TV-Autoren wehren sich gegen „Knebelverträge“ mit Produzenten
Die Autoren sind empört, sprechen von „Knebelverträgen“ und wittern „organisierte Kriminalität“. Aber nur hinter vorgehaltener Hand: Man hat Angst, auf einer schwarzen Liste zu landen. Stein des Anstoßes ist die zunehmende Praxis von TV-Produzenten, „Stufenverträge“ abzuschließen.
Im Gegensatz zum Autor hat der Produzent nach jeder abgeschlossenen Stufe das Recht, den Vertrag einseitig zu beenden. Von dieser Möglichkeit wird offenbar immer öfter Gebrauch gemacht. Weil die entwickelten Stoffe in solchen Fällen keineswegs ad acta gelegt werden, fühlen sich die Autoren nicht nur um ihre Idee betrogen, sondern auch unter Wert bezahlt. In einem „Bilder-Treatment“, also der konzentrierten, dialogfreien Fassung eines Drehbuches auf circa zwanzig Seiten, steckt nicht selten schon ein Großteil der Arbeit: Recherche, Ideenentwicklung, Dramatisierung. Der Rest ist für einen versierten Schreiber Routine. Trotzdem zahlen Produzenten für ein Treatment meist bloß ein Viertel des Gesamthonorars.
Nur eine lapidare Begründung
Zwei Fälle zeigen besonders anschaulich, wie gründlich Autoren und Produzenten aneinander geraten können. Der erste Fall begann im Jahr 2004. Karlheinz Freynik entwarf mit Koautorin Ilse Biberti für die SWR / Bavaria-Tochter Maran-Film ein Exposé mit dem Arbeitstitel „Herbstgeflüster“, eine anrührende Geschichte über eine alleinstehende Witwe, die mit Hilfe eines obdachlosen Straßenmusikers neuen Lebensmut gewinnt. Der Entwurf kam an, Freynik schrieb ein Treatment und auf dieser Basis eine erste Drehbuchfassung – und hatte dann seine Schuldigkeit getan; dank eines Stufenvertrages konnte die Maran die Zusammenarbeit beenden. Freynik bekam nach eigener Aussage weder eine qualifizierte Begründung noch die Gelegenheit, eine zweite Fassung zu erstellen, was laut Vertrag sein gutes Recht gewesen wäre. Bei Maran-Film kommentiert man den Vorgang lapidar: Freyniks Drehbuchfassung sei „als nicht abnahmefähig“ beurteilt worden. Man habe daher einen neuen Autor mit der Erstellung des Drehbuches beauftragt.
Dem Verband Deutscher Drehbuchautoren liegen weitere, ganz ähnliche Beschwerden vor. Eine Firma hat der VDD konkret im Visier: Die Opal Filmproduktion GmbH mit Sitz in Berlin produziert für das ZDF die Serie „Küstenwache“. Besucher der Homepage werden aufgerufen, ihre „persönlichen TV-Drehbuch-Vorschläge“ einzureichen, 15 Zeilen à 100 Zeichen; eine ungewöhnliche Form der Autorensuche. Tatsächlich weist „Küstenwache“ eine Vielzahl unterschiedlicher Autoren auf. Auch das ist gerade bei einer Serie mit festem Ensemble und sehr speziellem Hintergrund nicht die Regel.
Opal Film schließt mit den Autoren grundsätzlich Stufenverträge ab. Dabei, so der Berliner VDD-Anwalt Henner Merle, sei es anscheinend „nicht unüblich, dass die einzelnen Werkstufen aus verschiedenen, möglicherweise vorgeschobenen Gründen nicht abgenommen werden“. In den Genuss des Wiederholungshonorars, ergänzt ein betroffener Autor, komme man laut Vertrag zudem „nur dann, wenn auch die dritte Drehbuchentwicklungsstufe abgenommen wird. Dies passierte selbstverständlich nicht“. Mit der Begründung, man habe das Gespür für die Figuren vermisst, sei die Zusammenarbeit – „wie bei unzähligen anderen Autoren vor uns“ – beendet worden. Die weiteren Werkstufen werden laut Merle „von den Producerinnen der Firma unter einem Pseudonym weiter geschrieben“. Diese erhielten dann nicht nur die Vergütungen für die Abnahme der letzten Drehbuchfassung, sondern „kassieren auch noch das vollständige Wiederholungshonorar“.
Angst vor Auftragsverlust
Eines dieser Pseudonyme ist dem VDD bekannt: Hinter der viel beschäftigten „Küstenwache“-Autorin vermutet man eine Opal-Film-Producerin. Die wiederum reagiert mit Empörung auf die VDD-Vorwürfe: Das sei „absoluter Quatsch“. Die Existenz der Stufenverträge räumt sie zwar vorbehaltlos ein, doch Drehbücher „werden nicht intern fertiggestellt“. Natürlich komme es vor, dass ein Autor mit der Entwicklung eines Projekts nicht vorankomme, schließlich sei „Küstenwache“ ein schwieriges Format. Selbst erfahrenen Schreibern könne es passieren, „dass sie den Kontakt zu ihrer eigenen Geschichte verlieren“. In solchen Fällen biete man Hilfestellung und dramaturgische Tipps; wenn alles nicht helfe, übernehme ein anderer Autor. Die Producerin gibt zu, dass sie dies unter einem Pseudonym, ihrem Mädchennamen, gelegentlich auch selbst tue, „aber nicht, um mich zu bereichern“. Dieser Name, versichert sie, tauche bloß dann auf, wenn eine Drehbuchidee von ihr stamme. Nur dann bekomme sie auch ein Honorar. (Der Name und auch das Pseudonym sind der Redaktion bekannt. Sie wurden im Nachhinein auf Wunsch der Zitierten ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs entfernt. 7.4.2014, Red.)
Ob die Autoren Opal Film tatsächlich verklagen wollen, ist noch offen. Sie haben Angst, selbst bei gewonnenem Prozess auch von anderen Firmen keine Aufträge mehr zu bekommen.