ROG-Ranking: Pressefreiheit erneut unter der Lupe

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in der diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlicht hat, um vier Plätze auf Rang 16 verschlechtert. Das wird als eine Folge der stark gestiegenen Zahl von Anfeindungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten gesehen. Die Rangliste 2016 vergleicht die Situation für Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien auf Basis von Befragungen zu allen Aspekten unabhängiger journalistischer Arbeit sowie von ROG ermittelten Zahlen.

In Auswertung des Rankings stellen Reporter ohne Grenzen fest, dass Journalisten und unabhängige Medien weltweit unter zunehmendem Druck stünden. In allen Weltregionen sei im vergangenen Jahr ein Rückgang ihrer Freiräume zu beobachten gewesen. „Viele Staatsführer reagieren geradezu paranoid auf legitime Kritik durch unabhängige Journalisten“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Zu den Gefahren für die unabhängige Berichterstattung gehörten auch medienfeindliche, oft religiös eingefärbte Ideologien sowie repressive Sicherheitsgesetze.

Im vergangenen Jahr, so ROG, habe sich eine schon 2014 begonnene Erosion der europäischen Vorreiterrolle bei der Pressefreiheit fortgesetzt. Gesetze gegen Terrorismus und Spionage würden zur Einschränkung von Freiheitsrechten missbraucht. Auch in Deutschland hätten Gewalt und Anfeindungen bis hin zu Todesdrohungen gegen Journalisten massiv zugenommen. Insgesamt zählte Reporter ohne Grenzen 2015 mindestens 39 gewaltsame Übergriffe gegen Berichterstatter, insbesondere bei Demonstrationen der Pegida-Bewegung und ihrer regionalen Ableger, bei Kundgebungen rechtsradikaler Gruppen oder auf Gegendemonstrationen.

Eine zunehmende Gefahr für die journalistische Unabhängigkeit gehe in einigen europäischen Ländern von Großkonzernen aus, die nicht nur immer mehr Medien kontrollieren, sondern auch anderweitige Geschäftsinteressen verfolgen. So besitzen in Frankreich (Rang 45) mittlerweile wenige Unternehmen das Gros der privaten Medien von nationaler Bedeutung.  In Bulgarien (Rang 113) kontrollieren Politiker und Oligarchen den Großteil der Medien. Polen stürzte um 29 Plätze auf Rang 47 ab – eine Folge der zielgerichteten Bestrebungen der neuen Regierung, die Eigenständigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien einzuschränken und private Medien zu „repolonisieren“.

Die Spitzenplätze der Rangliste der Pressefreiheit 2016 nehmen jedoch Finnland, die Niederlande und Norwegen ein. Dazu tragen etwa liberale Regelungen über den Zugang zu Behördeninformationen sowie der Schutz journalistischer Quellen bei. Am Ende der Liste stehen unverändert Eritrea (180), Nordkorea (179) und Turkmenistan (178).

Dass es international um die Pressefreiheit nicht gut bestellt ist, leiten Reporter ohne Grenzen auch vom weltweiten Indikator her. Er wird von ROG seit 2013 errechnet und weist für 2015 einen eindeutigen Rückgang aus. Aktuell sei der Indikator um 3,7 Prozent gesunken, seit 2013 um 13,6 Prozent.

Alle Informationen zur ROG-Rangliste, auch detaillierte Bewertungen zu einzelnen Kontinenten und Schwerpunktländern, stehen unter www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »