Correctiv: Auf Fake-News-Jagd für Facebook

Während die Bundesregierung Druck auf die Betreiber von Social-Media-Plattformen ausübt, noch vor der Bundestagswahl gegen gezielte Falschmeldungen vorzugehen, prescht Facebook mit einer eigenen Initiative vor. Das Essener Recherchebüro Correctiv soll für den US-Konzern Fake-News enttarnen und richtigstellen. Geld fließt dafür erst einmal nicht.

„Fake-News“, also gezielte Falschmeldungen zur Stimmungsmache, sind spätestens seit dem US-Wahlkampf in aller Munde. So wird der Wahlsieg Donald Trumps unter anderem auf Falschnachrichten zurückgeführt, die gerade bei Facebook verbreitet wurden. Fake-News-Autoren dichteten Hillary Clinton die Verwicklung in einen systematischen Kinderprostitutionsring an, während Donald Trump angeblich von Papst Franziskus unterstützt werde – beides pure Erfindung. Analysen zeigen jedoch, dass solche Falschmeldungen ein Millionenpublikum fanden, während Korrekturen und Richtigstellungen eher spärlich gelesen wurden.

Angesichts der zunehmenden Kritik an der Rolle Facebooks hat dessen Gründer Mark Zuckerberg ein neues Programm gegen solche Falschmeldungen gestartet – zunächst in den USA, nun auch in Deutschland. Wie das Unternehmen am Wochenende bekanntgab, soll das Recherchebüro Correctiv als erster Partner Facebook dabei unterstützen, Meldungen als falsch zu entlarven und entsprechend zu kennzeichnen. Dabei setzt Facebook auf die Rückmeldungen seiner Nutzer, die entsprechende Beiträge markieren sollen. Wenn ein Beitrag oft genug gekennzeichnet wurde, wird er von Facebook an seine Kooperationpartner weitergereicht. „Wenn die Faktenprüfungsorganisationen Beiträge als gefälscht identifizieren, werden diese mit einem Warnhinweis versehen, der sie als unglaubwürdig einstuft“, erläutert das Unternehmen das Verfahren. Gelöscht werden Fake-News nicht automatisch, die Beiträge werden aber aus Facebooks Werbe-Programm ausgeschlossen. Der Social-Media-Konzern behält sich auch vor, identifizierte Falschmeldungen weniger prominent zu platzieren.

Correctiv-Gründer David Schraven spricht auf Facebook von „einer Art Betatest“. So werde das Recherchebüro in den kommenden Wochen austesten, ob das Meldesystem von Facebook dazu geeignet sei, die Verbreitung von Falschmeldungen effektiv zu bekämpfen. Die Zielrichtung des Projekts sei jedoch richtig: „Unsere Demokratie darf nicht von Lügen und Lügnern missbraucht werden“, erklärt Schraven auf der Facebook-Seite von Correctiv.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Ungeklärt ist noch, wie sich eine solche Initiative auf Dauer tragen kann. So bezahlt Facebook selbst vorerst kein Geld für die Recherche-Dienste. „Es wird schwer werden, das Geld unserer Spender dafür auszugeben, Facebook zu heilen“, räumt Schraven ein. Denn die Arbeit des 2014 gegründeten Recherchebüros wird einerseits von Stiftungskapital, andererseits von freiwilligen Spendern getragen. Im Gespräch mit dem NDR schließt Schraven eine spätere Finanzierung durch Facebook nicht aus, hält sich aber alle Optionen offen. Facebook ist unterdessen auf der Suche nach weiteren Kooperationspartnern, die sich dem Faktencheck anschließen. Eine erste Bewährungsprobe soll der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen sein, wo im Mai ein neuer Landtag gewählt wird.

Nach Medienberichten kommt Facebook damit einer neuen gesetzlichen Regelung zuvor. So will die Regierungskoalition Konzerne wie Facebook und Twitter dazu zwingen, künftig innerhalb von 24 Stunden auf Beschwerden über Fake-News und Hasskommentare zu regieren. Einen konkreten Gesetzentwurf gibt es bisher aber nicht.

Parallel zu der Facebook-Initiative stellte Correctiv ein weiteres Projekt vor, um gegen die Verbreitung von Fake-News vorzugehen. In der „Reporterfabrik“ sollen sowohl Journalisten als auch normale Bürger dazu ausgebildet werden, mit Desinformationskampagnen umzugehen. Mitverantwortlich für die Online-Akademie ist der Spiegel-Reporter Cordt Schnibben.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

krassmedial: Diskurse gestalten

Besonders auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Telegram verbreiten sich rechtsextreme Narrative, die zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wie Journalist*innen dem entgegen wirken und antidemokratische Diskursräume zurückgewinnen können, diskutierten und erprobten etwa 70 Teilnehmende der diesjährigen #krassmedial-Sommerakademie von ver.di am Wochenende in Berlin-Wannsee.
mehr »