Türkische Journalisten aus der Haft entlassen

Die Redakteure der oppositionellen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ Can Dündar und Erdem Gül sind aus dem Gefängnis entlassen worden. Das türkische Verfassungsgericht erklärte die Inhaftierung für rechtswidrig. Beide saßen seit dem 26. November vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, davon 40 Tage in Isolationshaft. Ihnen wird Spionage, Verbreitung von Staatsgeheimnissen und die Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen. Am 25. März soll Anklage erhoben werden. Bei einer Verurteilung drohen ihnen immer noch lebenslange Haftstrafen.

Die dju in ver.di begrüßt die Freilassung der Journalisten. Es sei ein „Skandal, dass sie überhaupt in Haft gekommen sind“, sagte Joachim Legatis vom Bundesvorstand der dju in ver.di. „Das zeigt deutlich, wie der von Erdogan geführte türkische Staat mit Journalisten umgeht, die nicht nach der Pfeife der AKP tanzen“, betonte Legatis. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass ein Reihe von Journalist_innen, die für kurdische Medien arbeiten, noch stärker unter Druck stehen, teilweise unter Todesgefahr arbeiten. Legatis hat als Beobachter an einigen Prozessen gegen Medienschaffende in der Türkei teilgenommen, die wie Dündar und Gül ausschließlich ihrer Arbeit nachgehen und damit ihr Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit wahrnehmen.

Can Dündar, Chefredakteur von „Cumhuriyet“, und Erdem Gül, Leiter des Hauptstadtbüros der Zeitung, waren vor drei Monaten in Istanbul verhaftet und der Verbrechen gegen den Staat beschuldigt worden. Belege dafür blieb die Staatsanwaltschaft bisher schuldig. Ende Mai 2015 hatte „Cumhuriyet“ Indizien vorgelegt, die eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien nahelegten. Daraufhin drohte Staatspräsident Tayyip Erdogan im TRT-Fernsehen, Chefredakteur Dündar werde einen hohen Preis für die Veröffentlichung bezahlen und nicht ungestraft davonkommen.

„Mit der Entscheidung, die Untersuchungshaft von Can Dündar und Erdem Gül zu beenden, zeigt das Verfassungsgericht politische Unabhängigkeit. Doch das kann nur ein erster Schritt sein. Der Haftentlassung muss nun die Einstellung des immer noch drohenden Verfahrens und die Aufhebung aller absurden Vorwürfe folgen“, erklärte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Die Tageszeitung „Cumhuriyet“ wurde von Reporter ohne Grenzen eine Woche vor der Inhaftierung von Can Dündar und Erdem Gül als Medium des Jahres ausgezeichnet. Reporter ohne Grenzen hat sich seit ihrer Inhaftierung für die Freilassung der beiden Journalisten eingesetzt. In Stuttgart hat die dju Ende Januar ein Solidaritätsveranstaltung für bedrohte Journalisten in der Türkei insgesamt und im Besonderen für Gül und Dündar durchgeführt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »