RBB-Streik mit Wetter aus dem Norden und leeren Studios

Warnstreik beim RBB in Berlin und Brandenburg. Groß ist die Wut der Beschäftigten über mickrigen Tarifangebote aus der Chefetage. Foto: Christian von Polentz

„Wir können auch anders! Programm – heute ohne uns!“ Wut und Empörung sind groß bei den Kolleg*innen des Rundfunk Berlin-Brandenburg!“ Ab 4:30 Uhr Freitagfrüh traten eine Abteilung nach der anderen in einen ganztägigen Streik. Der Protest richtet sich gegen die Blockade der Geschäftsleitung bei den Tarifverhandlungen. Und dagegen, dass die Mitarbeitenden die Misswirtschaft der alten Intendanz ausbaden sollen.

Schon am frühen Vormittag meldete der Sender „erhebliche Einschränkungen“ im Programm. Bis 13 Uhr hatten sich an die 500 Streikenden vor dem Fernsehzentrum in der Masurenallee eingefunden. „Bestandsschutz“! „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“! „Faire Honorare!“ – so der Tenor einiger mitgebrachten Parolen. Und, eher scherzhaft: „Beraterverträge und Massagesitze für alle!“ Eine Anspielung auf die Selbstbedienungspolitik in der Ära der vor einem halben Jahr zurückgetretenen Ex-Intendantin Schlesinger.

Geschäftsleitung kam mit leeren Händen

Noch ganz frisch war die Wut über die am Vortag geplatzten Tarifverhandlungen. Zur zweiten Verhandlungsrunde am 26. Januar war die Geschäftsleitung mit leeren Händen erschienen. Auf diese Provokation antworteten die Gewerkschaften mit dem Aufruf zum Warnstreik: Am Freitag sollten alle festen und freien Beschäftigen die Arbeit niederlegen.

Was sie denn auch taten, wie Kamerafrau und ver.di-Verhandlungsführerin Marika Kavouras und Thomas Klatt, Vorstandsmitglied im ver.di-Senderverband, auf der Kundgebung genüsslich auflisteten:  RBB Kulturradio:  Musik aus der Konserve. Inforadio: ab 10 Uhr Übernahme des NDR-Programms („und nun das Wetter im Norden!“). Der Fernsehschaltraum: schwarz. Die Technik des Hauptstadtstudios: „weitgehend lahmgelegt“. 88.8: Notprogramm. Radioeins: Musik aus der Konserve. Tosender Jubel bei der Meldung: Das MiMa (= Mittagsmagazin) fällt aus!

Warnstreik beim RBB am 27. Januar: Thomas Klatt, Vorstandsmitglied im ver.di-Senderverband, zählt die Programmausfälle auf. Foto: Christian von Polentz

„Ich möchte, dass wir die Menschen, die für uns arbeiten, ordentlich bezahlen.“ Eine verheißungsvolle Ansage von RBB-Interimsintendantin Katrin Vernau, gemacht vor zwei Wochen auf der Belegschaftsversammlung am 13. Januar dieses Jahres. Wer nun geglaubt hatte, diesen klaren Worten würden bei den Entgelt-Tarifverhandlungen entsprechende Taten folgen, sah sich bitter enttäuscht.

Die Verhandlungskommission aus der Chefetage hatte buchstäblich nichts anzubieten: Keine Tariferhöhungen, nichts zum Thema Inflationsausgleich, nichts zum Honorar. Auch die für den 30. Januar angesetzte nächste Verhandlungsrunde zum „Bestandsschutz für Freie“ wurde gecancelt. Ein neuer Termin? Fehlanzeige! Frühestens Mitte Februar könne es wieder Gespräche geben, hieß es. Begründung: Die Interims-Intendantin habe sich „noch keinen vollständigen Überblick über die Lage des Senders“ verschaffen können. „Das zeigt deutlich, dass die Interessen der Beschäftigten in der Prioritätenliste ganz hinten stehen“, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling.

Keine Wertschätzung nur Respektlosigkeit

„Wie gering kann eigentlich die Wertschätzung für die Mitarbeiter noch sein?“ Christoph Reinhardt, Sprecher der Freienvertretung, zeigte sich geschockt über die Tarifblockade der RBB-Verhandlungsdelegation. „Das war respektlos, wie wir da behandelt worden sind.“ Die letzte Tariferhöhung habe es vor 16 Monaten gegeben, mickrige 1,9 Prozent. „Da kann man sich ausrechnen, was übriggeblieben ist“. Der seit drei Jahren unveränderte „Honorarrahmen Programm“ sehe im unteren Satz 251 Euro Tagessalär vor. Dabei sei schon vor drei Jahren ein Bedarf von 305 Euro errechnet worden. „Jeden Tag schenken wir also dem RBB seitdem 54 Euro“. Fair wäre es, so Reinhardt, sofort die errechneten Zielhonorare zu zahlen. Aber selbst der Kompromissvorschlag der Gewerkschaften zum Bestandsschutz sei ausgeschlagen worden.

