Bundeskongress der Kommunalen Kinos in Potsdam
Wie wird das #kinovonmorgen aussehen? Wie kann sich das Kino in Zeiten der Digitalisierung, angesichts der Marktmacht von Amazon, Netflix und Co. überhaupt noch eine wie auch immer geartete Relevanz bewahren? Kurz: Wie kann Kino mehr sein als Kino? Diesen und weiteren Fragen zur Zukunftsfähigkeit des Kinos ist der Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V. auf seinem 11. Bundeskongress Anfang Dezember 2015 im Filmmuseum in Potsdam nachgegangen.
„Andere Filme anders zeigen” lautet seit nunmehr 40 Jahren das Motto der Kommunalen Kinos in Deutschland. 127 kommunale und nichtkommerzielle Kinos sowie filmkulturelle Initiativen und Einrichtungen haben sich im Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V. (BkF) zusammengeschlossen und der Pflege und Verbreitung von Filmen aller Genres, ob Kurzfilm, Dokfilm oder Spielfilm, vor allem aber von Filmen abseits des Mainstreams verschrieben.
Und so wies auch Oscar-Preisträger und Literatur-Regisseur Volker Schlöndorff in seiner Eröffnungsrede des Kongresses darauf hin, dass der deutsche Film untrennbar mit dem Kommunalen Kino verbunden, ja in gewisser Weise gar von ihm abhängig sei. Nicht umsonst wäre die Entstehung der Kommunalen Kinos in den 70er Jahren mit dem Beginn der Erfolgsgeschichte des Jungen Deutschen Films zusammengefallen.
Die Kommunalen Kinos sind denn auch nicht nur Abspielorte von „anderen Filmen”. Nein, ihnen komme darüber hinaus auch eine essentielle Rolle bei der Bewahrung und Überlieferung des Filmerbes sowie damit verbunden der Ausformung des kulturellen Gedächtnisses zu wie Prof. Dr. Chris Wahl von der Filmuniversität Babelsberg betonte.
Labor für neue Formen der Präsentation
Wie Cornelia Klauß, medienpolitische Sprecherin des BfK, hervorhob, verstehe sich das Kino heute auch als Labor für neue Formen der Präsentation. Dabei begreift sich das Kino weniger als Ort zum das
Abspielen eines Films als vielmehr als Abspielort eines Films. Das Kino als Ort, dessen materielle (Ausstellung von originalen Filmrequisiten bspw.) wie konzeptionelle (thematische Filmreihen, Gespräche mit Regisseuren usw.) Ausgestaltung einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Arbeit des Kommunalen Kinos darstellt. Originelle und manchmal auch unkonventionelle Projekte wie die des Filmhistorikers Dr. Ralf Forster, der mit Industriefilmen an die Orte in Brandenburg reist, wo sie gedreht wurden, oder die Arbeit des „Berliner Stummfilm-Zerstörungs-Kollektivs” 43CHARACTERS, welches Stummfilme zerlegt, neu zusammensetzt und innovativ mit Klavier und Elektrobeats vertont, bieten neue Sichtweisen auf eher unbekannte Filme. Sie zeigen also andere Filme anders, und vermögen auf diese Weise auch weniger kinoaffine Menschen, aber vor allem die junge Generation, für Filme abseits des Mainstreams zu gewinnen.
Filmarbeit, die sich nicht mehr nur auf das Produkt Film beschränkt, sondern eben Film als Event realisiert. So verwundert es nicht, dass die kinospezifischen Ausbildungsberufe heute immer mehr strukturelle Elemente aus dem Veranstaltungsmanagement oder aus kaufmännischen Ausbildungen enthalten, wie Petra Rockenfeller vom Kino Lichtburg in Oberhausen aus ihrem eigenen Kinobetrieb zu berichten weiß. Auch dies ein Umstand, der auf neue Möglichkeiten des Kinomachens, auf Strategien für das #kinovonmorgen verweist.
Kinomachen: Beruf oder Berufung?
In diesem Zusammenhang ist die Zukunftsfähigkeit des Berufs des Kinomachers ein wesentlicher Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit des Kinos selbst. Über die arbeitsrechtlichen und tarifrechtlichen Grundlagen der kinospezifischen Berufe sprach Thomas Winzberg, Mitglied des Bundesvorstands der Fachgruppe Medien in ver.di. Ein entscheidender Faktor für die Attraktivität dieser Berufe ist demnach deren angemessene Entlohnung. In vielen Kinobetrieben sei die Anwendung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns allerdings lückenhaft. Dies betreffe laut Winzberg vor allem Praktika. Obgleich es sich in Kinobetrieben zumeist um freiwillige Praktika, die länger als drei Monate dauerten, handele und für die dementsprechend der gesetzliche Mindestlohn Anwendung finden müsse, seien diese Praktika fast immer unbezahlt. Gerade gegenüber dem Nachwuchs, der für die Arbeit in Kinos gewonnen werden solle, werde damit ein falsches Signal gesetzt. Probleme ergäben sich darüber hinaus auch bei der falschen Anrechnung von Zuschlägen und Zulagen. Betroffenen Kinobeschäftigten wird in solchen Fällen empfohlen, sich an den Betriebsrat oder an ver.di zu wenden. Das Organisieren in einer Gewerkschaft sei Winzberg zufolge entscheidend zur Durchsetzung angemessener Gehälter und Arbeitsbedingungen in den Kinos.
Nachwuchs für das Kino
Wer über das #kinovonmorgen spricht, muss schließlich auch über den Nachwuchs für das Kino sprechen. Und das in doppelter Hinsicht. Zum einen über Strategien, junge Menschen für die Arbeit im Kino zu gewinnen und sie mit den notwendigen Kompetenzen für diese sich wandelnde Arbeit auszustatten. Zum anderen über Projekte und Ideen, mit denen junge Menschen für den Kulturort Kino auch in Zukunft begeistert werden können. Eines dieser Projekte sind die bundesweit organisierten SchulKinoWochen, initiiert von VISION KINO, einer gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung der Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Laut Projektleiter Michael Jahn erfreuen sich die von den Kommunalen Kinos in Zusammenarbeit mit den Lehrern gestalteten SchulKinoWochen wachsender Beliebtheit und würden vor allem auch eine nachhaltige
Wirkung entfalten. Die etablierten Kontakte zu Schulen und Lehrer_innen würden auch für weitere Veranstaltungen abseits der einmal jährlich stattfinden SchulKinoWochen genutzt. Einen weiteren Ansatz für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stellte Gudrun Sommer vor. Sie ist eine der Initiatorinnen von DoXS! Dokumentarfilme für Kinder, der Kinder- und Jugendsektion des Dokumentarfilmfestivals Duisburger Filmwoche, deren Arbeit sich jedoch nicht nur auf das Festival für Kinder in Duisburg beschränkt, sondern auch ganzjährig an Kinos und Schulen bundesweit richtet.
Neue Wege und Initiativen werden indessen auch bei der Ausbildung von ‚Kinomachern‘ beschritten. Der von Prof. Dr. Chris Wahl an der Filmuniversität Babelsberg initiierte neue Master-Studiengang „Filmkulturerbe“ stellt dabei nur einen, aber einen sehr wichtigen Schritt für ein breites Ausbildungsangebot für die Kino-Arbeit, welches bisher allenfalls lückenhaft vorhanden ist.