Unsittliches Angebot

„Handelsblatt“: Versuch von Honorardumping und Umsatzrabatten

Was da im September ins Haus von Fotografen flatterte, die für die führende Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ arbeiten, kann als ein unsittliches Angebot gewertet werden. In jedem Fall widerspricht es in eklatanter Weise jeglichen Honorarempfehlungen für Pressefotografen, von andernorts doch noch vorhandenen kollegialen Umgangsformen mit freien Mitarbeitern ganz zu schweigen.

Leidvoll wendet sich der neue Redaktionsdirektor des „Handelsblattes“ Albrecht Prinz von Croy in einem Brief an seine Fotografen und weist sie auf „die schwierige wirtschaftliche Entwicklung in der Medienbranche“ hin, die auch „an unserem Hause nicht spurlos vorbei gegangen“ sei. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu halten, sei die Bildredaktion des „Handelsblattes“ zu entscheidenden Maßnahmen gezwungen. „Um die erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihnen als freien Fotografen auch weiterhin gewährleisten zu können, sehen wir uns veranlasst, das Abdruckhonorar ab sofort auf 51,- Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu reduzieren“, heißt es in dem Schreiben. „Darüber hinaus würden wir uns freuen, wenn wir uns mit ihnen darauf verständigen könnten, uns rückwirkend zum 1. Januar 2003 einen Rabatt in Höhe von 15 % bezüglich des jeweiligen Monatsumsatzes zu gewähren. Diese Rabattstufe erscheint uns angemessen, da Sie zu den bevorzugten Fotografen unseres Hauses gehören und einen überdurchschnittlichen Umsatz verbucht haben. Wir bitten Sie, uns ihr Einverständnis … auf der dafür vorgesehenen Abschrift … zurück zu senden“, so von Croy „mit freundlichen Grüßen“.

Forderungen abgelehnt

Die Empörung unter den Betroffenen war groß, obwohl offenbar nicht alle Fotografen einen solchen Brief erhalten hatten. Fast alle Angesprochenen lehnten diese Forderungen kategorisch ab. Vor allem die rückwirkende Rabattierung wurde als „Unsinn“ und „als noch nie dagewesen“ zurückgewiesen. Wie soll das auch gehen, einen bereits erzielten Umsatz zu verringern? Und wie soll der künftige nicht gesicherte Umsatz darauf bezogen berechnet werden?

Bis heute zahlt das Handelsblatt 69,02 Euro pro Bild, unabhängig vom Abbildungsformat. Damit sollte das Honorar um 17,77 % gesenkt werden. Die Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) 2003 empfiehlt, für Tageszeitungen mit einer Auflage von 100.000 bis 250.000 für bis zu 2spaltige Fotos 70,00 Euro, für bis zu 4spaltige 90,00 Euro zu zahlen. „Die bisher vom Handelsblatt gezahlten Bildhonorare orientieren sich damit bereits am unteren Limit der MFM-Empfehlungen. Eine so deutliche Absenkung des Honorars wie das Handelsblatt sie plant, verläßt den Rahmen dessen, was bislang offenbar zur Zufriedenheit beider Seiten beigetragen hat. Dies ist für die Fotografen um so schmerzlicher, zumal gerade sie in Zeiten, in denen es dem Handelsblatt wirtschaftlich ausgezeichnet ging und daher durchaus höhere Honorare hätten verlangt werden können, nicht vom wirtschaftlichen Boom profitieren konnten, sondern die finanziellen Lasten der Bild-Digitalisierung einseitig zu schultern hatten. Damit haben sie in nicht unbedeutendem Maße zu Einsparungen beim Verlag beigetragen“, heißt es in einem Schreiben der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di (dju) an von Croy. Die hohen Investitionen der Fotografen würden auf angemessenen Bildhonoraren basieren, die bei guten Umsätzen angemessene Gewinne ermöglichen. Zu niedrige Honorare würden dagegen auch bei guten Umsätzen zu unzureichenden Gewinnen führen. „Eine solche Situation ist für keinen Fotografen hinnehmbar, führt sie doch in kurzer Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Diesen Prozess zu begünstigen, kann nicht im Sinne des „Handesblattes“ sein, das bei gleichbleibender journalistischer Qualität – und dazu gehört hochwertiges, aktuelles Bildmaterial – auch in Zukunft auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den Fotografen angewiesen sein wird. Die Wettbewerbsfähigkeit der Fotografen durch Dumping-Honorare zu untergraben, heißt nichts anderes, als der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, vor allem unter journalistischen Aspekten, einen Bärendienst zu erweisen“, so die dju.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »