Riskantes Klischee: Störenfried Journalist

Monique Hofmann
Foto: Martha Richards

Der typische Journalist ist ein arroganter Klugscheißer und Pressefreiheit meint das willkürliche Verfälschen von Aussagen – das wollte uns am Sonntagabend zumindest der Luzerner Tatort weismachen. Und damit steht er leider nicht allein. Immer wieder werden Journalistinnen und Journalisten im Film als lästige, sensationsgeile, skrupellose und unmoralische Störenfriede gezeigt. Dabei wäre eine realitätsgerechtere Darstellung gerade jetzt bitter nötig.

Die Handlung des Schweizer Tatorts vom 27. Oktober – übrigens der letzte mit diesem Ermittler-Team – in Kurzform: Während der Ermittlungen zum Mord am Schweizer Kantonsrat Ineichen wird Kommissar Reto Flückiger immer wieder auf penetrante Weise durch den Journalisten Frédéric Roux bedrängt. Der betreibt ein alternatives Newsportal mit dem Namen „Veritas News“. Dabei kommt es zu folgender Szene, als die Leiche des Kantonsrats gefunden wird:

Kommissar Flückiger: „Nein, jetzt kommt der schon wieder. Gehen Sie bitte hinter die Absperrung, Sie haben hier nichts verloren!“ Der Journalist: „Das ist öffentlicher Boden.“ Flückiger: „Nein, im Moment nicht.“ Journalist: „Das ist der Ineichen, der da drunter liegt, oder?“ Flückiger: „Wir informieren dann, wenn es so weit ist.“ Journalist: „Was haben Sie denn zu verbergen?“ Flückiger: „Gehen Sie jetzt bitte hinter die Absperrung!“ Journalist: „Jetzt sag schon, wir sind doch nicht blöd!“ Flückiger verliert die Geduld, schiebt den Journalisten hinter die Absperrung und ruft: „Sind Sie schwerhörig?!“ Der Journalist, an die anderen anwesenden Medienvertreter*innen gerichtet: „Das ist Polizeigewalt! Haben Sie das gesehen?“

Ähm, echt jetzt, liebe Tatort-Autor*innen? Ist das nicht sonst eigentlich immer umgekehrt? Journalist*innen wollen ihre Arbeit machen, Demonstrant*innen oder Polizist*innen oder beide hindern sie daran – und zwar auf zweifelhafter Rechtsgrundlage?

Und wer jetzt einwenden möchte, dass es sich bei dem nervigen Tatort-Journalisten wenigstens um den Betreiber eines alternativen Newsportals und nicht um den Vertreter eines seriösen Blattes gehandelt habe, dem sei gesagt: Für den Otto-Normal-Zuschauer war dieser Unterschied sicher nicht zu erkennen. Wäre es anders, hätten wir schließlich dieses Problem mit den Fake News nicht.

Nein, dieser Tatort ist kein Einzelfall. Immer wieder und immer häufiger tauchen Journalistinnen und Journalisten vor allem in Krimis als äußerst fragwürdige Charaktere auf. Meistens sind es Nebendarsteller, sie behindern die Polizei bei ihrer Arbeit, sind skrupellos und haben überhaupt jegliche Moral über Bord geworfen.

Wenn es aber solche Szenen und Darstellungen sind, die sich in den Köpfen der Zuschauerinnen und Zuschauer festsetzen, dann braucht man sich nicht zu wundern, warum ein Polizist auf der Frankfurter Buchmesse einen Fotografen an seiner Arbeit hindert und diesem zur Last legt, er verhalte sich wie ein Störenfried, weil er seine Kamera länger als ein paar Minuten auf den rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek gerichtet hatte. Und zu wundern braucht man sich auch nicht, wenn unter dem Video, dass den Vorfall zeigt, ein Twitternutzer empört kommentiert, dies sei ohne Frage eine mutwillige Provokation seitens des Fotografen, um die Polizei mal wieder an den Pranger zu stellen (dieser Tweet ist inzwischen nicht mehr verfügbar, Anm. d. Red.).

Ohne Frage, es gibt sie auch, die öffentlich-rechtlichen Filme, in denen Journalistinnen und Journalisten als sympathietragende Protagonisten auftreten. Filme, die den Journalismus aus einer Innenansicht heraus erzählen. Vor drei Jahren sendete Das Erste gleich zwei solcher Streifen auf einmal: „Tödliche Geheimnisse“ und „Die vierte Gewalt“. Das Problem daran: Solche Filme dürften wohl vorwiegend diejenigen schauen, die ohnehin über eine gewisse Affinität zur Medienwelt verfügen. Und es sind nicht diese Menschen, die wir von der Glaubwürdigkeit des Journalismus und der Integrität der (meisten!) Journalistinnen und Journalisten überzeugen müssen!

Unverständlich ist Journalisten-Bashing wie im jüngsten Tatort zudem, weil es doch vor allem auch die Journalistinnen und Journalisten von ARD und ZDF sind, die als Vertreter*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter besonders kritischer Beobachtung durch das Publikum stehen. Mit klischeebehafteten und negativ besetzten Rollendarstellungen in Krimis und Fernsehfilmen dürften ihre Kolleginnen und Kollegen in den eigenen Rundfunksendern leider dazu beitragen, dass sich Misstrauen gegen die Zunft nur weiter zementiert.

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