Die Verleihung des FairFilmAward, die Auszeichnung der fairsten Filmprojekte des vorangegangenen Jahres, wird traditionell von einer Diskussionsrunde über gerechte Arbeitsbedingungen in der Film- und Fernsehbranche begleitet. Dabei wurde in diesem Jahr in der Berliner Kulturbrauerei gefragt, wie man Kräfte und Kompetenzen besser bündeln kann, und nach Modellen für Selbstorganisation, Kollektivität und Solidarität gesucht. Erstmals wurde der FairFilmAward jedoch nicht von der Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände vergeben.
Die Veranstaltung wurde stattdessen übergangsweise vom Branchennetzwerk Crew United ausgerichtet, was Geschäftsführer Oliver Zenglein in seiner Keynote damit begründete, dass der Preis gerade jetzt Kontinuität brauche. Welchen Stellenwert das Thema Fairness in der Filmproduktion mittlerweile erlangt habe, verdeutliche auch der Umstand, dass man 33 Verbände und ver.di als Kooperationspartner gewinnen konnte. Erfreulich sei das vor allem deshalb, so Zenglein, weil Uneinigkeit, Konflikte und Zerwürfnisse zwischen den Akteuren der Branche die Filmschaffenden nachhaltig schwächen würden. Denn: „Stärke entsteht auch durch gemeinsames Auftreten“. So war es in der Programmankündigung zu lesen. Der Crew United-Chef forderte daher nicht nur zu mehr Einigkeit auf, sondern appellierte auch an jeden Einzelnen, sich in einem Verband und bei ver.di zu organisieren: „Erwartet nicht, dass jemand die Zustände für Euch verändert!“ Wer nichts unternehme, sei mitverantwortlich dafür, dass sich die Bedingungen nicht verbesserten.
Gemeinsam stark
Diese branchentypische Krux war auch ein Leitmotiv der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Lisa Basten und Rüdiger Suchsland, die auch sonst durch den Abend führten. Welche Rolle etwa ver.di bei der Durchsetzung von Fairness in Filmproduktionen hat, erläuterte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Frank Werneke. „Stärke entsteht nicht im Selbstlauf“, knüpfte er an die Ausführungen Zengleins an. ver.di könne gute Bedingungen durchsetzen, biete allerdings nur den Rahmen, innerhalb dessen das Engagement der Filmschaffenden selbst entstehen müsse. Derzeit seien in der ver.di-FilmUnion rund 4000 Filmschaffende organisiert. Viel Luft nach oben also. Mehr Mitglieder und mehr Engagement würden die Durchsetzungskraft nicht nur in den Tarifverhandlungen verbessern, die aktuell mit der Produzentenallianz laufen, sondern auch im politischen Bereich. Erfolgreiches Lobbying erfordere die Legitimierung durch eine möglichst große Interessengruppe. Nur so könne ver.di bei Themen wie etwa der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags oder der Aufnahme von Sozialverträglichkeit als Förderkriterium in das Filmfördergesetz (FFG) Druck auf die politischen Entscheidungsträger_innen ausüben.
Modelle der Zukunft?
Weil es an diesem Abend zudem um alternative Modelle der Selbstorganisation und Kollektivität gehen sollte, saßen auf dem Podium auch Fabian Eder, der Vorstandsvorsitzende des Dachverbands der österreichischen Filmschaffenden und der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden VdFS GenmbH, sowie Magdalena Ziomek-Frackowiak aus Geschäftsführung und Vorstand der Genossenschaft SMartDe eG. So erläuterte etwa Eder, dass der Dachverband mit 70 Prozent der Einnahmen aus der Verwertungsgesellschaft einen Fonds finanziere, mit dem beispielsweise in prekären Situationen befindlich Kolleg_innen, aber auch Filmfestivals gefördert würden: „Wir können mit dem Geld einiges bewegen.“
Der Gedanke der Solidarität steht auch über dem Projekt von Ziomek-Frackowiak, einer Genossenschaft, die ihren Mitgliedern die Freiheit der Selbstständigkeit gepaart mit der Sicherheit der Angestellten ermögliche. Es handele sich um eine Art Produktionshaus, in dem Selbstständige, die zumeist aus dem Kultur- und Kreativbereich kämen, im Rahmen ihrer einzelnen Projekte angestellt werden. Die Genossenschaft übernimmt dabei die Verantwortung und Haftung für die Aufträge, zahlt etwa die Gagen, die der Auftraggeber schuldig bleibt. Seit zwei Jahren ist SMartDe in Deutschland aktiv, mit bisher 200 Mitgliedern. Eingebettet sei man jedoch, betont Zimoek-Frackowiak, in ein europäisches Netzwerk mit 90000 Genoss_innen.
Auch fordern, nicht nur fördern
Kritisch in den Blick genommen wurde schließlich auch die Rolle der Filmförderinstitutionen. Als „weiße Salbe“, weil folgenlos bezeichnete Werneke das novellierte Filmfördergesetz. Dieses sehe noch immer keine Tarifbindung als Förderkriterium vor. So könne ver.di zwar Tarifverträge verhandeln, doch die Schwäche beginne dort, wo dieser Tarifvertrag nicht eingehalten wird. Hoffnung mache jedoch, dass nun die erste regionale Filmförderinstitution, nämlich die MFG Baden-Württemberg, die Einhaltung von Sozialstandards als verbindliches Förderkriterium eingeführt hat. Dies werde man zum Anlass für einen erneuten Vorstoß im Bundestag nehmen, kündigte Werneke an.
So kann es wohl auch als deutliches Signal verstanden werden, dass die Auszeichnung der Preisträger des FairFilmAward im Anschluss an die Diskussion von Prof. Carl Bergengruen, dem Geschäftsführer der MFG Baden-Württemberg, übernommen wurde. Mit dem Preis für die fairste Filmproduktion wurden „Rentnercops“ in der Kategorie „Serie“ und „Der Vorname“ in der Kategorie Spielfilm ausgezeichnet. Für die Ermittlung der Preisträger haben 2000 Crew United-Mitglieder die Filme nach einem Schulnotensystem von eins bis sechs bewertet. Abgestimmt werden konnte dabei nur über Produktionen, an denen man auch selbst beteiligt war.
Den inoffiziellen Preis der absolut unfairsten Produktion sahnte dagegen „Berlin, I love you“ von der Walk on Water Films und unter der Regie von Til Schweiger ab. Dass der Film mit fast einer Million Euro vom Deutschen Filmförderfonds (DFFF) finanziert worden sei, verdeutliche einmal mehr die Schwächen der Filmförderung, so Oliver Zenglein. Denn obwohl es laut FFG seit mehr als einem Jahr Aufgabe der Förderer sei, „darauf hinzuwirken, dass in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal zu sozialverträglichen Bedingungen beschäftigt wird“, habe sich in der Praxis wenig bis nichts getan. Fairness und Sozialverträglichkeit müssten endlich verbindlich für die gesamte Filmförderung werden. Baden-Württemberg hat es vorgemacht.
Bis dahin muss der FairFilmAward aber wohl weiterhin alljährlich vergeben werden. Denn, so stellte Zenglein in seiner Eröffnungsrede klar, dieser Preis solle „keine glamouröse Angelegenheit sein“. Er erinnere uns unweigerlich daran, dass es in der Branche eben nicht fair zugeht: „Ziel ist, dass dieser Preis sich selbst abschaffen kann.“