Medienberichterstattung zum Thema Rechtsextremismus
Medienberichterstattung über Rechtsextremismus folgt immer demselben Ritual: 1. Es muss sensationell sein, wenn über rechtsaußen berichtet wird, entweder aufgrund spektakulärer Wahlergebnisse oder brutaler Gewalttaten. 2. Auf die Ereignisberichterstattung folgt dann schnell die Frage, ob die Berichterstattung nicht den Rechtsextremen nütze, ob ihnen dadurch nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt würde. 3. Dann tritt Übersättigung ein und flugs wird vor einer Dramatisierung der Gefahr von rechts gewarnt. Damit ist dann das Thema erstmal erledigt bis zur nächsten Sensation von rechts.
Als am 26. September 1980 der Neonazi Gundolf Köhler mit einer Bombe zwölf Menschen ermordete, wobei er selbst ums Leben kam und 219 verletzte, da war Rechtsextremismus für kurze Zeit Thema Nummer eins. Dann erklärte Franz Josef Strauß schnell, „alles“ spreche „dafür, dass es sich um die Tat eines Einzelnen gehandelt“ habe. Einen rechten Terrorismus gebe es nicht. Was als rechtsradikal erscheine, könne sich als linksradikal herausstellen: „Spuren des Attentats“ führten in eine „ganz andere Richtung“.
Als im April 2000 drei Neonazis Brandflaschen gegen die Synagoge in Erfurt schleuderten, da vermuteten die Ermittlungsbehörden die Täter im linken Spektrum. Als ob diese gerade in der Nacht zum Hitler-Geburtstag ein Motiv hätten. Aber der Blick nach rechts wurde in Thüringen immer gleich mit dem Blick nach links kombiniert.
Medienproblem „Schönhuber-Effekt“
1989 wurden die Republikaner in den Berliner Senat gewählt. Damit hatte niemand gerechnet, schon gar nicht die Wahlforscher. Wolfgang Gibowski und Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen wussten schnell, wer für den Wahlerfolg verantwortlich sei. Die Berichterstattung habe den Aufstieg der Republikaner begünstigt. Und die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichte damals eine Karikatur, in der Franz Schönhuber im Scheinwerferlicht dargestellt wurde – ein Winzling, der erst unter gleißender Beleuchtung einen langen Schatten wirft. Unterschrift: „Der Schönhuber-Effekt: Ein Mann, beflissen angestrahlt, erscheint als Riese an Gestalt“.
Mit den Republikanern ging es dann rasch wieder bergab. Auch daran könnte die kritische und enthüllende Medienberichterstattung einen Anteil gehabt haben.
Wenn es denn pauschal zuträfe, dass die Medien mit ihrer Berichterstattung zum Anstieg des Rechtsextremismus beitragen, dann hätte Michael Kühnen eine Massenbewegung hinter sich haben müssen. Denn in den 80er Jahren konnte man den Eindruck haben, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik reduziere sich auf diesen Möchtegern-Führer. Vor allem mit Hilfe der bildorientierten Medien war es ihm gelungen, seine neonazistischen Nebenbuhler im Bekanntheitsgrad zu übertreffen. „Deutschlands bekanntester Neonazi“ war tatsächlich auch ein Medienprodukt.
Wegbereiter unbehelligt
Seit Anfang der 90er Jahre zeichnen Fäuste, Steine, Baseballschläger, Molotowcocktails und Briefbomben eine blutige Spur von Hass und Gewalt – Gewalt gegen Menschen, ihre Wohnungen, ihre Friedhöfe, ihre Kirchen. Hinter der Gewalt, hinter den Schlägern und Bombenbauern, Parolensprühern und Brandstiftern stehen Schreibtischtäter, Brandredner, die sich selber die Hände nicht schmutzig machen. Aber sie liefern die Stichworte. Kriminelle Gewalttäter setzen sie in Taten um. Doch nur im offenen Vollzug der Volksverhetzung greifen die Staatsschützer ein. Den Schreibtischen der subtil agierenden Propagandisten, den Wegbereitern des rechten Klimas in Deutschland, bleiben derartige Besuche erspart.
Als 1992 der braun-brutale Mob in Rostock brandschatzte und die Polizei ein jämmerliches Bild abgab, weil sie das Hasenpanier ergriff, und sich die Politiker erst gar nicht sehen ließen, während sympathisierende Bürger Beifall klatschten, da war Rechtsextremismus auch ein In-Thema – drei Wochen lang. Der Bürgermeister von Rostock und der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern bekundeten ihr Verständnis auch für die Täter. Helmut Kohl zog im Ernst einen Vergleich mit der Hafenstraße.
