EU-Gremien einig über Digital Markets Act

Flaggen der Mitgliedsstaaten in Straßburg vor dem Europäischen Parlament
Foto: fotolia

Der Rat und das Parlament der Europäischen Union haben am 24. März 2022 eine vorläufige Einigung über den Digital Markets Act (DMA) erzielt, der neue Regeln für große Gatekeeper-Plattformen wie Google und Facebook festlegt. Der digitale Sektor solle dadurch „fairer und wettbewerbsfähiger“ gemacht werden, erklärte der Rat in Brüssel. Nach abschließenden technischen Arbeiten werde der Text in den kommenden Tagen fertiggestellt.

Der Einigung zufolge gilt eine Plattform dann als Gatekeeper, wenn sie entweder in den vergangenen drei Jahren einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro in der EU erzielt hat oder eine Marktbewertung von mindestens 75 Milliarden Euro aufweist und wenn sie zusätzlich mindestens 45 Millionen monatliche Endnutzer und mindestens 10.000 geschäftliche Nutzer in der EU hat. Die Plattform muss außerdem einen oder mehrere zentrale Plattformdienste in mindestens drei Mitgliedstaaten kontrollieren. Zu diesen Diensten gehören Marktplätze und App-Stores, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Cloud-Dienste, Werbedienste, Sprachassistenten und Webbrowser.

Gatekeeper müssen demnach unter anderem sicherstellen, dass die Nutzer das Recht haben, sich von den wichtigsten Plattformdiensten unter ähnlichen Bedingungen wie bei einem Abonnement abzumelden. Bei Instant-Messaging-Diensten muss die Interoperabilität der Grundfunktionen gewährleistet werden. Zudem müssen Gatekeeper die EU-Kommission über ihre Übernahmen und Fusionen informieren.

Daneben wird auch eine Reihe von Verboten festgelegt, die Gatekeeper beachten müssen. Sie dürfen ihre eigenen Produkte oder Dienstleistungen künftig nicht höher einstufen als die von anderen Unternehmen. Private Daten, die während eines Dienstes gesammelt wurden, dürfen nicht für einen anderen Dienst wiederverwendet werden. Untersagt sind auch „unfaire Bedingungen für geschäftliche Nutzer“ und die Vorinstallierung bestimmter Apps. Außerdem dürfen App-Entwickler nicht verpflichtet werden, bestimmte Dienste – etwa Zahlungssysteme oder Identitätsanbieter – zu nutzen, um in App-Stores gelistet zu werden.

Verstößt ein Gatekeeper gegen die Regeln, riskiert er laut Mitteilung eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Gesamtumsatzes. Im Wiederholungsfall kann eine Geldbuße von bis zu 20 Prozent des weltweiten Umsatzes verhängt werden. Wenn eine Plattform „gute Argumente“ gegen ihre Einstufung als Gatekeeper hat, kann sie die Einstufung mit Hilfe eines speziellen Verfahrens anfechten.

Einzige Durchsetzungsinstanz der Verordnung ist die EU-Kommission. Dadurch werde ein hohes Maß an Harmonisierung im Binnenmarkt gewährleistet, erklärte der Rat. Ein beratender Ausschuss und eine hochrangige Gruppe würden eingesetzt, um die Arbeit der Kommission zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten würden „in der Lage sein, die nationalen Wettbewerbsbehörden zu ermächtigen, Untersuchungen über mögliche Verstöße einzuleiten und ihre Ergebnisse an die Kommission weiterzuleiten“.

Die deutsche Bundesregierung wertete das Verhandlungsergebnis als großen Erfolg. „Europa hat sich auf die weltweit strengsten Regeln für mehr Wettbewerb und Fairness bei den großen digitalen Playern verständigt“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) am Freitag. „Die großen Plattformunternehmen werden klaren und harten Regeln unterworfen und können nicht mehr länger einseitig die Spielregeln bestimmen.“ Davon profitierten nicht zuletzt auch die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Auch der deutsche Privatsender-Verband Vaunet begrüßte die Einigung. Die EU gehe damit einen wichtigen Schritt zur effizienteren Regulierung internationaler Tech-Plattformen, die als Gatekeeper auch auf die Geschäftsmodelle und Erreichbarkeit der Angebote auf Medien- und Werbemärkten Einfluss nähmen, erklärte der Verband. Vorstandsvorsitzender Claus Grewenig sagte: „Der DMA trifft die DNA wesentlicher Anliegen der Medienunternehmen gegenüber Plattformen: Zugang zu Daten, neutrale Nutzungsmessung oder Maßnahmen gegen Selbstbevorzugung plattformeigener Angebote sind essenzielle Voraussetzungen zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen.“ Abzusichern sei nun, dass effiziente Mechanismen auf nationaler Ebene nicht durch das DMA-Verfahren ausgebremst würden.

Die deutschen Verlegerverbände BDZV und MVFP (früher: VDZ) lobten die Einigung ebenfalls. „Die bis zuletzt umstrittene Verpflichtung von Google und Facebook zu diskriminierungsfreien und fairen Zugangsbedingungen ist ein womöglich historischer Schritt zum Schutz der freien Presse im digitalen Zeitalter, den wir der Standhaftigkeit des Europäischen Parlaments zu verdanken haben“, erklärten die Verbände gemeinsam. Die Begrenzung der Basisverpflichtungen auf Suchmaschinen, soziale Netzwerke und App-Stores könne allerdings nur ein erster Schritt sein. Andere ebenso mächtige Gatekeeper-Plattformen wie Amazon müssten schnellstmöglich ebenfalls einbezogen werden.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »