Filmemacherin gelang Flucht aus Kabul

Sahraa Karimi, Filmemacherin in Afghanistan, ist in Sicherheit Foto: Facebook

Mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind auch Medien- und Kulturschaffende der Gefahr von Verfolgung verstärkt ausgesetzt, ihr Leben ist bedroht. Medienberichten zufolge kontrollieren die Taliban nunmehr die Zugänge zum Flugplatz. Einigen Betroffenen ist es gelungen Kabul zu verlassen, teils mit internationaler Hilfe. Die „Berliner Zeitung“ berichtet von der afghanischen Filmemacherin Sahraa Karimi, die seit gestern Abend in Sicherheit ist. Die Deutsche Welle sorgt sich indes weiter um ihre Mitarbeiter*innen vor Ort.  

Die afghanische Filmemacherin Sahraa Karimi hatte sich am vergangenen Sonntag mit einem verzweifelten offenen Brief an die internationale Öffentlichkeit gewandt und Hilfe eingefordert, berichtet die „Berliner Zeitung“ am Montag. Die Botschaft wurde über die sozialen Medien verbreitet. Ebenso ein Video direkt aus Kabul von ihrem Weg zur Bank, in dem deutlich wird, dass die Taliban bereits in der Stadt sind. Das Video wurde nach Angaben der „Berliner Zeitung“ mehr als eine Million Mal geklickt. „Die Taliban werden Frauen ihrer Rechte berauben, wir werden in den Schatten unseres Heims gestoßen, wenn wir uns ausdrücken wollen, werden wir zum Schweigen gebracht“, schreibt die Filmemacherin und Präsidentin der Afghan Film Organisation. Die Uhr werde in Afghanistan für die Frauen zurückgedreht. In ihrem Brief berichtet Karimi auch von der Ermordung von Künstlern durch die Taliban, wie der Komiker Fazal Mohammed (alias Khasha Zwan).

Nach ungewissen Stunden auf dem Flughafen von Kabul konnte Karimi mit ihrem Bruder, dessen Familie und zwei Filmemachern mit einem türkischen Flugzeug nach Istanbul und von dort weiter nach Kiew ausreisen, berichtet Susanne Lenz von der „Berliner Zeitung“, die gestern mit Karimi telefonierte. Unterstützung für die Afghanin kam vor allem von Wands Hryicova, Präsidentin der slowakischen Film- und Fernsehakademie, deren Mitglied Karimi ist. Nachdem diese den Brief von Karimi auf Facebook gesehen und geteilt habe, sei ein Anruf aus Kiew gekommen, heißt es. Dann sei sie aktiv geworden.

Deutsche Welle: Korrespondent*innen noch vor Ort

Die Vorsitzenden der Gremien der Deutschen Welle appellieren an die Bundesregierung, die Rettung der Journalistinnen und Journalisten des Senders aus Afghanistan zu ermöglichen. „Mit der Machtübernahme der Taliban ist das Leben von Mitarbeitenden der Deutschen Welle und ihrer Familien in Afghanistan akut bedroht. Allein die Tatsache, dass sie für ein westliches Medium gearbeitet haben, könnte Folter und Tod zur Folge haben“, erklärten der Vorsitzende des Deutsche Welle-Rundfunkrats, Prälat Karl Jüsten, und der Vorsitzende des DW-Verwaltungsrats, Peter Clever, gestern in Bonn.

Zuvor hatte Intendant Limbourg sowohl an die Gremien als auch an die Kolleg*innen der Deutschen Welle in einem Brief betont, dass man mit dem Auswärtigen Amt „in ständigem Kontakt“ sei und den Bundesaußenminister eindringlich gebeten habe, „schnell tätig zu werden“.

„Die Deutsche Welle berichtet in ihren journalistischen Angeboten umfassend darüber, und vor allem natürlich unsere Afghanistan-Redaktion in den Sprachen Dari und Paschtu. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Redaktion sind ganz besonders betroffen, nicht nur, weil sie Angehörige und Freunde im Land haben, sondern auch, weil sie in tiefer Sorge um zwölf Korrespondentinnen und Korrespondenten sind, die in den vergangenen Jahren die DW-Berichterstattung aus Afghanistan unterstützt und oft erst ermöglicht haben.“ Sie seien in Afghanistan bekannt, weil sie in den Landessprachen unter ihrem Namen gesendet und geschrieben haben“, betont Limbourg.

Die Deutsche Welle hat sich überdies einem Appell von Verlagen, Redaktionen, Sendern und Medienhäusern in Deutschland an Bundeskanzlerin und Bundesaußenminister angeschlossen, ein Visa-Notprogramm für die afghanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Medienhäuser einzurichten.


Bericht der Deutschen Welle vom 19.8. 2021

Taliban töten Angehörigen eines DW-Journalisten

 

 

 

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