Einzeltäter-Theorien
Nach Mölln, nach Solingen und nach Lübeck wurden auch die üblichen verbalen Pflichtübungen absolviert. „Das ist eine Schande für unser Land“, klagten Politiker. Dann wurden Gesetzesverschärfungen gefordert und vier Wochen später hing Medien und Politik das Thema zum Hals heraus. Dann hörte man die alten Töne: Man solle den Rechtsextremismus doch nicht aufbauschen. Zu unmittelbarer Sorge bestehe kein Anlass, die Täter werden pathologisiert, stets handelt es sich um spinnerte Einzeltäter, die man für unzurechnungsfähig erklärt. Dass sich in der Bundesrepublik eine Subkultur von rechten Extremisten etabliert hat, für die Gewalt ein Mittel der Politik ist, die Waffen und Sprengstoff bunkert und politische Gegner ausschnüffelt, das wollen manche auch jetzt noch nicht wahrhaben. Das sei doch bloß ein „Spuk“, wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch „brutalstmöglich“ befand.
Verbotsantrag politisches Signal
Jetzt setzen viele Kommentatoren auf die Karte des NPD-Verbots. Diese Konzentration auf die NPD erweckt den Anschein, als ob mit einem Parteiverbot dem Rechtsextremismus das Haupt abgeschlagen werde. Weder wäre das Verbot ein geeignetes Instrument gegen rechtsextreme Gewalttäter, die eben nur zum geringen Teil in der NPD organisiert sind. Der Ausländerfeindlichkeit und dem Antisemitismus in den Köpfen der Normalbürger, die den Gewalttätern heimlich applaudieren, kommt man so schon gar nicht bei. Außerdem besteht Rechtsextremismus nicht nur in der NPD, sondern in Dutzenden von Gruppierungen und Zeitschriften, Leserkreisen und losen Zirkeln. Ein Verbotsantrag, sofern er denn hieb- und stichfest begründet werden kann, damit er auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, wäre ein politische Signal, dass sich die Demokratie nicht von Neonazis dominieren lässt.
Man muss auch daran erinnern, dass schon einmal eine Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht gegen einen Rechtsextremisten kläglich gescheitert ist. Als 1968 die „Nationalzeitung“ die Schlagzeile brachte „Verbrecherstaat Israel will uns Moral lehren“, da wurde dies zum Anlass, um in Karlsruhe einen Antrag nach Artikel 18 des Grundgesetzes zu stellen, um dem Herausgeber das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aberkennen zu lassen. Der Antrag wurde nach Jahren abgewiesen. Das Verfahren geriet zu einer kompletten Blamage für den Minister. Was man damals nicht wusste: Der juristische Berater des rechtsextremen Herausgebers war ein Säulenheiliger der bundesdeutschen Justiz, einer der renommiertesten Staatsrechtler, nämlich Grundgesetzkommentator Prof. Theodor Maunz, der schon im Dritten Reich dafür gesorgt hatte, dass sich der Rassegedanke im nationalsozialistischen Staatsrecht durchsetzte. Maunz hatte über zwei Jahrzehnte lang für Gerhard Frey Rechtsgutachten erstellt und fast jede Woche auf der Seite 3 von Frey-Zeitungen anonyme Artikel geschrieben.
Das Verbot der Skinhead-Bewegung Blood and Honour wird die Organisation deutlich schwächen. Andererseits haben viele Mitglieder bereits konspirative Erfahrung, weil sie aus Gruppen wie der „Nationalistischen Front“, der „Nationalen Offensive“ oder FAP kommen, die schon Anfang der 90-er Jahre verboten worden sind. Die neun Sektionen der Deutschland-Division von Blood and Honour richteten aber etwa ein Drittel aller Skinhead-Konzerte aus. Bei solchen Konzerten werden eben Lieder gesungen wie dieses:
„Mordlust, ich hab‘ Spaß am Töten,
ich hab‘ Mordlust, Mordlust
du liegst am Boden und rührst dich nicht,
doch das ist mir egal und
ich spring‘ dir ins Gesicht …“
Die Sektion Nordmark von Blood and Honour organisierte zum Beispiel im Februar 2000 ein Konzert mit den Bands „Landser“ und „Stahlgewitter“ in Schleswig-Holstein, getarnt als private Geburtstagsfeier. Der Anlass war aber ein Todestag. Der 70. von Horst Wessel nämlich, dem aus Bielefeld stammenden Berliner SA-Sturmtruppführer, der vom Propagandaapparat des Goebbels-Ministeriums zum „Märtyrer“ gemacht wurde. Die Organisation solcher Konzerte mit zum Teil hunderten von Skins wird durch das Verbot aber doch erheblich erschwert, auch wenn man damit rechnen muss, dass sich Aktivitäten ins Ausland verlagern, weil es Blood and Honour eben u.a. auch in Tschechien, Großbritannien, der französischen Schweiz und Skandinavien gibt.