Susanne Papawassiliu vom RBB Kultur äußerte Enttäuschung über Interims-Intendantin Vernau. Angesichts der Verfehlungen ihrer Vorgängerin hätte sie die Situation der Freien bevorzugt angehen müssen, findet sie. „Wir sind hier die Mehrheit, wir sind nicht irgendein Problem. Solange wir als arbeitsrechtliches Problem behandelt werden, werden wir nie zueinander finden.“ Es sei nicht länger hinzunehmen, dass auf Kosten der Freien gespart werde, während die Direktoren für sich „Phantasieverträge“ aushandelten.

In diese Kerbe hieb auch Lisa Steger von Antenne Brandenburg. Sie habe die „Nase voll von immer neuen Enthüllungen“. Im „Nahkampf mit der Kundschaft“ müsse sie sich täglich anhören, wie tief das Ansehen des RBB gesunken sei. Mit Bemerkungen wie „Ihr seid alle Abzocker, euch müsste man schließen!“ Sie habe „keinen Bock, die Zeche dafür zu bezahlen, wie Schlesinger den Sender runtergerockt“ habe. Sie forderte Verhandlungen, faire Bezahlung für Feste und Freie sowie Bestandsschutz.

Auch Ludger Smolka, freier Reporter und CvD bei Brandenburg Aktuell, machte sich stark für mehr Absicherung durch Bestandsschutz, monierte die unterschiedliche Bezahlung für identische Tätigkeit. Die Position der Intendanz, dafür gebe es kein Geld? Blanker Hohn, die Mittel seien, wie jeder wisse, zweckentfremdet worden.

Warnstreik beim RBB. Beschäftigter haben es satt, das Missmanagement ausbaden zu müssen. Foto: Christian von Polentz

„Gehaltsexzesse“ der Intendanz belasten RBB-Etat

Das setzt sich bis in die Gegenwart fort. Die „Gehaltsexzesse beim RBB“ belasten weiterhin den RBB-Etat. Die juristische Aufarbeitung der skandalösen Amtsführung Schlesingers durch vier Anwaltskanzleien verursachte allein von Juli bis November 2022 Kosten in Höhe von mehr als 1,4 Millionen Euro. Tatsächlich kommen fast im Wochentakt neue Beispiele und Belege für die Selbstbedienungsmentalität der RBB-Geschäftsleitung in der Ära Schlesinger ans Licht.

Soeben erst berichtete „Business Insider“ über eine zusätzliche ARD-Zulage von mindestens 1.700 Euro pro Monat, die sich die RBB-Spitze von Mitte 2021 bis Juli 2022 (Rücktritt Schlesingers vom ARD-Vorsitz) angeblich genehmigte. Sozusagen als Sonderprämie für Mehrarbeit durch die Übernahme des ARD-Vorsitzes ab 2022. Hier seien „Maß und Mitte völlig verloren gegangen“, kommentierte selbst RBB-Intendantin Vernau diesen Vorgang.

Dennoch zeigte die RBB-Spitze keine Bereitschaft, sich gegenüber der ersten Verhandlungsrunde zu bewegen. Kurz vor Weihnachten 2022 hatte der Sender ein „Angebot“ unterbreitet, das die Gewerkschaften empört als „unterirdisch“ zurückgewiesen hatten. 1,9 Prozent Steigerung bei einer Laufzeit von zwei Jahren, das Ganze auch noch erst zum 1.6. 2023 – das wäre bei einer Inflationsrate von rund zehn Prozent auf knapp 20 Prozent Realeinkommensverlust hinausgelaufen. „Völlig undiskutabel“, urteilten die Gewerkschaften. Ein Angebot, das „auch nicht im Ansatz den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt“. Da erschien selbst die angebotene Einmalzahlung von maximal 2.000 Euro zum Inflationsausgleich gerade mal als Tropfen auf den heißen Stein, wobei Freie und Teilzeitkräfte mit wesentlich geringeren Beträgen abgespeist werden sollten.

