Das ZDF feiert seinen 60. Geburtstag

Eine ZDF-Redakteurin kämpft für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Foto: 123rf

Im Schatten diverser ARD-Skandale feierte das Zweite Deutsche Fernsehen am 1. April seinen 60. Geburtstag. Zu den Highlights gehören eine umfangreiche Retrospektive von Filmklassikern, nostalgische Programmansagen sowie attraktive Innovationen für Programmforscher- und O-Ton-Sammler*innen. Trotz überzeugender Zuschauerresonanz erwartet die Politik auch vom ZDF einen substanziellen Beitrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Systems.

„Mit dem Zweiten sieht man besser“ – ob der aktuelle Claim des ZDF so stimmt, sei einmal dahingestellt. Geht es indes allein nach der Quote, so sind die Mainzer nicht zu toppen. Mit einem Marktanteil von 14,5 Prozent belegte das ZDF im vergangenen Jahr zum elften Mal hintereinander den ersten Platz unter den deutschen TV-Sendern, gefolgt von den ARD-Dritten (13,4 Prozent) und der ARD (12,2 Prozent).

Während einzelne ARD-Anstalten, vor allem der RBB und der NDR, zeitweise in einem Sumpf aus Vetternwirtschaft, Kontrollversagen und dem Vorwurf politischer Einflussnahme zu versinken drohten, konnte sich das Zweite weitgehend seiner Hauptaufgabe widmen: der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Sendeauftrags. „Wir haben unsere Effizienz bewiesen“, geizte der seit einem Jahr amtierende Intendant Norbert Himmler erst kürzlich in einem Interview mit dem Branchendienst DWDL nicht mit Eigenlob. Trotz Beitragsstabilität in den letzten zehn Jahren habe man sich „modernisiert und im Angebot diversifiziert“. Gemeint sind damit auch die Erfolge weiterer Mitglieder der ZDF-Senderfamilie. So rangiert ZDF neo mit 2,6 Prozent Marktanteil unter den Top Ten der deutschen TV-Programme. ZDFinfo ist mit 1,8 Prozent Marktanteil der meistgesehene Dokumentations- und Info-Kanal.

Neues O-Tonarchiv

Zum runden Jubiläum wartet das ZDF mit zahlreichen Neuerungen auf. In Kooperation mit der Universität Leipzig entwickelte der Sender ein Portal, mit dem unkompliziert Daten zu den archivierten ZDF-Sendungen aus rund 60 Jahren Programmgeschichte zugänglich sind. Das zunächst auf zwei Jahre befristete Pilotprojekt dürfte speziell für die Community der Kommunikations- und Filmwissenschaftler *innen von höchstem Interesse sein. Auch für die Programmmacher*innen von Radiosendern und anderen Audio-Medien bietet das Zweite einen besonderen Service an: Sie erhalten Zugang zu einem Archiv mit den jeweils freigegebenen O-Tönen der Protagonist*innen aktueller Produktionen samt Transkription sowie Links zu den jeweiligen Pressemappen.

Normale Coach-Potatoes kommen ebenfalls auf ihre Kosten: Die ZDFmediathek feiert das Jubiläum mit einem Themenschwerpunkt der Serien- und Filmhits aus den vergangenen 60 Jahren, darunter sämtliche Folgen von Kultklassikern wie „Das Traumschiff“, „Der Bergdoktor“ sowie „Die Bergretter“.

Skandaldebatten im Rundfunk

Ganz unbeschadet dürften aber auch die Mainzer nicht aus der permanenten Skandaldebatte über die ARD hervorgehen. Schließlich sind die Verfehlungen von Schlesinger & Co. Wasser auf die Mühlen derjenigen politischen Kräfte, denen seit Jahr und Tag das öffentlich-rechtliche System in Gänze nicht passt. Zwar rangiert das Zweite bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit der Fernsehnachrichten laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im November 2022 nach wie vor unangefochten an der Spitze – gemeinsam mit der ARD. Gleichzeitig aber ist die generelle Akzeptanz des ÖRR im Gefolge der politisch angeheizten Debatte auf einen Tiefststand gesunken: Gerade mal ein Drittel der Bevölkerung plädiert gegenwärtig für einen Fortbestand des Systems in der derzeitigen Form.

