Die Berufsaussichten und die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten verschlechtern sich, die Zukunftsfähigkeit des Berufs steht infrage und neuerdings wird die Lauterkeit der dort Arbeitenden bestritten. In einem Buch aus dem Frankfurter Westend-Verlag beleuchten die beiden Herausgeber, Professoren an der Technischen Universität Dortmund, zusammen mit 14 jungen Journalismus-Absolvent_innen Aspekte des „Vertrauensverlusts“ der Medien.
Es geht um das Selbstverständnis des Journalismus heute, die Auseinandersetzung mit pauschaler Kritik und Verurteilung sowie die Perspektiven des Journalismus unter den Bedingungen von Digitalisierung und Internet. Die Onlineangebote der Verlage sehen sich der Konkurrenz von professionell gemachten Medienportalen und Blogs ausgesetzt. Zudem kann fast jede_r Behauptungen, Berichte, Meinungen zu aktuellen Themen veröffentlichen und dafür ein Publikum finden. Was folgt daraus? Braucht man bald keine Journalist_innen mehr? Millionenfach verbreitete Halbwahrheiten und Lügen legen es nahe, dass der Bedarf nach kompetenter Aufbereitung eher steigt. Aber gibt es auch eine Nachfrage? Und wie kann sie befriedigt werden? Wer endgültige Antworten haben will, wird in dem Buch zwar vergebens suchen, aber trotzdem viel Nachdenkenswertes finden.
Seit einiger Zeit wird „den“ Journalist_innen vorgeworfen, nicht objektiv und sachgerecht, sondern verzerrt und verfälscht zu berichten oder sogar zu lügen. Von Rechtsaußen kommen Angriffe bis zu persönlichen Drohungen und sogar körperlichen Attacken. Verständlich, dass sich mehrere Einzelbeiträge auf den Vorwurf der „Lügenpresse“ und den Umgang damit konzentrieren. Hierzu finden sich persönliche Erfahrungen und praktische Vorschläge. Allerdings wäre ein umfassenderer Blick sinnvoll gewesen. Ein Gleichklang der Berichterstattung in Grundsatzfragen wird ja zu Recht kritisiert, in dem Buch aber eher nebenbei abgehandelt. Der Verweis auf Rudeljournalismus, eingefahrene Routinen, Lobbyismus, die Rolle der Presseagenturen und ähnliches erklärt den Sachverhalt nur zum Teil. Uwe Krüger (Meinungsmacht; Köln 2013) hat dazu wertvolle Forschungsergebnisse geliefert.
Die wirtschaftlichen Strukturen haben in dem Buch wohl aus Platzgründen kaum Beachtung gefunden. Das ist schade, denn fast alle relevanten Medienmärkte werden von wenigen Konzernen beherrscht, deren Einfluss wächst. Sie bestehen fast immer aus Einzelverlegern oder Familienclans, und diese üben bedeutende publizistische Macht aus. Vielleicht wird dergleichen angesichts der technischen Möglichkeiten zur Manipulation im Digitalzeitalter, von Algorithmen, Facebook, Big Data, Falschmeldungen usw. bald nicht mehr so wichtig sein. Kann unter diesen Bedingungen seriöser Journalismus Bestand haben? Mehrere Autoren zeigen strukturelle Probleme des Berufs, die zur Verzerrung bis hin zur Desinformation führen können: Skandalisierung, Boulevardisierung, Clickbaiting, Reichweite als alles überragende Maßgabe. Der ökonomische Druck befeuert einen Trend, der schädlich ist für jeden demokratischen Diskurs. Hier finden sich viele kluge und nicht selten beklemmende Analysen.
Das Buch liefert eine Fülle von Informationen und Denkanstößen zur Rolle von Massenmedien im Digitalzeitalter. Es zeigt, welche Themen junge Journalistinnen und Journalisten bewegen, welch bewundernswertes demokratisches Engagement und welche tiefgehende Einsichten vorhanden sind. Wenn Qualitätsjournalismus eine Zukunft haben soll, dann müssen von hier die Impulse kommen. Ein wichtiges und lesenswertes Buch.