Mitbestimmung bei Arte aufgekündigt

Siegfried Heim, ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien in Baden-Württemberg
Foto: Stefanie Herbst

Beim deutsch-französischen Sender funktioniert die Sozialpartnerschaft nicht mehr – weil die Arte-Spitze Frankreichs Arbeitsgesetze zu eng auslegt und ver.di zu einer Gewerkschaft minderen Rechts machen will.
In Zeiten, in denen rechtsextreme Parteien die europäische Zusammenarbeit im Allgemeinen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen angreifen, ist der deutsch-französische Sender Arte notwendiger denn je. Die Zusammenarbeit deutscher und französischer Medienschaffender in dem Straßburger Unternehmen ist sichtbares Zeichen dafür, dass das demokratische Europa auch alte „Erbfeindschaften“ überwinden kann.

Allerdings knirscht es derzeit vernehmlich im Alltags-Gebälk von Arte, weil Verwaltungsdirektor Emmanuel Suard seit seinem Amtsantritt im vorigen Jahr die Sozialpartnerschaft im Sender infrage stellt – zumindest, was sein Verhältnis zu deutschen Gewerkschaften betrifft. Als die Firma Arte G.E.I.E gegründet wurde, schlossen die französischen Gewerkschaften und die ver.di-Vorgängerorganisation IG Medien mit der Arbeitgeberseite 1994 einen grenzüberschreitenden Tarifvertrag zur Regelung der grundlegenden Arbeitsbeziehungen in dem Sender. Wichtigster Punkt: Jede/-r Arte-Beschäftigte hat das Recht, sich durch eine Gewerkschaft seiner Wahl vertreten zu lassen – unabhängig davon, ob diese Gewerkschaft in Berlin oder Paris sitzt. In der Folge beteiligte sich ver.di an den Tarifverhandlungen bei den „réunions syndicales“ (Sitzungen des Arbeitgebers mit Vertretern der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften), und ver.di-Kollegen kandidierten auf den Listen französischer Schwestergewerkschaften erfolgreich für das „comité d’entreprise“ (Betriebsrat).

Überraschend für ver.di kündigte der neue Verwaltungsdirektor 2017 diese bewährte Sozialpartnerschaft auf. Suard, zuvor Botschaftsrat für Kultur in der diplomatischen Vertretung Frankreichs in Berlin, zog sich auf die Rechtsposition zurück, das französische Unternehmen Arte könne nur mit französischen Gewerkschaften rechtsverbindliche Verträge schließen. ver.di solle sich mit der Rolle eines am Katzentisch sitzenden Beraters begnügen, der zwar angehört werde, am Ende aber kein Recht zur sozialen Mitbestimmung habe. 4 von 10 Arte-Beschäftigten kommen aus Deutschland und werden nun ihres vertraglichen Rechts beraubt, durch eine deutsche Gewerkschaft vertreten zu werden.

Damit verbunden waren schwere Angriffe auf die ehrenamtlichen ver.di-Aktiven unter den Arte-Beschäftigten. Der langjährige Moderator der Nachrichtensendung „arte journal“, Jürgen Biehle, der mit dem Sender eine Auseinandersetzung um den Verbleib in der deutschen Sozialversicherung führte, wurde buchstäblich „ausgehungert“, indem ihm mehrere Monate die Zahlung von Gehalt und Krankengeld verweigert wurde. Biehle ist Betriebsratsmitglied und ehrenamtlicher ver.di-Vertreter bei den Gewerkschaftssitzungen. Einem anderen ver.di-Betriebsrat, der sich erfolgreich in eine Festanstellung geklagt hatte, wurden zusätzliche Urlaubs- und Krankheitsvertretungen verwehrt, mit denen der Familienvater vorher auf eine Vollzeitbeschäftigung gekommen war.

Arte setzt sich in seiner öffentlichen Darstellung für Menschenrechte und europäische Werte ein – zuletzt bei der Frankfurter Buchmesse, wo Arte sich dem Bündnis „I am on the same page“ anschloss, das journalistisch auf Menschenrechtsverletzungen reagieren will. ZDF Intendant Thomas Bellut betonte dabei für Arte Deutschland, dass dies auch für Menschenrechtsverletzungen in Europa gelte. Man darf also gespannt sein, ob sich nun an der Haltung des Arte-Verwaltungsdirektors zum Menschenrecht auf gewerkschaftliche Organisation etwas ändert. Bis es soweit ist, hat ver.di keinen Grund, Tarifverträge zu unterzeichnen, die den Arte-Beschäftigten in den letzten Jahren nur geringste Gehaltssteigerungen bescherten – und hat seine Mitarbeit bei den „réunions syndicales“ bis auf weiteres eingestellt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »

Deutsche-Welle: Beschäftigte wehren sich

Mitarbeiter*innen der Deutschen Welle (DW) protestieren an der Marschallbrücke in Berlin gegen die geplanten massiven Kürzungen im Etat des deutschen Auslandssenders. Sie wollen bis Freitag jeweils frühmorgens Bundestagsmitglieder auf ihrem Weg ins Parlament um Unterstützung für eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung der Deutschen Welle bitten.
mehr »

Wenn Tech-Giganten Meinung machen

Im Rahmen der Medienpolitischen Tagung luden ver.di und der DGB ein, über Medienmacht, Regulierung und Wege zu einer resilienten Öffentlichkeit zu diskutieren. Neben den medienpolitischen Sprecher*innen der demokratischen Parteien im Bundestag debattierten auch Expert*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Vertreter des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »