IJF-Kongress wählt neues Präsidium

Der neue IJF-Präsident Philippe Leruth aus Belgien (links) mit dem scheidenden Schatzmeister Wolfgang Mayer. Der seit Jahrzehnten aktive Vertreter der dju in ver.di hinterlässt ein gewichtiges Erbe. Viele Anträge auf dem Kongress trugen seine Handschrift. Foto: jk

Finanzsituation als Herausforderung

Tageszeitungs-Journalist Philippe Leruth ist neuer Präsident der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF). Der Belgier war von 2004 bis 2013 Vizepräsident der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF) und übernimmt das neue Amt vom Briten Jim Boumelha, der es von 2007 bis 2016 innehatte. Boumelha wurde beim Kongress in Angers zum Schatzmeister gewählt. Wolfgang Mayer von der dju in ver.di war nach zwei Perioden nicht wieder angetreten. Vizepräsident bleibt Younes M’Jahed aus Marokko. Das neue Administrative Committee komplettieren Sabina Inderjit aus Indien und Joachim Kreibich (dju in ver.di). IOJ geht in der IJF auf.

„Die erste Herausforderung wird sein, die Einheit der IJF wieder herzustellen“, betonte Leruth. Als zweite große Aufgabe nannte er die Verbesserung der Finanzsituation. Mayer hatte in seinem Finanzbericht darauf verwiesen, dass sich die IJF seit einiger Zeit auf Schrumpfkurs befindet, diese Tatsache im bisherigen Vorstand aber noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wurde.
Die IJF nennt auf ihrer Homepage 140 Mitgliedsländer und eine Gesamtzahl von 600.000 Journalist_innen. Der Schatzmeister macht darauf aufmerksam, dass eine Reihe von Mitglieds-Organisationen ihre Beiträge nicht zahlen konnte und deswegen ausgeschlossen wurde. Gegenwärtig liege die Zahl der vertretenen Journalist_innen eher bei 450.000, gut 60 Prozent kommen aus Europa. Auch der DJV ist seit Langem mit seinen Beiträgen im Rückstand und hat keine Delegierten nach Angers entsandt.
Trotz der Finanzprobleme ist die IJF nach Einschätzung Mayers aber ihren Aufgaben gut nachgekommen und hat ihren Mitgliedern überall dort solidarische Hilfe geleistet, wo das nötig war. Außerdem wurden Kosten gesenkt, ohne dass dies zu Einsparungen beim Personal geführt hat.

Ende der Trennung: IOJ übergibt ihr Erbe der IJF

Ein Kapitel endet, ein Neues wird aufgeschlagen: 70 Jahre nach ihrer Gründung in Kopenhagen gibt die International Organization of Journalists (IOJ) den Stab weiter an die International Federation of Journalists (IFJ). Die IFJ ist künftig unumstritten die alleinige Vertretung für Hunderttausende von Journalisten in weit mehr als hundert Ländern auf dem Erdball.

IOJ-Präsident Suleiman Al-Qudah (Jordanien) und Ehrenpräsident Manuel Tomé (Mozambik) bekräftigten in einem Brief an die IFJ-Delegierten beim Kongress in Angers: „Wir übergeben das Erbe in die Hände der IFJ und wünschen ihr Erfolg“. Nach langer Trennung in Zeiten des Kalten Krieges und einer Phase der Agonie aufseiten der IOJ (ihre letzte große Zusammenkunft fand im Jahr 1995 statt) habe man sich nun zu diesem historischen Schritt entschlossen.
Begonnen hatte die Geschichte vor 120 Jahren in Antwerpen mit dem International Congress of Press People. 1926 wurde in Paris die IFJ gegründet – Deutsche waren damals ebenso beteiligt wie Kollegen aus Japan, Österreich, der Schweiz, Großbritannien und mehr als einem Dutzend weiterer Länder. Die Besetzung von Frankreich durch Truppen Nazi-Deutschlands bedeutete das vorläufige Ende.
1946 nahm die IFJ ihre Arbeit wieder auf, doch im selben Jahr erfolgte auch die Gründung der IOJ. Manche Länder waren Mitglied in beiden Organisationen, wie die Finnen und Franzosen. Die deutschen Journalisten erlebten eine Trennung in Ost (IOJ) und West (IFJ). Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wuchs die IJF, die IOJ – bis dahin die größere Organisation – verlor an Bedeutung, obwohl viele Länder formal die Mitgliedschaft aufrecht erhielten. Zuletzt war nur noch die IFJ aktiv.

IJF-Kongress in Angers setzt Zeichen

Mehr Schutz für Journalist_innen, gegen staatliche und andere Beeinflussung:
Die internationale Journalisten-Föderation (IJF) hat auf ihrem Kongress in Angers Zeichen gesetzt und unter anderem beide Ziele in der Satzung verankert. In dem fast einstimmig verabschiedeten Zusatz geht es darum, dafür zu sorgen, dass Journalist_innen ihre Quellen nicht preisgeben müssen. Gleichzeitig wird jeder Versuch von fremder Seite zurückgewiesen, Daten zurückzuhalten und Recherchen zu behindern. Das hat die IJF zwar auch bisher schon getan, aber die Aufnahme in die Satzung soll die Bedeutung unterstreichen.

