Der freie Journalist Adil Demirci soll nach rund zehn Monaten in türkischer Haft am Freitag freikommen. Das entschied ein Gericht in Istanbul im Prozess um Terrorvorwürfe gegen insgesamt 22 Angeklagte. Ein Freispruch ist das jedoch nicht. Der 33-Jährige Kölner darf nicht nach Deutschland ausreisen und auch die Provinz Istanbul nicht verlassen. Der Prozess soll am 30. April fortgesetzt werden.
Demirci wird vorgeworfen, in den Jahren 2013, 2014 und 2015 an Beerdigungen von Mitgliedern der verbotenen linksextremen MLKP und der kurdischen YPG teilgenommen zu haben, die bei Polizeirazzien in Istanbul und im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien getötet worden waren. Er wird deshalb der Mitgliedschaft in der MLKP verdächtigt.
Adil Demirci ist Sozialarbeiter und arbeitet außerdem als freier Journalist für die Nachrichtenagentur ETHA. Seit April 2018 sitzt er in Untersuchungshaft. Er war mit seiner krebskranken Mutter für einen einwöchigen Urlaub zur Familie gereist. Einen Tag vor der Rückkehr nach Deutschland, stürmten bewaffnete Spezialeinheiten um 4.00 Uhr morgens die Wohnung seines Onkels. Adil Demirci wurde von einer Spezialeinheit der Polizei und in das türkische Hochsicherheitsgefängnis Silivri gebracht.
Erst nach sieben Monaten, am 20. November 2018, begann der Prozess. Demirci bestätigte beim Prozessauftakt seine Teilnahme an Beerdigungen von Kämpfern gegen die IS-Miliz, bestritt aber die Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“. Sechs der Angeklagten wurden aus der Untersuchungshaft entlassen. Auch Demirci hatte mehrfach seine Freilassung beantragt, vergeblich.
Für Günter Wallraff, der zum Prozess nach Istanbul gereist war: „fast ein Jahr Freiheitsberaubung“. An der Verhandlung nahmen unter anderen auch der deutsche Generalkonsul Michael Reiffenstuel, der Kölner SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich und der Kölner Linken-Stadtrat Jörg Detjen als Beobachter teil. „Ich glaube schon, dass die Politik einen großen Einfluss auf die Verfolgung und die Verhaftungen hat“, sagte Mützenich auf ZDF.de Deshalb seien die politischen Vertreter der Türkei dafür auch die richtigen Ansprechpartner für uns.
Die Familie von Demirci fühlte sich jedoch in den letzten Monaten im Stich gelassen. Es sei eine Bankrotterklärung, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan trotz der Inhaftierung mehrerer deutscher Staatsbürger vergangenen Herbst als Staatsgast in Berlin empfangen habe, sagt der Bruder, Tamer Demirci in Spiegel Online.
Angehörige und Untzerstützer*innen von Demirci hatten dagegen seit der Festnahme jeden Mittwoch Solidaritätsveranstaltungen organisiert. So auch am 13. Februar in der Heimatstadt Demircis, in Köln. Dabei war auch Mesale Tolu, die mehr als acht Monate in der Türkei inhaftiert war. „Wir leben heute nach wie vor in einer Zeit in der Medienschaffende in der Türkei angeprangert und hinter Gitter gebracht werden.“ Das zeige, dass die Repressionen im Lande stark zugenommen haben und die Menschen nicht darüber berichten dürfen. Die Proteste seien ein Appell an die EU und an Deutschland, etwas zu tun, betonte Tolu auf ZDF.de.