„Lokale Medien sind das Rückgrat unserer Medienlandschaft“, sagte Kanzler Olaf Scholz kürzlich in Berlin. Dabei nimmt die Zahl der Lokalzeitungen in Deutschland immer mehr ab. Die Folge sind ganze Regionen ohne lokale Medien, in denen die Menschen auf Informationen aus dem Internet oder kostenlose Anzeigenblätter angewiesen sind. Dabei ist belegt: Wo die Lokalzeitung fehlt, sinkt die Wahlbeteiligung, die Korruption steigt und die Zufriedenheit und der gesellschaftliche Zusammenhalt lässt nach.
„Demokratie und Journalismus“ – unter diesem Motto diskutierten am 16.9. in Berlin Teilnehmende aus Journalismus, Medienpolitik, Medienregulierung und Wissenschaft über aktuelle Entwicklungen der Medienbranche und die Zukunft von Lokaljournalismus. Organisiert wurde der Kongress von den fünf ostdeutschen Landesmedienanstalten: Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV), der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM), der Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA), der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) sowie der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
Medienlandschaft ist im Umbruch
Die Medienlandschaft ist im Umbruch. „Während große Plattformanbieter wie Google oder Meta immer stärker werden, kämpfen lokale und regionale private Medienanbieter vielfach um die bloße Existenz“, sagte Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten von Mecklenburg-Vorpommern. Die Sicherung der für die Demokratie so wichtigen Medienvielfalt werde zum „Balanceakt zwischen wirtschaftlichen Realitäten und gesellschaftlichen Notwendigkeiten“. Eine von der regionalen Landeszentrale für politische Bildung beim Leibniz-Institut für Medienforschung (Hans Bredow Institut) in Auftrag gegebenen Studie zum Mediennutzungsverhalten der Bürger*innen von Mecklenburg-Vorpommern habe ergeben: Die Bedeutung von Online-Formaten und sozialen Medien wächst. Ungebrochen ist aber auch das Interesse an politischer Information aus den regionalen Medien. Am meisten Vertrauen genießt der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sowie die regionalen Tageszeitungen.
Trotz eines grundsätzlichen Bekenntnisses zur Demokratie ist aber nur ein Drittel der Befragten damit zufrieden, wie diese Demokratie funktioniert. Nur zwölf Prozent glauben, als Bürger*innen politisch etwas bewirken zu können. Voraussetzung für den gemeinsamen gesellschaftlichen Diskurs, so Martin, sei unter anderem eine vielfältige Presselandschaft. Aber genau um diese Vielfalt ist es in MV nicht eben gut bestellt. Die Konzentration schreitet voran.
Nach dem Erwerb des Zeitungsverlags Schwerin GmbH & Co.KG durch die SV Medien Gruppe zum 1. Januar 2024 bildet die Schweriner Volkszeitung seit dem 1. April 2024 eine publizistische Einheit mit dem in Neubrandenburg erscheinenden „Nordkurier“ unter dem Dach der SV Medien Gruppe. Daneben gibt es noch die Rostocker Ostsee-Zeitung. Keine der Zeitungen besitzt eine eigene Vollredaktion, nur die Lokalteile sind unterschiedlich.
Was tut die Landesregierung zu Erweiterung der Medienvielfalt?
Der Koalitionsvertrag von 2021 sieht vor, nichtkommerzielle regionale Bürgermedien beim Digitalisierungsprozess zu unterstützen. Laut Martin hat die MVV für die Jahre 2024/25 ein Förderprogramm in Höhe von jeweils 300.000 Euro für die Herstellung und Verbreitung von Programmbeiträgen durch privatkommerzielle lokale und regionale TV-Veranstalter aufgelegt. Auch die Vertreter*innen der anderen Landesmedienanstalten unterstützen lokale Medien in ihrem Verbreitungsgebiet. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt bei der Förderung von Medienkompetenz, der Lehrerausbildung sowie allgemein der Politischen Bildung.
