Meinung
In einem Informationsschreiben an die freien Mitarbeitenden kündigten der Verwaltungsdirektor und der Programmdirektor an: „Im Zuge des Systemwechsels werden wir ein höchstrichterliches Urteil umsetzen. Wiederholungshonorare werden zukünftig nicht mehr bei der Berechnung von tariflichen Sozialleistungen einbezogen, da sie in steuerlicher Hinsicht nicht zu den Honoraren gehören, sondern als Lizenzen abzurechnen sind.“ Damit wollte Deutschlandradio nach Jahrzehnten zu einem Modus wechseln, so wie er beim WDR schon lange praktiziert wird – obwohl auch hier diese Praxis strittig ist. Verwaltungsvereinfachung zu Lasten von tariflichen Ansprüchen frei Mitarbeitender?
Das angeführte Urteil des Bundesfinanzhofes (VI R 49/02) aus dem Jahr 2006 jedenfalls hatte mit den Urlaubsansprüchen von Freien nur wenig zu tun. Dem ver.di-Senderverband Deutschlandradio erschien es lediglich vorgeschoben, vermutlich um die Prozesse bei Deutschlandradio mit denen des nun abrechnenden WDR anzugleichen. Deshalb entschloss sich ver.di, eine sogenannte Verbandsklage anzustrengen, bei der geklärt werden sollte, wie die Bestimmung zur Berechnung der Urlaubsgeldhöhe im maßgeblichen Urlaubstarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen auszulegen ist. Der DJV schloss sich später der Klage an. In besagtem Urlaubstarifvertrag ist von der „Summe der Entgelte“ die Rede, die Mitarbeitende im Bemessungszeitraum erhalten haben. Plötzlich sollten also Wiederholungshonorare nicht mehr zu den Entgelten gehören, weil es ja Lizenzzahlungen seien, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Arbeitsleistung stehen würden. Urlaub sei man aber nur für geleistete Arbeit schuldig und nicht für die Einräumung von Nutzungsrechten. Jahrzehnte sah Deutschlandradio das anders. Sowohl vor dem Arbeits- als auch dem Landesarbeitsgericht Köln kam Deutschlandradio aber mit seiner Argumentation nicht durch. Auch das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass diese Argumentation nicht zieht.
Das ist auch richtig so, denn damit stoppt das Bundesarbeitsgericht in einem kleinen, aber nicht unwichtigen Detail, das langsame finanzielle Ausbluten von Urheberinnen und Urheber besonders im Hörfunkbereich. Sie leiden schon seit Jahren unter dem unseligen Trend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Kreative wie Autor*innen oder Regisseur*innen immer stärker unter wirtschaftlichen Druck zu setzen und gleichzeitig Ihre Werke universell zu nutzen. Obwohl die Wiederholeritis im ÖRR ein fast schon peinliches Niveau angenommen hat, profitieren Urheber*innen immer seltener davon, dass Ihre Werke mehr als einmal genutzt werden. Durch die Bereitstellung zum Download oder als Podcast sind Zweitverwertungsmöglichkeiten nahezu vollständig ausgefallen, Übernahmen durch andere Sender sind drastisch zurückgegangen. Verbliebene Neu-Produktionen werden immer mehr in Sender ohne schützenden Urhebertarifvertrag oder gleich in nicht tarifgebundene Produktionsfirmen verlagert. Autor*innen im Tagesgeschäft bekommen immer häufiger Honorare, die einen Wiederholungsanspruch von vornherein ausschließen. Die in Planung befindlichen Kompetenzzentren der ARD treiben den Urheber*innen zusätzlichen Angstschweiß auf die Stirn. Durch die bislang geltende Rechnung, dass Kreative von Ersthonoraren plus Wiederholungshonoraren plus Sozialleistungen leben, wird von den Sendern ein immer dickerer Strich gemacht.
Da ist jedes Urteil höchst willkommen, das die schrumpfenden Ansprüche der Kreativen sichert. Und wichtig ist auch, dass die Sender erkennen, dass sich Tarifverträge nicht so leicht durch Verwaltungskniffe aushebeln lassen. Und für ver.di als Gewerkschaft der Kreativen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist dieses Urteil Ansporn: Zusammen müssen wir uns der Digitalisierung der Programme und der Ausspielwege stellen und in den Sendern für gerechte und zukunftssichere Honorierungsmodelle sorgen. Das moderne Urheberrecht mit seinem Anspruch auf angemessene Vergütung unterstützt uns dabei.