Fotojournalisten zwischen Abzug und Multimedia

Foto: Hermann J. Haubrich

Sinkende Honorare, Stellenabbau in Bildredaktionen, Konkurrenz durch Amateure und Online-Bilderdienste, bedrohliche Konfrontationen, sei es mit der Polizei oder mit Nazis – die sich wandelnde Arbeitswelt fordert von Fotojournalisten Durchhaltevermögen und Kreativität, fördert mitunter Wut und Resignation. Während sich die einen an die veränderten Zustände anzupassen versuchen und Wege finden, trotz allem ein Einkommen zu sichern, tun andere sich zusammen und ändern die Bedingungen.

Die Verlage verkleinern ihre Bildredaktionen, wie kürzlich die Auto-Bild, die im August zahlreiche Bildredakteure vor die Tür gesetzt hat. Nur noch wenige Fotojournalisten sind fest angestellt, die meisten arbeiten frei, so die Beobachtung der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Etwa ein Drittel der freien Journalistinnen und Journalisten bezeichnet sich als Bildjournalist. Allerdings sind das nicht nur jene, die klassischen Fotojournalismus betreiben, darunter auch zunehmend Vertreterinnen und Vertreter der ursprünglich schreibenden Zunft, stellt Cornelia Haß, Geschäftsführerin der dju, fest.

Reine Bildjournalisten gibt es nur noch wenige. Angesichts sinkender Bildhonorare, so Cornelia Haß, erscheint das aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei die digitale Bildtechnik Grund für die zunehmende Vermischung von Wort- und Bildjournalismus. Auch für Amateure ohne professionelle Ausrüstung ist es möglich, Bilder zu produzieren, die den Ansprüchen der Redaktionen genügen. „Für Fotojournalisten bleibt immer weniger übrig”, sagt Haß.

Dabei sind die Anforderungen an Bildjournalisten gestiegen. Sie sollen nicht mehr nur einen Abzug eines Fotos abliefern, sondern ihre digital geschossenen Bilder bearbeitet für die Print- und Online-Nutzung zur Verfügung stellen und am liebsten auch noch Multimedia-Produkte liefern. (Interview mit Wolfgang Schimmel) Mit Buyout-Verträgen zwingen Verlage die Fotografen in eine dramatische Existenznot: Mehrfachnutzungen werden nicht vergütet, gegen häufig zu geringe Pauschalhonorare müssen sie alle ihre Nutzungsrechte abtreten.

Ohne zusätzliche Aufträge aus Werbung und PR ist für viele Fotografen deshalb das berufliche Überleben nicht mehr gesichert. „Fotografen sehen sich zunehmend gezwungen, ihre Bilder an den Anforderungen der PR auszurichten”, stellt Cornelia Haß fest. „Die Welt durch die PR-Brille betrachtet sieht aber ganz anders aus als aus einem journalistischen Blickwinkel.”
Diese Entwicklungen mögen verheerend sein, aus Sicht von Elke Grittmann, Professorin an der Leuphana Universität in Lüneburg, sind sie aber logisch. „Unter den Bedingungen der Digitalisierung und einer neoliberal geprägten Globalisierung befindet sich der Fotojournalismus im Umbruch.” Ökonomische Grundlagen, Organisationsformen, Arbeitsweisen und vor allem digitale Distributionsformen – das alles seien Herausforderungen, die eine breite Debatte nötig machen.

Gefahr für die Glaubwürdigkeit

Debatten über Fotojournalismus erreichen aber vor allem dann die Öffentlichkeit, wenn es um Bildmanipulation geht, wie im Nachgang des World-Press-Photo-Award 2015. Dort werden jedes Jahr die besten Pressefotos ausgezeichnet. Im letzten Jahr jedoch wurden zahlreiche Fotos von der Teilnahme ausgeschlossen, weil sie nachträglich bearbeitet worden waren und deshalb nicht den journalistischen Ansprüchen genügten. Einem für seine Bilderserie prämierten Fotografen wurde nachträglich der Titel aberkannt, weil die Bildunterschriften verfälschend waren. Einige der Bilder waren zudem inszeniert. Technisch steht der Veränderung von Bildern nichts im Wege. Die Wertung aber, welche Bearbeitung akzeptiert, welche rechtlich zulässig und welche moralisch verwerflich ist, befindet sich oft in einer Grauzone. In einem Positionspapier stellt Freelens klar, pauschale Regeln könne es nicht geben: „Es gibt nicht das eine objektive Foto, das die Wahrheit einer Geschichte zeigt, ebenso wenig wie die eine starre Regel, die universell anwendbar ist und zu ethisch korrekten Entscheidungen führt.”

Wenn Freelens die Verantwortung nur bei den Fotografen selbst sieht, und Positionen zu der Zulässigkeit von Bearbeitungen festzuschreiben versucht, droht allerdings das eigentliche Problem aus dem Blickfeld zu geraten: Arbeitsbedingungen, Bezahlung und die Verantwortung der Redaktionen als Auftraggeber werden in dem Positionspapier nicht einmal am Rande erwähnt. Felix Koltermann, Fotograf und Wissenschaftler aus Erfurt, wagt einen anderen Blick auf dieses Thema.