Mickriges Angebot im Vergleich zu anderen Rundfunkanstalten

Besonders mickrig erscheint dieses Angebot, wenn man es mit den Abschlüssen vergleicht, die Ende vergangenen Jahres in den anderen ARD-Anstalten erzielt wurden, obgleich auch diese um einiges entfernt von den ver.di-Forderungen und einem wirklichen Inflationsausgleich ausgefallen sind. Hier stehen Gehalts- und Honorarerhöhungen von etwa 2,8 Prozent in mehreren Stufen, Einmalzahlungen bis zu 3000 Euro, mitunter auch für Auszubildende, Volontärinnen und Teilzeitkräfte in der gleichen Höhe, Laufzeiten in der Regel bis zu 21 Monate (nur in Einzelfällen auch 22 oder 24 Monate) auf der Habenseite.

Demgegenüber nehmen sich die Vorstellungen der Beschäftigten im RBB geradezu bescheiden aus. ver.di fordert eine Erhöhung um einen monatlichen Festbetrag von 555 Euro für alle festen und freien Mitarbeiter*innen sowie für Auszubildende – bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem soll eine Anhebung des Honorarrahmens erreicht werden.

Die RBB-Intendantin ahnte offenbar schon früh, dass die Gewerkschaften sich auf die von ihrer Geschäftsleitung offenbar angestrebte Form von „Lohndumping“ nicht einlassen würden. Beim Hearing im Hauptausschuss des Brandenburger Landtags am 19. Dezember prognostizierte sie ein „zähes Ringen“ im Tarifstreit. Sogar ein Arbeitskampf sei „eventuell zu erwarten“, schwante ihr. Zu Recht, wie sich dieser Tage herausstellt.

„Der RBB hat über seine Verhältnisse gelebt“, so hatte Vernau im Potsdamer Landtag eingeräumt. Und kündigte im Rahmen eines Kassensturzes „deutliche Einsparungen“ an. Ein Drittel der einzusparenden 41 Millionen Euro sollen in diesem Jahr, zwei Drittel im kommenden an den bisher geplanten Etats gekürzt werden. Das Ganze per sofortigem Stellenbesetzungsstopp. Um das „Prinzip Rasenmäher“ zu vermeiden, brauche es „strukturelle Einsparungen auf Basis einer strategischen Planung“. Taktgeber, so bekannte die Intendantin freimütig, werde das Programm sein – eine Aussage, die vor allem für die Freien im Hause Schlimmes befürchten lässt. Bis Mitte Februar will sie die groben „Weichenstellungen“ bekannt geben. Danach sei „sehr viel Detailarbeit“ nötig, um die erforderlichen Einsparungen umzusetzen.

Die Belegschaft hatte diese Ankündigungen mit großem Ingrimm vernommen. „Besonders schwer zu ertragen ist die Aussicht auf Einkommensverlust und Programmkürzungen, wenn man gleichzeitig und immer wieder von Ruhegeldzahlungen an ehemalige Geschäftsleitungsmitglieder liest und hört“, hieß es im Newsletter der Freienvertretung.

Sebastian Schöbel von der Redaktion Landespolitik Berlin, letzter Redner auf der Streikkundgebung, beschrieb seine Situation so: Seit zehn Jahren sei er im Einsatz für den RBB, der Sender könnte ihn 365 Tage im Jahr brauchen, will ihn aber nicht fest engagieren.  Ihm werde gesagt, bewährte Mitarbeiter wie er müssten austauschbar bleiben. „Ich erwarte von den Führungskräften, dass sie Verantwortung für die Mitarbeitenden übernehmen und sich nicht nur die Taschen vollmachen.“  Zusätzlich hätten katastrophale Projekte wie das Digitale Medienhaus, für die jetzt 18 Millionen abgeschrieben würden, den Sender in Schieflage gebracht. „Geld, das jetzt im Programm fehlt.“ Schöbel forderte mehr Solidarität der Festangestellten ein: „Denn wenn sie diesen Sender in den Dreck schicken, dann gehen wir alle unter!“

Während der Kundgebung vor dem Sendegebäude war es klirrend kalt.  Die Stimmungslage der Streikenden spricht dennoch für einen heißen Winter im RBB.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Die Mutigen 56

Hin und wieder ist es gar nicht verkehrt, sich bewusst zu machen, wie gut es uns in vielerlei Hinsicht geht. Jedenfalls gemessen an anderen Zeiten. Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, musste erst erkämpft werden, zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; davon erzählt das sehenswerte Dokudrama „Die Mutigen 56 – Deutschlands längster Streik“.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »