Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach bei der Eröffnung des 42. Kongresses der Lokalzeitungen in Berlin. Der Vorsitzende des Verbands der Deutschen Lokalzeitungen (VDL) Robert Dunkmann dankte vor ihrer Rede für „den Perspektivwechsel von Europa und Deutschland ins Lokale“, versäumte es aber nicht, der Kanzlerin sowie dem Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir die „Probleme“ der Lokalzeitungen mit dem Mindestlohn und dem Auslaufen der Übergangsregelung für Zeitungsausträger 2017 auszumalen.
Zur Besserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen forderte Dunkmann für den Verband eine „Kompensation“ für den Mindestlohn, die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Online-Produkte sowie die Erleichterung der Kartellbedingungen für regionale Kooperationen.
Die Bedrohung von Journalist_innen sei „beschämend“ für ein aufgeklärtes Land, betonte die Bundeskanzlerin in ihrer Rede. Pressefreiheit allein mache aber noch keine Qualität, erklärte sie, und kam auf die Qualifikation der Journalisten zu sprechen, die auch in Lokalzeitungen ausgebildet werden. „Gute Journalisten sind und bleiben das wertvollste Kapital von Zeitungen.“ Es sei aber zu bezweifeln, ob die Autoren auch so behandelt würden. Deshalb strebe die Regierung ein für Kreative verbessertes Urheberrecht an auf einer „planbaren Basis für die Verlage“. Da Dunkmann darauf nicht kritisch eingegangen sei, „ist das ja vielleicht nicht so schlimm“, so Merkel. Beim Mindestlohn habe die Branche eine der wenigen Ausnahmen erhalten, und Übergangsregeln liefen naturgemäß aus. Die einheitliche Besteuerung werde in der EU angestrebt, beim Datenschutz werde in der nationalen Anpassung das „Presseprivileg“ erhalten bleiben.
In der Diskussion um „Das hohe Gut der Glaubwürdigkeit“ erzählte Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir aus seiner freien Mitarbeit bei schwäbischen Tageszeitungen. Die von manchen angezweifelte Unabhängigkeit der Presse in Deutschland stellte er der Praxis in Ländern wie Ungarn oder der Türkei gegenüber, wo „die Journalisten am Gängelband der Machthaber“ hingen. Mit Leuten zu debattieren, die einem „geschlossenen faschistischen Weltbild“ anhingen, sei sinnlos. Schreiber, die mit Gewalt drohten, zeige er an.
Ralf Freitag von der Lippischen Landeszeitung Detmold antwortete auf die Frage des Moderators Thomas Krüger, Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, nach dem Umgang mit dem Vorwurf „Lügenpresse“, dies sei eine Chance zur internen Kritik, führe bei manchen Kolleg_innen aber auch zu der Frage „Ist dies noch mein Beruf?“.
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl, Gründer der Internet-Seite „Floskelwolke.de“, die der Verbreitung politischer Schlagworte in den Medien nachspürt, beobachten einen „Lautstärkewettbewerb“: Ein Beben allein genüge nicht, es müsse „verheerend“ sein, Kritik müsse „scharf“ sein, etc.
Zu den Vorwürfen gegenüber der Presse erklärte Lutz Tillmanns vom Deutschen Presserat, der Journalismus sei keinesfalls schlechter geworden, aber die Leser selbstbewusster. Den Dialog mit ihnen sollten die Medien nicht verweigern.