Tageszeitungen: Streiks gehen weiter

Kundgebung der streikenden Journalistinnen und Journalisten auf dem Rathausplatz in Esslingen
Foto: ver.di/Markus Klemt

Ohne Ergebnis wurden die Tarifverhandlungen für die rund 13.000 Tageszeitungsjournalistinnen und –journalisten unterbrochen. Ein neuer Termin wurde nicht vereinbart. Begleitet wurde die fünfte Verhandlungsrunde erneut von bundesweiten Warnstreiks. Seit Montag hatten über 1000 Journalist_innen und Journalisten ihre Arbeit niedergelegt. Auch heute gab es zahlreiche Streikkundgebungen, unter anderem in Esslingen und Braunschweig. Zudem war zum Auftakt der Verhandlungen in Berlin eine Delegation von jungen Redakteur_innen und Redakteuren angereist, um den Verlegervertretern ihr Manifest zu überreichen.

Selbst nach fünf Verhandlungsrunden hat es für den seit Jahresbeginn offenen Gehaltstarifvertrag ein unverändert enttäuschendes Angebot gegeben, in 30 Monaten Laufzeit die Gehälter und Honorare zum 1. Mai 2018 und 2019 um 1,7 und 1,5 Prozent zu erhöhen sowie die so genannten Nullmonate mit einer Einmalzahlung von 300 Euro zu kompensieren. In der Laufzeit sollten Volontäre einmalig 80 Euro Mindesterhöhung bekommen und eine Einmalzahlung von 50 Euro und Berufseinsteiger einmalig 120 Euro Mindesterhöhung sowie 250 Euro Einmalzahlung.

„Es gibt keine erkennbare Bewegung bei den Verlegern. Weder die überproportionalen Erhöhungen für den journalistischen Nachwuchs noch die insgesamt magere 3,2-prozentige Erhöhungen von Gehältern reichen auch nur ansatzweise aus, die zu erwartende Teuerungsrate bis Mitte 2020 auszugleichen. Das entspricht insgesamt nur 1,3 Prozent mehr Geld und ist ein echter Reallohnverlust.

Die Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen hingegen sind angetreten, ein spürbares Einkommensplus zu erkämpfen. Diese Auseinandersetzung, die auch eine ist um die Attraktivität und Qualität journalistischer Arbeit zu steigern, führen wir jetzt weiter“, sagte von Fintel.

Es sei ein enttäuschendes Signal mangelnder Wertschätzung gegenüber den Tageszeitungsjournalistinnen und –journalisten, dass die Verleger sich außerstande sähen, ihnen eine angemessene Erhöhung der Löhne und Gehälter zuzugestehen: „Es ist nicht einzusehen, dass die Kolleginnen und Kollegen draufzahlen sollen, während in anderen Dienstleistungsbereichen akzeptable Kompromisse gefunden werden“, kritisierte von Fintel.

Zuvor hatten wieder bundesweit Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen ihre Arbeit niedergelegt. In Esslingen etwa haben 300 von ihnen lautstark demonstriert.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Zur gleichen Zeit wurde im Esslinger Kongresszentrum das 150jährige Bestehen des Eßlinger Zeitung gefeiert. Davon waren die dort beschäftigten Journalist_innen allerdings ausgeschlossen, stattdessen protestierten sie vor Ort weiter:

Die streikenden Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen vor dem Gebäude der Braunschweiger Zeitung
Foto: Annette Rose

In Braunschweig haben sich rund 50 Journalistinnen und Journalisten von Braunschweiger Zeitung, HannoverscherAllgemeiner, Neuer Presse und Madsack Medien Ostniedersachsen aus Wolfsburg zu einer Streikdemo und anschließender Kundgebung getroffen. ver.di-Landesmediensekretär Niedersachsen-Bremen, Peter Dinkloh: „Nachdem RedakteurInnen jahrelang hinnehmen mussten, dass ihre Gehälter durch die Preissteigerung aufgefressen wurden, verlangen jetzt insbesondere die jungen KollegInnen eine spürbare Erhöhung. Es geht auch darum, dass eine unabhängige Presse selbstbewusste JournalistInnen braucht, die sich für andere ebenso wie für ihre eigenen Interessen einsetzen. Auch dafür demonstrieren wir.“

Hoch oben im Norden haben zudem mehr als 100 Streikende von Lübecker Nachrichten, Kieler Nachrichten, Segeberger Zeitung und Ostsee-Zeitung in Sprechchören ein Ende der Hinhaltetaktik der Verleger gefordert.

