NDR lässt Freie im Corona-Regen stehen

Andere Zeiten: Im Rahmen der Tarifrunde streikten im Oktober 2019 NDR-Beschäftigte in Hamburg und erhielten Unterstützung aus dem gesamten Sendegebiet. Foto: Mathias Thurm

Freie könnten ja Urlaub nehmen oder sich arbeitslos melden. Das rät man beim NDR den Arbeitnehmerähnlichen in Zeiten der Corona-Krise. Gegenüber ver.di-Forderungen herrscht Funkstille. Der Sender darf seine Verantwortung nicht auf die Sozialkassen schieben und auf Kosten der Freien sparen, meint die Gewerkschaft und verlangt verlässliche Lösungen zur finanziellen Absicherung.

ver.di hatte sich bereits am 19. März an den NDR gewandt, um Härten für freie Mitarbeiter*innen abzumildern. Die Gewerkschaft hatte unter anderem vom Sender gefordert, Honorare in bisheriger durchschnittlicher Höhe weiterzuzahlen, auch wenn Ausfälle nicht durch abgesagte Schichtdienste bedingt oder behördliche Quarantäneanordnungen gegeben wurden. Ausfall sollten in der vollen Höhe des vereinbarten Honorars gezahlt werden. Freie sollen – wie Festangestellte – auch Zahlungen erhalten, wenn ansonsten die Kinder- oder Pflegebetreuung nicht gewährleistet werden können. Ein Härtefallfonds sollte eingerichtet werden. Unverschuldete Arbeitsausfallzeiten bei tariflichen Regelungen angerechnet werden.

Trotz der Dringlichkeit hat der NDR bisher nicht auf die Forderungen von ver.di geantwortet. ver.di-Landessekretär Lars Stubbe sieht das klar als „Missachtung der Tarifpartner“. In internen Mitteilungen an die Freien hatte der Sender angeregt, „arbeitnehmerähnliche Personen können einen Urlaubsantrag stellen, um diese Zeit finanziell zu überbrücken“ oder sie sollten sich arbeitslos melden. Urlaub dient der Erholung, nicht als Überbrückungsgeld. Arbeitslosigkeit wird hierzulande wesentlich von Versicherten mitfinanziert. Obwohl die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag unvermindert weiter fließen, will der NDR offenbar auf Kosten der Freien sparen. Andere ARD-Anstalten haben längst Corona-Regelungen in Kraft gesetzt, die auch die Weiterzahlung von Honoraren betreffen.

In einem internen Newsletter kündigte NDR-Intendant Joachim Knuth am 25. März an, akut zu entscheiden, „wie Verdienstausfälle aufgefangen werden können“. Allerdings gingen die dann ankündigten Maßnahmen nach Einschätzung von Lars Stubbe „überhaupt nicht über das hinaus, was tarifvertraglich und gesetzlich ohnehin geregelt ist“. Man sei mit dem DJV im Gespräch und sich einig, dass nun offensichtlich auf tarifvertraglicher Ebene Nachbesserungen erforderlich seien.

Mit einem Offenen Brief hatte bereits der ARD-Freienrat, der die Interessen von etwa 18.000 festen Freien bundesweit vertritt, am 24. März an den ARD-Vorsitzenden und die Intendanten appelliert, ihre Fürsorgepflicht auch für die freien Mitarbeiter*innen wahrzunehmen. Bisher brächten „fragmentierte Lösungen“ nicht die erforderliche Absicherung für alle: „Wir wünschen uns Klarheit und eine gute Lösung für alle Freien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten.“ Erforderlich sei eine Lohngarantie. Vorbild könnten Lösungsmodelle von Radio Bremen und dem RBB sein.

Aktualisierung: Am 27. März haben ver.di und der DJV den NDR zu gemeinsamen Tarifverhandlungen über einen Notlagentarifvertrag zur Einkommenssicherung der NDR-Freien in Folge der Corona-Pandemie 2020 aufgefordert.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »