Fragen an Martin Dörmann, den medien- und kulturpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
M | Was betrachten Sie als wichtigste medienpolitische Leistung der Großen Koalition in der ablaufenden Legislaturperiode?
Martin Dörmann | Die wichtigste Leistung war die finanzielle und damit programmliche Stärkung unseres Auslandssenders Deutsche Welle. Sie stellt auch in Diktaturen einen Zugang zu unabhängigen Informationen sicher. Das ist in der heutigen Zeit, in der Fake News, Propaganda und die Verfolgung von Journalisten zunehmen, von enormer Bedeutung.
In Sachen Digitalisierung wurden zwar Fortschritte erzielt, allerdings – wie viele Experten monieren – auf Basis der wenig zukunftsträchtigen Kupfertechnologie. Halten Sie diese Kritik für berechtigt?
Das Breitbandziel für 2018 ist technologieneutral und soll vor allem endlich eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet sichern. Tatsächlich zeichnet sich ab, dass bei den Förderprogrammen 94 Prozent der Mittel für zukunftsfähige lasfasertechnologie genutzt werden. Wir sind also auf einem guten Weg. Der nächste Schritt muss nun der Ausbau Gigabit-fähiger Netze sein.
Unter dem Eindruck von Hate Speech-Exzessen in den sozialen Netzwerken wurde kürzlich das umstrittene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz” auf den Weg gebracht. Werden damit, wie Markus Beckedahl und viele andere befürchten, Facebook und Co. zu Richtern über die Meinungsfreiheit ernannt?
Bei Streitigkeiten entscheidet letztendlich nicht die Plattform, sondern ein Gericht. Schon heute müssen rechtswidrige Inhalte gelöscht werden. Wir erhöhen jetzt die Sanktionen, wenn man der Verpflichtung nicht nachkommt. Denn letztlich würde eine weiter fortschreitende Hasskultur im Netz viele abschrecken, sich an Debatten dort zu beteiligen. Das ist die eigentliche Gefahr für die Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt.
Erst das BND-Gesetz, dann die Vorratsdatenspeicherung, jetzt auch noch Fluggastdatenspeicherung: Hilft die SPD vor dem Hintergrund der Anti-Terror-Panik bei der Aushöhlung des Rechtsstaats?
Das BND-Gesetz bringt rechtliche Klarheit und Transparenz in einen Bereich, der vorher größtenteils ungeregelt war. Journalisten sind dabei keine Aufklärungsziele des Auslandsgeheimdienstes. Die Forderung, Journalisten prinzipiell von jeglicher strategischer Datenerfassung auszunehmen, würde voraussetzen, dass der BND eine Datenbank mit allen Journalisten der Welt anlegt. Das ist nicht praktikabel und wäre ein sehr schwerwiegender Eingriff. Die Vorratsdatenspeicherung erlaubt Ermittlungsbehörden, Metadaten zur Verfolgung von besonders schweren Taten zu benutzen. Dabei gibt es restriktive Vorschriften und ein unabhängiger Richter ist zwischengeschaltet. Daten, die bei der Kommunikation mit Personen anfallen, denen die Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt – also auch Journalisten –, dürfen nicht genutzt werden. Den besonderen Schutz der Journalisten haben wir als SPD-Fraktion zuletzt auch bei der 9. GWB-Novelle sichergestellt, als es um den Schutz von Redaktionsräumen bei kartellrechtsrelevanten Beschlagnahmungen ging.
Mit der 9. GWB-Novelle wurden Pressekooperationen unterhalb der redaktionellen Ebene erleichtert. ver.di und selbst das Bundeskartellamt sehen in dieser Liberalisierung ein potenzielles Risiko für die Meinungsvielfalt?
Zu Unrecht. Das große Risiko für Meinungsvielfalt ist es, wenn Pressetitel aus ökonomischen Gründen eingestellt oder bislang unabhängige Redaktionen zusammengelegt werden. Wir wollen dem entgegenwirken, indem wir eine engere Kooperation der Verlage ermöglichen, um deren wirtschaftliche Basis zu stärken, etwa durch gemeinsame Anzeigenvermarktung.
Das vor vier Jahren von der schwarz-gelben Regierung durchgepeitschte Leistungsschutzrecht erweist sich als wenig praktikabel? Sollte es nicht besser kassiert werden?
Die SPD hat damals darauf hingewiesen, dass der von Schwarz-Gelb gewählte Ansatz problematisch ist und langjährige Rechtsstreitigkeiten drohen. Das bestätigt sich jetzt. Wie es am Ende ausgeht, lässt sich noch nicht sicher sagen. Klar ist, dass Urheberrechte geschützt werden müssen. Wir hätten einen anderen Weg als das Leistungsschutzrecht für Presseverleger für besser gehalten.
Der Qualitätsjournalismus steht unter Druck. Konkrete Vorschläge für eine aktive Medienförderung sind rar. Was tun?
Wenn darunter direkte Subventionen für journalistische Titel zu verstehen sind: Diese werden von den Presseverlagen vehement abgelehnt, weil sie eine staatliche Beeinflussung befürchten. Das will natürlich niemand. In einzelnen Bundesländern, namentlich in NRW, gibt es Ansätze zur Förderung der Ausbildung. Und zwar nach intensivem Diskurs mit den Verlegern, der Landesmedienanstalt und der Stiftung „Vor Ort NRW – LFM-Stiftung für Lokaljournalismus”. Auf Bundesebene bestehen Überlegungen, den Zeitungsvertrieb auch im ländlichen Raum sicherzustellen, gegebenenfalls durch Steuererleichterungen. Denn der Mindestlohn soll auch für Zeitungsausträger nicht tangiert werden.
Sollte die SPD an der nächsten Bundesregierung wieder beteiligt sein – welche medienpolitischen Kernprojekte wollen Sie angehen?
Auf der Bundesebene: die weitere Stärkung der Deutschen Welle und die Forcierung Gigabit-fähiger Netze. Darüber hinaus geht es darum, geeignete Instrumente zur Sicherung fairer Bedingungen für guten Journalismus im Netz zu entwickeln. Auf der Agenda steht auch weiterhin das Presseauskunftsgesetz. Da nach der aktuellen Rechtsprechung die Informationsfreiheitsgesetze der Länder nicht auf Bundesbehörden anwendbar sind, bedarf es hier einer bundesgesetzlichen Regelung.