Ebenfalls in der Satzung steht nun, dass die Mitglieds-Organisationen auf Anfrage jederzeit Zugang zu allen Arbeits-Dokumenten der IJF bekommen. Dies dient der internen Transparenz. Ein weiteres Satzungsziel ist das Engagement gegen Hassparolen, im Englischen unter dem Begriff Hate Speech zusammengefasst. Der scheidende IJF-Schatzmeister Wolfgang Mayer (dju in ver.di) darf als Erfolg verbuchen, dass die meisten Anträge des Executive Committees seine Handschrift trugen. Er hinterlässt nach allgemeiner Einschätzung ein wichtiges Erbe.

Verteidigung der Pressefreiheit

Deutlich wurde erneut: Die Verteidigung der Pressefreiheit ist unverändert die zentrale Aufgabe. Fast 90 Prozent der Mitgliederorganisationen, die sich an einer Umfrage beteiligten, nannten dies an erster Stelle. Klar ersichtlich wird auch, dass viele bei der Berufsausübung Pressionen fürchten müssen und in einigen Ländern sogar Gefahr für Leib und Leben besteht. Eine entscheidende Rolle spielen daher Sicherheits-Trainings und Kampagnen gegen die Untätigkeit von Polizei und Justiz bei der Verfolgung von Straftaten, die an Journalisten begangen wurden. Juristische Hilfe und öffentliche Solidaritäts-Aktionen sind unverzichtbar und gehören für die IJF leider zum täglichen Geschäft.
Der scheidende Präsident Jim Boumelha unterstrich dabei die gute Zusammenarbeit mit Organisationen wie der UN, der Unesco und der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa).

Zu den vielen Ländern, in denen Journalist_innen akut bedroht sind, gehören die Türkei, Staaten der arabischen Welt und des Mittleren Ostens und der Iran. In der Türkei sitzen weiter viele Kollegen in Haft, ebenso im Iran. Aus den arabischen Ländern wurden brutale Übergriffe gemeldet. Große Sorgen machen sich auch Journalist_innen auf den Philippinen, in Ost-Timor und Venezuela. Burundi, Kolumbien, Kasachstan, Russland, Palästina und Mazedonien verlängern die Liste. Die Konferenz-Teilnehmer_innen verabschiedeten Solidaritätsadressen und bekräftigten, dass die IJF alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um die Kolleg_innen zu schützen und Pressefreiheit herzustellen. Als positives Beispiel gewerkschaftlichen Engagements werteten die Kongress-Teilnehm_innen den Dialog zwischen Kolleg_innen aus Russland und der Ukraine, die sich nach der Devise „two countries, one profession“ austauschen und nach unabhängiger Berichterstattung streben.

Der Safety Fund der IJF wird stark in Anspruch genommen. Einige hätten ihn gerne in eine Stiftung überführt. Für einen entsprechenden, von der dju in ver.di mit eingebrachten Antrag zeichnete sich jedoch nur vergleichsweise geringe Unterstützung ab. Zu stark wogen formale und juristische Bedenken. Die dju will deswegen noch einmal einen Vorstoß im neuen Executive Committee der IJF unternehmen und ausloten, welche Möglichkeiten es gibt. IJF-Generalsekretär Anthony Bellanger erinnerte daran, dass in vielen Mitglieds-Ländern immer wieder Aktionen stattfinden, um Geld für den Safety Fund zu sammeln. Wo dies noch nicht geschieht, wäre ein entsprechender Aufruf erwünscht.

Mehr Erfolg hatte die dju mit ihrem Plädoyer für einen Think Tank. Angesichts der globalen und digitalen Veränderungen wird nach Antworten gesucht, wie man der Macht von Konzernen wie Google begegnen und regionale Strukturen schützen und entwickeln kann. Eine Kommission soll als Ideenwerkstatt dienen und die Resultate in die Arbeit des Executive Committees einspeisen. Die Mitglieds-Organisationen werden gebeten, Mitstreiter für den Think Tank zu melden.

Internationaler Presseausweis

Für viele Journalisten unverzichtbar ist der Internationale Presseausweis. In manchen Ländern ist dieses Dokument sogar die einzige Möglichkeit, um sich bei bestimmten Stellen Zugang zu Informationen und den nötigen Schutz vor Übergriffen zu verschaffen. Wer sich hierzulande über das Aussehen des Ausweises ärgert, darf das noch eine Weile tun. Der Retro-Look (mit roter Hülle im Brieftaschenformat) wird weiter Bestand haben. Den Ausweis neu zu designen und zumindest in den Ländern, die das wollen, durch eine modernere Version zu ersetzen, fand keine Mehrheit. Auch hier ging’s ums Geld. Die IJF hat eine große Menge dieser roten Leder-Ausweise auf Lager. Die müssen offenbar erst aufgebraucht werden.

Bewegender Moment: Die mehr als 200 Kongress-Teilnehmer erwiesen Camille Lepage die Ehre und versammelten sich zu einer Gedenkveranstaltung. Die junge Fotojournalistin, die aus Angers stammt, ist 2014 in Zentralafrika getötet worden, wo sie an einer Reportage arbeitete. Gemeinsam mit den Eltern und Bürgermeister Christophe Béchu enthüllte der scheidende IJF-Präsident Jim Boumelha in der städtischen Bibliothek eine Gedenktafel und verwies darauf, dass Journalist_innen in etlichen Ländern in großer Gefahr sind, wenn sie ihren Beruf ausüben. „Camille Lepage ist ein leuchtendes Beispiel für alle, die ihre Aufgabe ernst nehmen und die Wahrheit berichten wollen. Ihr Tod ist eine stete Mahnung an uns, dass wir in unseren Bemühungen für die Sicherheit der Kollegen und den Schutz der Pressefreiheit nicht nachlassen dürfen.“

 

IJF: 90 Jahre internationale Solidarität

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