Syrische Exil-Journalist_innen berichten von Bedrohung, Flucht und Ankommen
Wenn syrische Journalistinnen und Journalisten für Frauenrechte kämpfen, geht es nicht um eine Quote für Aufsichtsräte oder Führungsetagen in den Medien, dann geht es um ganz grundsätzliche Menschenrechte, um das Recht auf freie Meinung und politische Aktivität. Wenn syrische Journalist_innen heute für die Rechte der syrischen Frauen kämpfen, dann haben sie dabei auch die Flüchtlingscamps und –heime von der Türkei bis Deutschland im Blick. Und ihren Kampf mit der Feder führen sie aus dem Exil. „In Syrien gibt es keine Profi-Journalisten mehr“, sagte Yasmine Merei am 6. April 2016 bei der Podiumsdiskussion von „Reporter ohne Grenzen“ zu Frauenrechten und Journalismus in Syrien.
Yasmine Merei hat für syrische Zeitungen geschrieben und ist Chefredakteurin des arabischen Frauenmagazins „Saiedet Souria“ – ein Magazin, das im türkischen Gaziantep redigiert und gedruckt wird, aber syrische Exil-Autorinnen in aller Welt hat. 2012 ist sie aus Homs geflohen. Sie ist Gründungsmitglied der „Syrian Women’s Lobby. Vom Juli bis Dezember 2015 war sie Feuchtwanger-Fellow der „Villa Aurora“, der Mitveranstalterin der Diskussion. Die „Villa Aurora“ nimmt neben den Künstlerstipendiaten jeweils auch einen Journalisten aus Ländern auf, in der die Pressefreiheit unter Druck ist. Durch den Kontakt zur Choreographin Sasha Waltz in Los Angeles kam sie nun nach Berlin.
Die Schwierigkeit, verifizierbare Nachrichten aus dem Heimatland zu erhalten, beschrieb auch Dina Aboul Hosn. Die Journalistin und Übersetzerin, Mitglied der „Syrian Feminist Lobby“ und zur Minderheit der Drusen gehörend, verließ ihr Land ebenfalls 2012. Ihr Weg führte sie zunächst nach Dubai, wo sie für die „Gulf News“ schrieb. Von syrischen Agenten am Golf bedrängt, bat sie um Asyl in Deutschland. Sie gehört zu den Gründern von „Abwab“, der ersten arabischsprachigen Zeitung für Flüchtlinge in Deutschland, und arbeitet für die englischsprachige Website „I Am a Human Story“.
Nachrichten aus Syrien erreichen die Journalistin und ihre Kolleg_innen von „Medienaktivisten“, oder „Bürgerjournalisten“, die wegen der Internet-Überwachung gefährlich leben. Auch Skype-Gespräche mit der Familie bringen Informationen, aber alle müssten genau auf ihre Wahrscheinlichkeit hin abgewogen werden, da haufenweise Gerüchte im Umlauf seien. Ihre einstigen Kollegen seien heute verstreut von Kanada bis Australien, Treffen aus Geld- und Visagründen nicht möglich.
So wie „Abwab“ den Flüchtlingen die deutsche Welt erklären will, so versucht Yahya Alaous den Deutschen die Sicht eines syrischen Flüchtlings nahezubringen. Wegen seiner Artikel über Menschenrechte saß er in Syrien von 2002 bis 2004 im Gefängnis. Danach schrieb er für ein Untergrund-Magazin für Frauen- und Kinderrechte, ab 2011 auch für eine Oppositionszeitung und musste schließlich fliehen. Seit April 2015 lebt er in Berlin und berichtet in Kolumnen im „Handelsblatt“, „Süddeutsche Online“ sowie der „taz“ von Dingen, die ihm hier auffallen.
Als ihn die Moderatorin der Runde und langjährige Korrespondentin für den arabischen Raum, Julia Gerlach, im Rückblick nach einem Vergleich des Journalismus in Deutschland und Syrien fragte, erklärte Alaous, solch eine Betrachtung wäre nicht fair, jeder Journalist in Damaskus habe immer irgendwie eine Beziehung zum Assad-Regime gehabt. Einig waren sich die Gäste auf dem Podium aber, dass nun, wo Meinungs- und Pressefreiheit und Demokratie durch die Exilerfahrung zu einem viel größeren Maßstab im Leben der syrischen Journalisten geworden sei, sich der syrische Journalismus verändern werde. „Das lässt sich nicht wieder zurückdrehen“ sagte Merei. Aber sie stellte auch die Frage, welche syrischen Journalisten wohl irgendwann wieder zurückkehren (können).