Im Moment sind nur NPD und Skinheads im Blickwinkel der Öffentlichkeit, aber es gibt nach wie vor rüstige Herren aus den Reihen der Waffen-SS, die von jungen Neonazis oder Burschenschaften verehrt und zu Schlungsabenden geladen werden. Eine intelektuelle Neue Rechte führt den „Kampf um die Köpfe“, munitioniert aber auch den gewaltbereiten Teil der Szene. Neonazistische „Kameradschaften“ haben sich längst auf Verbote eingestellt und flexible Strukturen entwickelt. Und bei mancher Berufsschulklasse in einem östlichen Bundesland könnte man glauben, man sei bei einem Kameradschaftsabend oder Gautreffen gelandet. Und die „Deutsche National-Zeitung“ hetzt weiter Woche für Woche gegen Juden und Ausländer. Es fehlt allenthalben an der differenzierten Wahrnehmung des Rechtsextremismus, das gilt auch, wenn ein Redakteur der „Rheinischen Post“ im August titelte: „Lafontaine zählt die SPD zur Neuen Rechten“. Die im Artikel abgedruckten Zitate belegen das mitnichten.
Auseinandersetzung differenziert führen
Wenn Rechtsextremismus wirksam bekämpft werden sollen, dann muss die Auseinandersetzung differenziert und langfristig geführt werden. Da reicht nicht der konjunkturelle Aufschrei nach einem Bombenattentat. Die rechte Gewalt ist seit Anfang der 90-er Jahre konstant hoch. Aber sie war bis vor dem Anschlag in Düsseldorf normal geworden und nur ein paar Zeilen auf den hinteren Seiten der Zeitungen wert. Ein Blick auf die Opfer fand nicht statt. Deshalb ist die Aktion der „Frankfurter Rundschau“ und des „Tagesspiegel“ am 13. September so wichtig gewesen. Wünschenswert wäre eine ständige Wochenchronik, damit die Verharmlosung endlich keine Chance mehr hat.
Auf die Idee, endlich darauf zu verzichten, dass Wahlkämpfe auf dem Rücken von Ausländern gemacht werden, dass „nützliche“ und „unnütze“ Ausländer unterschieden werden, kommen Kommentatoren eher selten, Parteien gar nicht. Aber gerade damit wäre der Nährboden für die Akzeptanz der Gewalttäter zu entziehen, damit sie sich nicht als Vollstrecker eines ominösen Volkswillens fühlen können, der keine Juden, keine Ausländer, keine Asylbewerber, keine Schwächeren und keine multikulturelle Gesellschaft verträgt. Man muss sich fragen, inwieweit die Entschlossenheit, mit der jetzt dem Rechtsextremismus begegnet werden soll, ernst zu nehmen ist, wenn auf der anderen Seite genau die potenziellen Opfer der Gewalt institutionell diskriminiert, zweitklassig behandelt oder abgeschoben werden.
Franziska Hundseder, freie Journalistin für Printmedien, Hörfunk und Fernsehen (u.a. Panorama), beobachtet seit langem die rechtsextreme Szene in Deutschland und Europa und hat über deren Ideologie, Netzwerke und Finanzen mehrere Bücher geschrieben (u.a. Stichwort Rechtsextremismus 1993, Wotans Jünger, 1998, Rechte machen Kasse, 1995). Sie ist für die IG Medien im Deutschen Presserat, Mitglied des Hauptvorstands und der Gründungsorganisation ver.di und Vorsitzende der Fachgruppe Journalismus (dju/swjv) in der IG Medien.
Weitere Texte zum Thema in M 10/2000:
- Drei Studien zur Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in Deutschland
- Zentrale Stelle soll rechte Gewalt erfassen
- Erfolgreich gegen Neonazis. Aktionen in Weimar – wichtige Rolle der Lokal-Medien