„Shit happens“ nahm es Günter Zint eher locker, als er vergangene Woche auf St. Pauli beraubt wurde – erstmals in fast sechs Jahrzehnten. Umzüge gehören für ihn dagegen zum Leben. Mit seinem 1988 gegründeten Sankt Pauli Museum wird der 78-jährige Fotograf demnächst zum fünften Mal neue Räume beziehen und nach zehn Jahren das markante Hamburger Eckhaus hinter der Davidwache verlassen: „Der Vermieter wollte 1.000 Euro mehr im Monat haben. Das war für uns nicht zu machen.“
Die Nachricht hat in der Politik, bei Promis, Kiezgrößen und Kulturschaffenden zunächst große Bestürzung und dann eine Welle der Solidarität ausgelöst. Die Bezirksversammlung Hamburg Mitte kündigte Sondermittel in Höhe von 20.000 Euro an. Auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hat seine Unterstützung zugesagt. Ebenso TV-Koch Tim Mälzer, Mäzen Frank Otto sowie zahlreiche weitere Freundinnen und Freunde der Kiez-Institution. Damit ist die Existenz des Museums, das sich als eingetragener Verein selbst finanzieren muss, vorerst gesichert.
Doch Ende März heißt es wieder einmal Kisten packen. Und da kommt einiges zusammen. „Ich bin ein Messi“, gesteht die Fotografenlegende, die seit Anfang der sechziger Jahre in der Bundesrepublik und besonders in Hamburg mit der Kamera unterwegs ist. „Wir werden zwei Etagen des ehemaligen Erotik Art Museums am Nobistor beziehen“, freut sich Zint.
Vom Leben auf dem Kiez
Architekt Andreas Heller habe sich angeboten, die Räume zu gestalten. Damit bleibt ein Schatz einzigartiger historischer Dokumente weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich. Um die Geschichte des weit über Hamburg hinaus berühmten Stadtteils zu bebildern, kann Günter Zint, wie er sagt, auf über eine Million eigene Fotos zugreifen. Dazu verwaltet er die Nachlässe von 18 weiteren Hamburg-Fotograf*innen wie Germin, Erich Andres, Hedwig Bieber, Heinrich Mahler und Hans Hartz. Daraus entstehen in einem Teil des Museums immer wieder wechselnde Sonderausstellungen zu unterschiedlichen Themen. Dabei geht es nicht nur um Beatles, Star-Club und Rotlicht, sondern auch um den Alltag des quirligen Stadtteils in den vergangenen 100 Jahren und seine oft randständigen Bewohner*innen, denen Zint stets mit großer Sympathie begegnet. Hier ist er selbst seit über 50 Jahren zuhause, hier ist er bekannt wie ein bunter Hund und hier sind die meisten seiner Bilder entstanden.
Vom Leben auf dem Kiez rund um die Reeperbahn haben sich nicht nur Fotos angesammelt. Auf einem Bildschirm läuft ein Film über Deutschlands bekannteste Hure Domenica. Exponate wie eine lebensgroße Hans-Albers-Figur aus Wachs oder eine Auswahl pompöser Kleider des 2011 mit 97 Jahren gestorbenen Travestiekünstlers Sylvin Rubinstein ergänzen die Ausstellung. In einer Vitrine kann man Kofferradio und Plattenspieler von Schlagerkomponist Ernst Bader (Der Tag, als der Regen kam/ Dalida), der mit Günter Zint befreundet war, bestaunen. Den roten Pullunder, den Ernst Bader auf seiner Autogrammkarte trägt, streift sich Zint heute gelegentlich selber über, wie er erzählt, und macht sich damit gleichsam zum wandelnden Exponat. Als solches kann man auch Drag Queen Olivia Jones betrachten, die bei Kieztouren mit ihren Gästen regelmäßig das Museum besucht. Auch die neuen Räume am Nobistor liegen genau auf ihrer Route.