Jahr 1990 waren viele Redak­tionen auf die Straße gegangen. Dieses Mal, 2016, waren keine Streiks nötig, die Tarifparteien einigten sich am grünen Tisch. Über den neuen Tarifvertrag für Volos sprach M mit Matthias von Fintel, dem ­Tarifsekretär Medien und der dju in ver.di.

M | Warum hat es so lange gedauert bis der Ausbildungstarifvertrag novelliert wurde?

Matthias von Fintel | Die vergangenen 26 Jahre haben sehr viele Veränderungen für die Redaktionen gebracht, im inneren Aufbau der Redaktionen und natürlich nach außen in den vielfältigeren Verbreitungswegen und Ausdrucksformen. Die Internetauftritte der Tageszeitungen gab es 1990 noch nicht. Multi­mediale Aufbereitung in Grafiken, Videos oder Audiobeiträgen sind heute in Social Media und Apps nicht mehr wegzudenken. Damit hat sich auch die Art, in der ausgebildet wird, verändert. Alles zusammen genommen hat gezeigt, es gibt Renovierungsbedarf am bestehenden Tarifvertrag für Volontärinnen und Volontäre. Einig waren wir uns mit dem Verlegerverband BDZV, dafür den geltenden Vertrag nicht zu kündigen, sondern mögliche Ergebnisse der Verhandlungen an die Stelle des ansonsten unverändert geltenden Tarifvertrages zu setzen.

Welche Verhandlungsergebnisse, also Neuerungen bringt der neue Ausbildungstarifvertrag?

Matthias von Fintel
Foto: Christian von Polentz

An den wesentlichen Elementen der Ausbildung ändert sich nichts, nach wie vor sind Recherchieren, Schreiben, Redigieren, Presserecht, Presseethik usw. die Basis der journalistischen Ausbildung. Neu aufgenommen wurden Ausbildungs­inhalte in Online-Journalismus und multimedialem Arbeiten. Außerdem haben wir den Vertrag an die heutige Situation mit Newsdesks und in manchen Häusern der Auflösung der klassischen Ressorts in Themenfelder Rechnung getragen. Darüber ließ sich auch relativ schnell einig werden. Schwieriger war es schon die Redaktionsgesellschaften, die außerhalb der Verlage gegründet wurden, in den Volontariatstarifvertrag aufzunehmen. Es bleibt aber zu bedenken, nur tarifgebundene Redaktionsgesellschaften und Verlage müssen sich an den Tarifvertrag halten. Zum Zwecke der Tarifflucht ausgegründete Gesellschaften oder aus dem Tarif ausgetretene Verlage werden sich weiterhin gegen die Anwendung der Regeln sträuben. Der Volontariatstarifvertrag hat aber eine wichtige Orientierungsfunktion auch außerhalb der Tarifbindung.

Was war der Knackpunkt, dass die Verhandlungen dann doch länger gedauert haben als ursprünglich gedacht?

Die Laufzeit des Volontariats. Die Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di ist der Meinung, dass auch mit den neuen Inhalten für eine gut organisierte Ausbildung die zwei Jahre ausreichend Zeit bieten. In vielen Verlagen wird das aktuell ja auch praktiziert. Doch der BDZV hat eine Verlängerung um neun Monate gefordert und sich nur sehr langsam von dieser Forderung wegbewegen lassen. Wir wollten auf keinen Fall eine Verlängerung des Volontariats, mit dem alleinigen Nutzen für den Verlag, jemanden, der schon fertig ausgebildet ist, zum

Volontariatsgehalt statt des eigentlichen, richtigen Redakteursgehalts einsetzen zu können. Wir haben jetzt einer Verlängerung von einem bis drei Monaten zugestimmt, wenn sie Zusatzqualifikationen dient, und dazu in journalistisch geprägten externen Stationen durchgeführt wird, wie in- oder ausländischen Korrespondentenbüros, Nachrichtenagenturen oder PR-Abteilungen, in journalistischen Start-Ups oder bei einem Radio-/Fernsehsender. Diese Verlängerungsmöglichkeit gilt erst mal bis Ende 2019 und kann ohne weiteres gekündigt werden. Wir werden uns in der Zeit die tatsächliche Einhaltung dieser Regelung genau anschauen und die Volontärinnen und Volontäre dazu befragen, wofür die zusätzlichen Monate verwendet werden.

Du hast von einer gut strukturierten Ausbildung gesprochen: Gibt der novellierte Ausbildungsvertrag dazu Hilfen für die Redaktionen und Ausbilder_innen, die ihre Aufgabe meist zusätzlich zur normalen Redaktionsarbeit übernehmen?

Nicht nur im Tarifvertrag selbst ist einiges dazu ausgeführt, auch in einem neuen Anhang zum Vertrag gibt es einen detailliert ausgeführten Musterausbildungsplan mit den grundsätzlichen Anforderungen und vielen Themenvorschlägen, zum einen für eine systematische Einführung zu Beginn des Volontariats sowie für die spätere innerbetriebliche Schulung in den so genannten Volontärstagen. Dabei ist es sicher auch eine gute Möglichkeit, wenn sich kleine Redaktionen zu manchen Themen mit auswärtigen Referenten zusammentun, wie dies bei der IQ-Ausbildungskonferenz im September in Bonn diskutiert wurde.

 

 

 

 

Weitere Inhalte ergänzen den neuen Volontärstarifvertrag – drei Monate Verlängerung der Ausbildungszeit sind für Zusatz­­qualifikationen möglich.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »

Kodex für mehr Respekt beim Film

Auf Initiative der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) und Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen und Audiovisuelle Medien hat eine Gruppe aus Branchenvertreter*innen von Verbänden, TV-Sendern, Streamingdiensten, Förderern und unter Beteiligung der BKM, der Themis Vertrauensstelle e. V. und der BG ETEM nach über einem Jahr gemeinsamer Beratung heute den Respect Code Film (RCF) beschlossen.
mehr »