Einschränkung der Pressefreiheit

Die Debatten, die Grittmann fordert, müssten angesichts aktueller Vorfälle aber eher um existentiellere Probleme des Journalismus geführt werden: Die Einschränkung der Pressefreiheit durch die Be- und Verhinderung der Arbeit von Fotojournalisten. Immer wieder berichten Fotografen von Übergriffen bei Demonstrationen, etwa bei den Pegida-Aufmärschen, oder von Polizisten, die anstatt die Pressefreiheit zu verteidigen lieber das (vermeintlich bedrohte) Persönlichkeitsrecht von Nazis schützen. Anfang September erst bekam der Fotograf Nick Jaussi zu spüren, was die sächsische Polizei schützenswert findet – und was nicht. Während der rassistische Mob vor den Flüchtlingsunterkünften in Heidenau „Heil Hitler” skandierte, wurde der Fotograf von drei Polizisten festgehalten. Er habe Porträtaufnahmen angefertigt, was nicht erlaubt sei, führten diese als Vorwand für den Übergriff an.

Fotografen sind in Situationen wie diesen besonders verletzlich. Im Gegensatz zu Wort-Journalisten können sie nicht in der Menge untergehen, sie sind identifizierbar. Ihre Fotokamera lässt sich nicht verstecken. Welche Eindrücke sie einsammeln, ist auch für Umstehende erkennbar. Doch nicht nur bei Demonstrationen wird die Pressefreiheit eingeschränkt. Zum Alltag von Fotografen gehören inzwischen auch strenge Auflagen der Veranstalter bei Konzert- und Sportveranstaltungen, die eine unabhängige journalistische Arbeit oft unmöglich machen.

Anspruch scheitert an Realität

Im scheinbaren Widerspruch zu den Arbeitsbedingungen steht der Anspruch, den Fotografen wie die des Hannoveraner Kollektivs attenzione formulieren: Fotojournalisten müssten sich „in Ruhe mit einem Thema beschäftigen, sich einarbeiten, um dann genau und interessant zu berichten”, sie müssten „mit ihren Bildern Geschichten erzählen, auf Besonderes hinweisen, aufklären”. Davon jedoch, stellt attenzione resigniert fest, kann keiner leben, denn „Buchhalter bestimmen die Marschrichtung der Redakteure” (siehe auch Wie reagieren auf Herausforderungen?).

Dass Fotojournalisten auch Aufträge aus Werbung und PR übernehmen, nebenbei als Hochzeitsfotografen arbeiten oder auf anderen Wegen Einnahmen sichern, die der Fotojournalismus allein nicht gewährleisten kann, gilt als Normalität. „Es ist den Medien einfach nicht mehr wichtig, mit fotojournalistischen Geschichten zu überzeugen und damit ja auch in die Gesellschaft zu wirken”, so attenzione. „Es ist ihnen und den Konzernen dahinter nur wichtig, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften.”

Daran ändert auch eine September-Ausgabe der Bild nichts, die ohne Bilder erschien, um auf die Wichtigkeit und Macht der Bilder hinzuweisen. Zwar wurde dadurch eindrucksvoll demonstriert, wie sehr gerade eine Zeitung wie Bild auf Fotos angewiesen ist. Doch dass ausgerechnet dieses Blatt den Wert der Fotos in einer derart drastischen Form thematisiert, dürfte auf Fotojournalisten wie blanker Hohn wirken. Denn der Springer-Verlag verlangt von Fotografen seit 2007 die Übertragung aller Rechte an den Verlag bei einer einmaligen Honorarzahlung.

Nicht zu Billigheimern machen lassen, untereinander verständigen

Dass es anders geht, zeigen die Foto-Freien der Deutschen Presse Agentur dpa. Unter dem Motto „Wir liefern nicht” haben sie im Juni ihren Forderungen nach einer gerechteren Vertragsgestaltung, der Umsetzung des gesetzlichen Anspruchs auf Urlaubsgeld für arbeitnehmerähnliche Freie sowie einer Erhöhung der Honorare Nachdruck verliehen. Jetzt befinden sich die Gespräche auf der Zielgeraden, derzeit sind unter anderem pauschale Honorarerhöhungen für alle, Pauschalisten sowie „freie Freie” angepeilt, um zu verhindern, dass die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird. „Wir sind auf einem guten Weg für die Foto-Freien bei dpa. Das ist wesentlich der Aktionsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen zu verdanken. Sie haben ein starkes Signal gesetzt”, so Haß. Das zeige: Es lohne sich für Freie und auch für Fotografen, sich zusammenzuschließen und gemeinsam für bessere Bedingungen zu kämpfen. Ihr Tipp an die Fotografen: „Sich nicht zu Billigheimern machen lassen. Gute Preise nehmen und sich dazu untereinander verständigen, Netzwerke bilden, die den freien Fall aufhalten. So, und nur so setzen sich gute Fotografen und gute Preise durch.”

Gerade auf lokaler Ebene sollten sich Fotografinnen und Fotografen zusammenschließen und abstimmen: Wie viel wird für ein Foto gezahlt, wie steht es um Zweitverwertungsrechte? Werden zum Beispiel die bestehenden Vergütungsregelungen für Bildhonorare bei Tageszeitungen nicht eingehalten, sollten sie sich kollektiv weigern, Aufträge anzunehmen oder auszuführen – und Kontakte zu den betrieblichen Interessenvertretungen und der dju in ver.di knüpfen. „Wir haben mit diesem Vorgehen gute Erfahrungen gemacht”, so Haß. „Jeder für sich und alle gegeneinander, das funktioniert nicht.”

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