Editorial: Themenhoheit und kritische Distanz

Unter Einfluss! ist das Motto des 25. Journalistentages, den die dju und die Fachgruppe Medien in diesem Jahr am 26. November veranstaltet. Wie gelangen Themen in die Medien? Wer bestimmt den Inhalt von Zeitschriften und Rundfunkprogrammen: unabhängige Redakteure oder Journalistinnen? Ja, möchte man euphorisch ausrufen – und weiß es doch besser. Vielfältig sind die Einflüsse, verdeckt und offen, unbewusst und bewusst. Im Lokalen sind Journalisten nah am Geschehen, sehr nah an den Protagonisten in Politik und Gesellschaft. Mitunter kennt man sich persönlich, lange Zeit. Das erschwert kritische Distanz. Die Kommunalpolitik versucht, ihre Sicht der Dinge zu propagieren. Anzeigenkunden vor Ort machen Druck, steuern gegen die Trennung von Journalismus und PR. Großkonzerne und die Finanzwelt verfügen über eine gut ausgestattete Lobby- und Werbemaschinerie, die professionell läuft. So nehmen sie Einfluss auf die Politik und bedienen sich dabei nicht ungeschickt der Medien. Beispiele wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, finanziert unter anderem vom Metall-Arbeitgeberverband (M berichtete mehrfach darüber) gibt es zu Hauf. Der Journalistentag wird in diesem Zusammenhang die Dosierung der Pharmaindustrie unter die Lupe nehmen. Und auch die These, dass Medienkonsumenten immer öfter auch Medien-Mitgestalter sind – durch Social Media. Wie beeinflusst das Web 2.0-Netzwerk den Journalismus? – ein interessanter Diskussionsstoff.
Unter Einfluss, genauer: unter medialem Einfluss stehen Kinder und Jugendliche. Sie wachsen mit dem Internet auf, unterliegen seiner Faszination mit scheinbar unbegrenzten Kommunikations- und Unterhaltungsmöglichkeiten. „Always on“ kann süchtig machen und ist zugleich ein neuer Markt für Manipulation, Geschäftemacherei, Kriminalität … Das muss die Verantwortlichen für Jugendschutz auf den Plan rufen: Politik, Eltern und Schule sowie die Medien selbst. Aber wie regulieren, ohne einzuengen? Was kann die Wirkungsforschung tun? Der M-Titel beschreibt den Stand der Debatte, die noch lange nicht zu Ende ist.
Unter Einfluss von parteipolitischem Gerangel steht offenbar die Internet-Enquete des Bundestages. Gedacht war und ist die Kommission bestehend aus 17 Politikern und 17 Sachverständigen (darunter auch von ver.di) als ein Gremium, das über die Regeln diskutiert, nach denen wir in der digitalen Welt leben wollen. Ziel sind Empfehlungen, sachkundige Hilfestellungen für politische Entscheidungen im Webzeitalter etwa für Urheberrecht, Datenschutz oder Netzneutralität. Bereits zum Urheberrecht fiel das Ergebnis jedoch kompromissträchtig und damit ernüchternd aus. In der wichtigen Frage der Netzneutralität gab es nun eine Pattsituation. Im Schatten politischer Diskussionen über die Novelle des Telekommunikationsgesetzes im Bundestag kam man auf keinen gemeinsamen Nenner.

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »