Im Juni billigte der deutsche Bundesrat ein neues Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet. Es sieht höhere Strafen für Täter*innen vor, nimmt Anbieter großer sozialer Netzwerke stärker in Pflicht und soll Akteure der Zivilgesellschaft besser schützen. Dennoch gibt es Zweifel an der Umsetzbarkeit und Kritik am mangelnden Datenschutz. Die Rechtsdurchsetzung wird als Knackpunkt gesehen.
Ob Morddrohungen gegen Politiker*innen, Applaus für das Attentat von Hanau oder Holocaustleugnung: In Internet grassiert der Hass. Dagegen soll nun das „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ vorgehen, das neue Regeln und Strafverschärfungen vorsieht. Auch Anbieter großer sozialer Netzwerke, wie Facebook, Twitter und YouTube erhalten darin neue Pflichten. Das Gesetz ist Teil des Maßnahmenpakets der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, das nach dem Attentat auf die Synagoge von Halle angekündigt wurde. Es soll insbesondere den Schutz von Kommunalpolitiker*innen aber auch Notfallmediziner*innen verbessern und Straftatbestände bei hasserfüllten Straftaten in Sozialen Netzwerken verschärfen. Auch antisemitische Motive wirken danach künftig grundsätzlich strafverschärfend.
Strittig ist allerdings vor allem der Passus, dass soziale Netzwerke Beiträge, die sie für strafrechtlich relevant halten, künftig nicht mehr nur löschen, sondern außerdem Nutzerdaten wie IP-Adressen und Passwörter an das Bundeskriminalamt (BKA) melden sollen.
Mehr Öffentlichkeit schaffen
Auch die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen fordert, Straftaten im Internet konsequent anzuzeigen: „Wir teilen die Zielsetzung des Gesetzes, denn das Thema ist nach wir vor wichtig und aktuell,“ sagt Barbara Banczyk, Referentin der Landesmedienanstalt im Gespräch mit „M“. Bereits seit 2016 erhebt das Forsa-Institut im Auftrag der Landesmedienanstalt in einer jährlichen Umfrage die Wahrnehmung von Hassrede im Netz. Die Ergebnisse bestätigen den Eindruck, dass es einen stetigen Handlungsbedarf gibt.
In der aktuellen Umfrage wird deutlich: Hass und Hetze im Netz sind nach wie vor ein gesamtgesellschaftliches Problem und Hassrede im Netz weiter präsent. Vor allem die Befragten im Alter von 14 bis 24 Jahren sind in hohem Maße betroffen. 94 Prozent gaben in diesem Jahr an, persönlich schon Hassrede im Internet wahrgenommen zu haben.
Vor drei Jahren rief die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen daher das Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ ins Leben. Daran beteiligen sich Vertreter*innen von Medienaufsicht, Strafverfolgungsbehörden und Medienhäusern. Die Initiative möchte dazu beitragen, eine Rechtsdurchsetzung im Internet zu erleichtern und öffentlich ein Zeichen gegen „Recht- und Rücksichtslosigkeit im Netz“ setzen. Bisher wurden fast 600 Fälle, zumeist Online-Kommentare, zur Anzeige gebracht.
Zu wenig Personal zur Strafverfolgung
„Die Rechtsdurchsetzung ist uns besonders wichtig. Daher hätten wir es natürlich begrüßt, wenn der Bund unsere Forderungen nun auch umgesetzt hätte. Allerdings scheint uns das Gesetz nicht wirklich durchdacht. Es hat in der Vergangenheit schließlich nicht an Kompetenzen in dem Bereich gemangelt, sondern eher an der personellen Ausstattung für die Strafverfolgung. Die föderalen Medienaufsichtsstrukturen funktionieren und auch die Staatsanwaltschaften arbeiten gut,“ sagt Banczyk. Sie ist verwundert, dass die bisherigen Strukturen im Gesetz nicht berücksichtigt würden: „Es gibt gute Gründe für die föderale Struktur unserer Medienaufsicht. Daher erscheint uns die Bundesverantwortung an dieser Stelle nicht plausibel. Denn eigentlich gibt es bestehende Gesetze, die diese Bereiche regeln.“
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Ulrich Kelber hatte bereits in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf grundsätzliche Bedenken geäußert, die im weiteren Verfahren nicht ausgeräumt wurden. Er machte auf gravierende Eingriffe in Grundrechte aufmerksam. Es sei zweifelhaft, ob sie mit dem Grundgesetz überhaupt vereinbar seien. Insgesamt habe er „erhebliche Zweifel“, ob die mit dem Gesetz „verfolgten Ziele erreicht werden“.
Kein zweistufiges Meldeverfahren
Auch Banczyk ist skeptisch bezüglich der neuen Meldepflicht: „Ist es überhaupt notwendig, dass ein Privatunternehmen personenbezogene Daten noch vor Prüfung einer staatsfernen Medienaufsicht oder einer Staatsanwaltschaft an das BKA meldet?“
Um ein massenhaftes Weiterleiten von Nutzerdaten an das BKA ohne Grundlage zu verhindern, hatten Sachverständige im Vorfeld zumindest ein zweistufiges Meldeverfahren gefordert, bei dem zuerst auf Basis des Inhalts ein Anfangsverdacht festgestellt werden müsse. Im Gesetz ist diese Hürde nicht mehr vorgesehen.
Die EU-Justizminister beraten indes über ein einheitliches Vorgehen gegen Hass und Hetze. Denn auch die EU-Kommission will Hassreden im Internet verbieten. „Wir wollen eine paneuropäische Lösung“, sagte Anfang Juli die verantwortliche Vizepräsidentin der Kommission Věra Jourová.