Die digitale Spieleindustrie hat sich zu einem wichtigen Teil der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt. Beim A Maze Festival in Berlin treffen sich diejenigen, die eine unabhängige Spielekultur stärken wollen. Den Kern des Festivals bildet die Ausstellungsfläche für Indie-Games und ein Workshop- und Vortragsprogramm, das sich politischen Fragen im Gaming und der Spieleentwicklung widmet. Es geht um die Aneignung technischer Produktionsprozesse und die Frage, welche Welt diese Games repräsentieren.
Das A Maze Festival richtet sich seit 13 Jahren an die gleiche Zielgruppe: Indie-Gamer*innen, die Spaß an verschrobenen Plots haben, denen eine neue Spielmechanik wichtiger ist als die neue, überragende Grafik und die Lust haben, über die gesellschaftliche Rolle von Spielen nachzudenken. Nur ist die Zielgruppe seitdem massiv angewachsen. Während Indie-Gaming vor einigen Jahren noch ein Nischenphänomen war, ist es mittlerweile weit verbreitet. Die Plattform Steam, der wichtigste Absatzmarkt für PC-Spiele, verkauft nicht nur Triple-A-Titel, sondern auch Indie-Titel. Sie erleichtert es Indie-Developer*innen, ihr Publikum zu finden. Die Verbreitungswege für Mainstream- und Indiespiele haben sich also in den letzten Jahren angeglichen. Persönliche Empfehlungen spielen eine größere Rolle. Indie-Spiele zeichnen sich jetzt vor allem durch ihre Produktionsweise aus. Sie werden oft von Solo-Developer*innen oder kleinen Studios produziert, in denen weniger als 40 Leute projektbasiert und als Freelancer zusammenarbeiten.
Diesen Indie-Titeln widmete sich das A Maze Festival in diesem Jahr in seiner dreizehnten Ausgabe. Dabei teilt sich das Festival in vier Teile: einen Ausstellungsteil, in dem Spiele getestet und gespielt werden können, einen Vortragsteil, bei dem gesellschaftliche Fragen mit Gaming-Bezug diskutiert werden sowie einen Workshop-Teil, der ein tieferes Eintauchen in spezifische Themen, sei es die gewerkschaftliche Organisation im Gaming-Sektor oder das Erzählen in Videospielen, ermöglicht. Der vierte Teil bildet ein Rahmenprogramm aus Partys und Konzerten sowie der Prämierung der besten Spiele des Festivals.
Computerspiele als Kunstprojekt
Die Awards zeigen dabei den Fokus des Festivals. Im Zentrum steht nicht ein Spiel, das alles überstrahlt. Stattdessen gibt es Awards für innovative Spielmechaniken, für besonderes Storytelling und einen Award, der nur an geschlechtlich marginalisierte und weibliche Spielemacher*innen verliehen wird. Computerspiele werden hier als künstlerische Produkte und gesellschaftliche Versuchsmodelle verstanden. Immer wieder geht es daher auch um die Förderung von Games, von der sich gerade kleinere Game-Studios mehr Möglichkeiten versprechen.
Gameförderung ausgeschöpft
Zuletzt gestaltete sich diese aber zunehmend schwierig. Die Gameförderung auf Bundesebene ist seit einem Jahr ausgeschöpft. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat bislang kein Konzept für einen zusätzlichen Finanztopf zur Förderung von Games vorgelegt, und die Förderungen der Länder sind, trotz Aufstockungen, kaum ausreichend. Auch diese mangelnden Fördermöglichkeiten führen dazu, dass die Spiele-Machenden, die bei Festivals wie dem A Maze ausstellen, zwar motiviert aber einer klammen finanziellen Lohntüte anreisen, um ihre Spiele zu präsentieren. Dabei zeigen sich gerade im diesjährigen Schwerpunkt auf Mensch-Mensch-Maschine-Interaktion die Innovationen, die in diesem Bereich möglich sind.
Durch besondere Interfaces werden neue Interaktionen zwischen Mensch, Mensch und Maschine möglich. Beim Spiel Crashboard etwa stehen Spieler*innen mit einer 3D-Brille auf einem Skateboard und versuchen, durch Bewegungen auf dem Skateboard Geschenke auf einem Screen einzusammeln. Das Spiel Hyper Wobbler schickt auf Knopfdruck drei LED-Strips Lichtpunkte durch einen Kubus, und bei Non-Virtual Reality Games werden Mini-Spiele nur mit Vibrationen und Sound von VR-Controllern gespielt.
Spielerisch gesellschaftliche Fragen behandeln
Die Idee des Festivals übersetzt sich bei diesen Interfaces am besten. Spiele sind Zeitvertreib, sie sind aber auch die Imagination einer alternativen Welt, in der Realitäten ausprobiert und auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft werden können. Diese Spiele schaffen alternative Realitäten und geben den Spieler*innen Handlungsmacht und Selbstwirksamkeit. Auch bei vielen Macher*innen der Spiele zeigt sich ein politisches Verständnis in ihrer Art, Spiele zu machen. In Perfect World wird eine postkapitalistische Welt dargestellt, in der Menschen Care-Arbeit für die Natur übernehmen. In Building Relationships wird die Frage nach geschlechtlichen Normen im Dating beantwortet, indem statt Menschen Gebäude eine Beziehung eingehen, und in OFK werden künstlerische Produktionsprozesse spielerisch befragt.
Das Digitale beeinflusst das Analoge
In diesen Welten wird Selbstwirksamkeit erfahrbar. Die eigenen Entscheidungen beeinflussen das Geschehen direkt. Die Spieler*innen können dabei nicht nur spielerisch Einzelschicksale beeinflussen, sondern Erzählungen gesamter Gesellschaften durchleben. Im Zentrum stehen also häufig nicht einzelne Protagonist*innen, sondern Entscheidungen über kollektives Zusammenleben. So werden progressive Gesellschaftsentwürfe erfahrbar. Diese Erfahrungen können auch in der analogen Welt Handeln beeinflussen, wie der Proteus-Effekt zeigt. Der Proteus-Effekt besagt, dass Verhalten in Spielen auch das Verhalten in der analogen Welt beeinflussen kann. Beispielsweise treten Spieler*innen, die besonders selbstbewusste Charaktere spielen, auch in folgenden Befragungen selbstbewusster auf.