Medien in Washington massiv angegriffen

Zerstörte Foto- und TV-Produktionsausrüstungen, nachdem Pro-Trump-Demonstranten am 6. Januar 2021 den Medienpool vor dem Kapitol in Washington angegriffen hatten. Foto: imago images/Michael Nigro

Washington bot in der letzten Nacht ein Bild der Gewalt und des Chaos. Anhänger des abgewählten Präsidenten Trump hatten das Kapitol, Sitz des US-Parlaments, gestürmt. Dort sollten zu diesem Zeitpunkt die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zertifiziert werden. Die Sitzung wurde abgebrochen. Jüngsten Berichten zufolge gab es vier Tote und mindestens 50 Festnahmen. Medien wurden massiv von radikalen Protestierern attackiert.

Mittlerweile sei die Lage unter Kontrolle – der Kongress habe seine Arbeit wieder aufgenommen, meldete die Tagesschau am Morgen.

Bei den gewalttätigen Ausschreitungen sind Medienvertreter angegriffen worden, darunter das ZDF und die Nachrichtenagentur AP. Teile der Ausrüstung wurden entrissen, beschädigt und wie Müll auf einen Haufen geworfen. Das ZDF musste eine Live-Schalte des „heute journal“  nach Washington zu seinem Korrespondenten Elmar Theveßen unterbrechen. In einem Statement beschrieb Wulf Schmiese, Redaktionsleiter heute journal, am heutigen Morgen die aktuelle Arbeit des ZDF in dieser Nacht und dankte Theveßen vor dem Kapitol für „seine unbestechlichen und präzisen Schilderungen der Vorgänge hinter ihm, die viele Millionen Menschen in Deutschland so mitverfolgen konnten“. Dann sei auch Theveßen „Opfer des wütenden Mobs“ geworden. Ihm und seinen Leuten sei „gottlob nichts passiert. Aber es war ein Angriff auf uns – auf all meine Kolleginnen und Kollegen, die das machen, was wir den USA verdanken: freie Berichterstattung. Und damit war es auch ein vom Medien-Hasser Trump lancierter Angriff auf Sie, auf alle Menschen in Deutschland, für die wir berichten und die uns ermöglichen, dass wir – wortwörtlich: brandaktuell – berichten können“, sagte Schmiese.

Die Angreifer hätten das Übertragungsmaterial zerstört, dessen sie habhaft werden konnten, stumpf auf das teure Equipment eingeschlagen, bis es unrettbar zerstört gewesen sei. „Eine weitere Schalte für das „heute journal SPEZIAL“ 45 Minuten nach unserer Hauptsendung war unmöglich geworden“, berichtet Schmiese auf zdf.de. Selbst eine telefonische Schalte zum Korrespondenten wurde schwierig, denn „die Schläger hatten auch die Video-Telefone gekapert und versuchten, unseren Schaltraum durch Droh-Anrufe zu terrorisieren“. Dann  konnte Theveßen über ein anderes Telefon zunächst bildlos erreicht werden. „Und später im „heute journal update“ dank Ersatzausrüstung wieder mit Bild.“

Die dju in ver.di zeigte sich schockiert und sprachlos angesichts der gestrigen Ereignisse in den USA und sprach auf Twitter von einem Angriff auf Demokratie und Pressefreiheit. „Die Attacken auf Medienvertreter*innen sind das abscheuliche Ergebnis der hetzerischen Politik eines Präsidenten, der Journalist*innen verachtet und unabhängige Berichterstattung öffentlich als Fake News diskreditiert“, so dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann gegenüber M. Auch in Deutschland schürten populistische Politiker*innen eine immer aggressiver werdende medienfeindliche Stimmung unter ihren Anhänger*innen. „Die Geschehnisse in Washington müssen uns eine Mahnung sein, solchen Tendenzen entschieden entgegenzutreten und für Journalistinnen und Journalisten immer wieder einen besonderen Schutz einzufordern, sei es gegenüber der Politik oder den Behörden.“

 

Weitere aktuelle Beiträge

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »

Filmtipp: Code der Angst

Der Filmemacher Appolain Siewe spürt in seinem Film „Code der Angst“ der Ermordung des kamerunischen Journalisten Eric Lembembe nach. 2013 wird der junge Journalist und LGBTI*-Aktivist Lembembe in Kamerun ermordet. Dieses und weitere Verbrechen gegen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, lassen Appolain Siewe keine Ruhe. Der Filmemacher ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
mehr »