Carsten Schneider, Staatsminister und Bundesbeauftragter für Ostdeutschland, beklagte die zunehmende Verrohung des öffentlichen Diskurses. Physische Angriffe auf Medienschaffende träfen längst nicht mehr nur kurzfristig „eingeflogene“ Reporter*innen, sondern auch die schon lange vor Ort Tätigen. Lokale Medien sieht er „im Niedergang“. In Thüringen sei die Pressekonzentration weit fortgeschritten. Mit Ausnahme eines kleinen Blattes stünden alle Zeitungen unter Kontrolle der Funke-Gruppe. Der gemeinsame Mantel komme aus der Zentrale in Essen, „und man merkt es“.
Auf die Besonderheiten Ostdeutschlands werde weniger Rücksicht genommen, was der Auflage nicht förderlich sei. Das bereite ihm Sorge, weil auf diese Weise die Rolle von Lokalzeitungen als „Anker“ öffentlicher Debatten nicht mehr erfüllte werde. Allenfalls 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung, so schätzt Schneider, würden noch durch lokale Blätter erreicht. Der Umstellung auf E-Paper begegneten vor allem ältere Leser*innen eher reserviert. Dies sei fatal, denn gerade lokale Ereignisse – ob Amateurfußball, Baumaßnahmen oder Kommunalpolitisches – bedeuteten für viele Menschen am fassbarsten „gelebte Demokratie“.
Soziale Medien, so Schneider, könnten dieses Defizit nicht ausgleichen. Quellenkritik sei „unterausgeprägt“, resümiert er seine Erfahrungen im zurückliegenden Thüringer Landtagswahlkampf. Klar belegte Fakten, etwa über die hohe Beschäftigungsquote syrischer Migranten, würden als unwahr zurückgewiesen – mit Verweis auf anderslautende Zahlen „im Internet“. Wo so wenig Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Institutionen und gesicherte Fakten existiere, werde es immer schwieriger, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern, gab sich Schneider eher pessimistisch.
Stärkung von Qualitätsjournalismus
Es gibt aber auch positive Ansätze zur Stärkung von Qualitätsjournalismus. Zum Beispiel „Kivvon“, eine anbieterübergreifende Plattform für Medienschaffende, Verlage und Contentproduzent*innen. Oder das Start-up „Penemue“, das Medienschaffenden helfen soll, sich gegen toxische Inhalte und Hate Speech im Netz zu schützen. Das Tool erkennt potentiell strafbare Inhalte in Echtzeit und kann sowohl für Social Media Kanäle eingesetzt werden wie für Communities und interne Kommunikation.
Sascha Devigne, Geschäftsführer des Duisburger Studio 47, dem einzigen privaten Regional-TV-Sender in Nordrhein-Westfalen, präsentierte „NewsHub“, eine KI-Plattform zur vollautomatisierten Produktion von TV-Nachrichtensendungen. Am Beispiel eines Beitrags über die Auseinandersetzungen um ThyssenKrupp demonstrierte er, wie eine kleine Redaktion mithilfe von KI zeit- und ressourcensparend publizistische Qualität herstellen kann. Welche Folgen diese Innovation für die Branche haben könnte, blieb einstweilen unerörtert.
Klarer erscheinen die Folgen zunehmender physischer Attacken auf Medienschaffende im öffentlichen Raum. Gerade im Lokaljournalismus wirken sich Sicherheitsbedenken stark auf kritische Berichterstattung aus. Dies ergab die Studie „Feindbild Journalist:in 8: Angst vor der Selbstzensur“, deren Ergebnisse Andreas Lamm vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) zusammenfasste. „Demonstrationen sind derzeit der gefährlichste Arbeitsplatz mit vielen Übergriffen auf Journalisten, die häufig nicht genügend geschützt werden“. Sachsen und Berlin seien derzeit die Hotspots von Übergriffen auf Medienschaffende. Unter Hinweis auf den Schutzkodex appellierte Lamm an die Medienhäuser, ihrer Verantwortung für die Journalist*innen – vor allem für die Freien – gerecht zu werden.