Überdies holten auch das ZDF unlängst die Schatten der Vergangenheit ein. Eigene Recherchen des Senders förderten zu Tage, dass Gründungsintendant Karl Holzamer – er amtierte von 1962 bis 1977 – belastende Details seiner Biografie während der NS-Zeit verschwiegen und geschönt hatte. Dabei ging es um seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft und seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA. Auch mit seiner publizistischen Tätigkeit als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht stellte er sich offenbar stärker in den Dienst der Nazis, als er selbst nach 1945 eingeräumt hatte.

Staatlicher Einfluss im Fernsehen

Noch vor zehn Jahren, im Umfeld des 50jährigen ZDF-Jubiläums, hielt ein Konflikt um zu großen staatlichen Einfluss in den Gremien den Sender in Atem. Auslöser war damals der Streit um die von CDU-Kreisen 2009 vereitelte Vertragsverlängerung des damaligen Chefredakteurs Nikolaus Brender. Im damals 14köpfigen Verwaltungsrat existierte seinerzeit ein klares Übergewicht staatlicher Funktionsträger. Auch im Fernsehrat lag der Anteil von Partei- und Staatsvertreter bei 46 Prozent. Nach einer Normenkontrollklage der Bundesländer Hamburg und Rheinland-Pfalz bekräftigte das Bundesverfassungsgericht 2014 in seinem Urteil das Gebot der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Einfluss „staatlicher und staatsnaher Mitglieder“ müsse konsequent begrenzt werden. Ihr Anteil dürfe „ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen“.

Mittlerweile besteht der ZDF-Verwaltungsrat aus zwölf Mitgliedern, darunter immer noch vier amtierende Ministerpräsident*innen unter Vorsitz von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Also hart an der Grenze der maximal erlaubten Staatsbankgröße.

Schon wirft die politische Auseinandersetzung über eine 2025 turnusgemäß anstehende Beitragserhöhung ihre Schatten voraus – schließlich gilt die Drohung mit der finanziellen Keule den Rechten sei Jahren als probates Mittel zur Eindämmung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aus AfD, FDP und den konservativsten Kreisen aus CDU/CSU kommen immer mal wieder „Reform“-vorschläge, die auf eine Abschaffung, Fusion oder Privatisierung von mindestens einem der großen Sendersysteme hinauslaufen. Solche radikalen Überlegungen haben nach Lage der Dinge derzeit wohl keine Chance.

Frische Ideen für den ÖRR

Eine moderate Idee unterbreitete dagegen kürzlich Christiane Schenderlein, medien- und kulturpolitische Sprecherin der CDU/CSU und Mitglied des ZDF-Fernsehrates. In einem Gastbeitrag für die FAZ schlug sie eine neue Arbeitsteilung der Sendersysteme vor. Demnach könne das ZDF sich auf die nationale Berichterstattung fokussieren und die Zuständigkeit für die Kultursender 3sat und Arte sowie das Deutschlandradio übernehmen. Die ARD wiederum könne das nationale Angebot verringern, „um die freiwerdenden Ressourcen gezielt zugunsten der regionalen Angebote und der verschiedenen Landesrundfunkanstalten umzuschichten“.

Aussichtsreicher erscheint in naher Zukunft eine gemeinsame Streaming-Plattform von ARD und ZDF, also die weitgehende technische Verschränkung ihrer Mediatheken. Weitergehende Vorschläge wie eine Öffnung dieser Plattform auch für Privatsender – wie sie ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets unlängst auf einer DLM-Tagung ins Gespräch gebracht hatte – stoßen dagegen auf Widerstand. Ein solches Konstrukt, so kommentierte ZDF-Verwaltungsrat Leonhard Dobusch in „netzpolitik.org“, sei nicht nur „praktisch schwierig“, sondern unterlaufe auch den wichtigsten Beitrag öffentlich-rechtlicher Medien zu demokratischer Öffentlichkeit: „dass sie eben einer anderen, demokratischen Logik bei Gestaltung und Präsentation ihrer Inhalte folgen als die privat-profitorientierten Mitbewerber“.

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