Rund 100 Streikende aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben in Lübeck für faire und gute Arbeitsbedingungen demonstriert
Foto: Herbert Steinfort

ver.di-Landesfachbereichsleiter Martin Dieckmann verwies auf die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegene Arbeitsbelastung in den Redaktionen bei gleichzeitigem Personalabbau bei den Blättern, die dem Madsack-Konzern (Hannover) gehören bzw. an denen er maßgeblich beteiligt ist: „Die Grenze ist erreicht, die Qualität der Berichterstattung droht Schaden zu nehmen.“ Die Herausforderungen der Digitalisierung ließen sich nicht auf dem Rücken der Beschäftigten lösen. Für Mecklenburg-Vorpommern fordern die Gewerkschaften zudem die Anwendung des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten, der in Schleswig-Holstein bereits seit vielen Jahren gilt.

Offenbar zu wenig beeindruckt zeigten sich die BDZV-Vertreter_innen auch von einer Delegation aus 17 jungen Redakteurinnen und Redakteuren, die eigens zur Verhandlung aus Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und von der Ostsee angereist waren, um den Verlegern ein gemeinsames Manifest zu überreichen, mit dem sie Jobsicherheit, Freiräume für eigene Ideen und (auch finanzielle) Wertschätzung für ihre Arbeit fordern.

17 junge Redakteurinnen und Redakteure überreichen den Verlegern zum Auftakt der fünften Verhandlungsrunde in Berlin ein gemeinsames Manifest
Foto: Siegfried Heim

So lässt es zumindest die Reaktion von BDZV-Verhandlungsführer Georg Wallraff vermuten:

Zuvor hatten die jungen Journalistinnen und Journalisten gegenüber den Verlegern zwar deutlich gemacht, dass sie durchaus keine Traumgehälter erwarten, aber auch gewarnt: „Nehmen Sie unseren Idealismus nicht für selbstverständlich. Denn wir werden das sinkende Schiff im Notfall verlassen. Versuchen Sie nicht länger, den Journalismus kaputtzusparen. Sonst müssen Sie bald alleine an Ihrer Zukunft schrauben.“

Allerdings, so twittern die „Jungen Journalist*innen im Streik“ wenig später, hätten die BDZV-Vertreter_innen ihnen einen Kaffee versprochen, bei dem man alles ohnehin viel besser als in der großen Runde besprechen könne:

Ob dieses Versprechen eingelöst wird, bleibt vor dem Hintergrund des bisher fehlenden neuen Verhandlungstermins unklar.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Drei Fragen: Zur Deutschen Welle

Bei der Deutschen Welle (DW) arbeiten rund 1.800 festangestellte und 2.000 freie Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Belegschaft der DW in Bonn und Berlin am 13.11. zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Denn nach sechs Runden stocken die Verhandlungen. Wir sprachen vor Ort in Berlin mit der ver.di-Sekretärin Kathlen Eggerling.
mehr »

Filmtipp: Turmschatten

Hannu Salonens Verfilmung des Romans „Turmschatten“ ist ein famos fotografierter Hochspannungs-Thriller. Heiner Lauterbach spielt in der sechs-teiligen Serie den deutschen Juden und ehemaligen Mossad-Agenten Ephraim Zamir, der zwei Neonazis für den Tod seiner Adoptivtochter verantwortlich macht. Die Internetgemeinde soll über ihr Schicksal entscheiden. Er nennt sich „Vollstrecker“, weil er angeblich nur den Willen der Mehrheit ausführt, aber in Wirklichkeit ist Zamir Staatsanwalt, Richter und Henker in einer Person.
mehr »

Der SWR-Staatsvertrag wird erneuert

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Platz wollen den Südwestrundfunk künftig (SWR) moderner aufstellen. Dazu legten sie Anfang November einen Entwurf zur Novellierung des SWR-Staatsvertrags vor. Zentrale Änderungen betreffen die Organisationsstrukturen sowie die Aufsichtsgremien des SWR. Rundfunkrat und Verwaltungsrat sollen bei der Mitgliederzahl jeweils um rund 30 Prozent verkleinert werden. Der SWR soll noch stärker auf Regionalität ausgerichtet werden.
mehr »