Vor der Mitgliederversammlung der VG Wort am 26. November 2016 verweisen Politik und Verbände erneut auf die Brisanz der dort anstehenden Entscheidungen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes, das den bisherigen Verteilungsschlüssel bei der Rechteverwertung zwischen Urhebern und Verlagen im Wissenschaftsbereich gekippt hat, muss die Mitgliederversammlung über die Rückabwicklung von Verlegeranteilen und die zukünftige Verteilungspraxis beschließen. Die Entscheidungen scheinen zugleich existenziell für das bisherige Modell der Verwertungsgesellschaften.
Die dju in ver.di plädiert grundsätzlich für den Erhalt der VG Wort, da für Autoren „gemeinsam mit den Verwertern ihre Rechte in den Verwertungsgesellschaften beispielsweise gegenüber der Geräteindustrie und in der Digitalwirtschaft am besten durchgesetzt werden können“.
Nach dem BGH-Urteil steht fest, dass Verlage jahrelang an sie ausgezahlte Anteile zurückzahlen müssen, die ihnen nach Gerichtsauffassung so nicht zugestanden haben. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bezeichnet 20 bis 25 Prozent der Verlage durch die Rückforderungen der Verwertungsgesellschaften als „akut existenzgefährdet“. Doch nicht nur kleinere Buchverlage hoffen offenbar, dass die VG Wort ein Verfahren ermöglicht, nach dem einzelne Urheber auf ihnen zustehende Anteile zugunsten der Verlage verzichten können. Zuletzt forderten das auch Zeitschriftenverleger und drohten mit Honorarkürzungen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters betrachtet das eingeleitete Rückforderungsverfahren der VG Wort „mit Sorge“ und sieht politischen Handlungsbedarf, um kurzfristig Härten abzumildern und die kulturelle Vielfalt zu sichern. Zudem gelte es, „eine bundesgesetzliche Lösung zu finden, die das bewährte Zusammenspiel und Einvernehmen zwischen Urhebern und Verlegern wiederherstellt, und damit für die Zukunft Rechtssicherheit schafft“.
Nach den Erfahrungen, die Kreative in ihrer Arbeit mit Honorardumping von Verlagen machen, sei es kein Wunder, dass die Verteilungsschlüssel auch in nicht vom BGH-Urteil betroffenen Bereichen zur Disposition stehen und angesichts der ausbeuterischen Praxis grade im Zeitschriften- und Tageszeitungsbereich die Frage nach der Verlegerbeteiligung grundsätzlich gestellt werde, betont die dju in diesem Zusammenhang. „Hier gibt es zu Recht hohe Erwartungen von ver.di an die geplante Reform des Urhebervertragsrechts. CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag eine deutliche Stärkung des Urheberrechts angekündigt. Diese Erwartungen gilt es jetzt, politisch zu erfüllen“, so dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß.
Angesichts der Brisanz der Entscheidungen auf der bevorstehenden VG-Wort-Mitgliederversammlung rät die dju ihren Mitgliedern dringend, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und Rechte nicht voreilig abzutreten!
Beitrag zahlenden Mitgliedern der VG Wort, die bei der Versammlung in München nicht dabei sein können, wird empfohlen, ihre Stimmrechte nicht verfallen zu lassen. Sie sollten sie entweder einem anderen Mitglied direkt übertragen oder durch die dju in ver.di sammeln lassen. Einzelheiten zur Stimmrechtsübertragung können hier nachgelesen werden.
Nachtrag am 21. November 2016: Das Berliner Kammergericht hat in einem Berufungsverfahren am 14. November 2016 die Rechtsprechung des BGH zur VG Wort auch auf die GEMA übertragen und entschieden, dass die GEMA ebenfalls nicht berechtigt ist, Musikverlage pauschal an den Vergütungsanteilen der Komponisten und Texter zu beteiligen (Az.: 24 U 96/14).