Es war höchste Zeit: Ein neuer Volo-Tarifvertrag

Endlich! Ein neuer Ausbildungstarifvertrag für die Volontärinnen und Volontäre in Tageszeitungen wurde beschlossen. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert wird die Journalistenausbildung wieder an die Echtzeit angepasst. Wer 1990 sein Volontariat begann, erlebte noch den Klebeumbruch, Redaktionen mit mechanischen Schreibmaschinen, Manuskriptpapier und viel Tipp-Ex sowie die Schwarz-Weiß-Fotolabore der Fotografen. Damals gingen Redakteurinnen und Redakteure für den ersten Volo-Vertrag auf die Straße – alt und jung zusammen im damals längsten Journalistenstreik Deutschlands. Dieses Mal wurde von ver.di ausdauernd und deshalb letztlich mit Erfolg am grünen Tisch verhandelt.  

„Im Laufe des Redaktionsvolontariats werden dem Redaktionsvolontär / der Redaktionsvolontärin Kenntnisse und Erfahrungen in den journalistischen Tätigkeiten (Recherchieren, Schreiben, Redigieren, Auswählen und Bewerten) und in den Darstellungsformen (Nachricht, Bericht, Interview, Reportage, Bild, Feature, Glosse, Kommentar) vermittelt. Hinzu tritt die Vermittlung von Kenntnissen der Layout- und Umbruchtechnik, der Arbeit mit einem ggf. vorhandenen rechnergesteuerten Redaktionssystem…“ So las sich das 1990. Alle diese Fähigkeiten sind nach wie vor wichtig, das wird keiner bestreiten.

Aber dann sind viele Jahre ins Land gegangen, wie es im Märchen so schön heißt. Am Volovertrag hat niemand mehr gerührt. Das „gegebenenfalls vorhandene rechnergesteuerte Redaktionssystem“ wurde Alltag für Journalistinnen und Journalisten. Online-Auftritte der Zeitungen entstanden und entwickelten sich zum wichtigen Aushängeschild. Artikel von Freien kamen per E-Mail und nicht mehr in löchrig getipptem Durchschlag. Für anonym verfasste Leserbriefe gibt es nicht mehr nur die „Ablage rund“, sprich den Papierkorb, sondern auch die Kommentarfunktion unter Artikeln, auf die die Redaktion ständig achten muss, damit Trolle nicht ihr eigenes Spiel durchziehen können. Videos, Audio-Slide-Shows, Facebook und Twitter sind Formate und Verbreitungskanäle, an die zur Zeit des ersten Ausbildungstarifvertrags für Zeitungsvolontäre noch niemand gedacht hat.

„Irgendwas mit Medien“ stand viele Jahre sehr hoch in der Gunst junger Menschen als künftiger Berufsweg. Der Zulauf zu Veranstaltungen wie „Fuß fassen“, eine Informationstour von dju in ver.di und der Jugendpresse Deutschland, den Jugendmedientagen oder zu Seminaren an Hochschulen hat gezeigt, wie hoch im Kurs der Journalistenberuf bei ihnen lange stand. Doch wenn das Gespräch auf den geltenden Volontärstarifvertrag kam, waren oft fassungslose Mienen zu beobachten: Der Vertrag war älter als die jungen Zuhörer_innen! Gedanken an Ötzi und die Steinzeit schienen nahe zu liegen. Und das in einer Branche, in der fast nichts so wichtig ist wie Aktualität.

Inzwischen müssen die Verlage um gute Volontärinnen und Volontäre kämpfen. Da kann der neue Ausbildungstarifvertrag mit dem Muster-Modell ein gutes Argument sein.

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »