Der Deutsche Bundestag hat gestern Abend das Gesetz zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – das seit 1974 gilt – beschlossen. In seinen Geltungsbereich gehören auch die fünf länderübergreifenden Rundfunkanstalten Deutsche Welle, Deutschlandradio, NDR, MDR und RBB. Für sie wurde die Mitbestimmung in den Personalräten auf feste Freie ausgeweitet. Aber es gibt auch noch offene Fragen.
Arbeitnehmerähnliche Freie habe künftig aktives und passives Wahlrecht. Das heißt, dass sie selbst in den Personalrat mit vollem Stimmrecht gewählt und von diesem vertreten werden können. Der hier zur Anwendung kommende Paragraf 116 BPersVG besagt, dass arbeitnehmerähnliche Personen als Beschäftigte anzusehen sind. Allerdings ist auch ein „Ausnahme“ formuliert. Danach gelten arbeitnehmerähnliche Personen dann nicht als Beschäftigte, wenn sie „maßgeblich an der Programmgestaltung beteiligt sind“. An dieser Stelle bleibt die gesetzliche Regelung hinter den Forderungen von ver.di und den Möglichkeiten, die in anderen Landesgesetzen bereits ausgeschöpft werden, zurück und bietet mit dem Einsatz von „maßgeblich“ einen unklaren, schwammigen Rechtsbegriff. Es stellt sich die Frage, ob demnach schon eine Autorin „maßgeblich programmgestaltend“ ist oder etwa die Chefin vom Dienst.
„Echte Mitbestimmung für feste Freie in der deutschen Welle und weiteren Rundfunkanstalten durch den Personalrat statt unverbindlicher Kaffeeklatsch von Intendanten mit nahezu machtlosen Freienvertretungen – das ist ganz klar ein Fortschritt. Und es ist ein Erfolg für die Gewerkschaften, die dafür gestritten haben“, sagt Manfred Kloiber, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien in ver.di. „Besser wäre eine Personalvertretung für Arbeitnehmerähnliche ohne Wenn und Aber gewesen. Mal sehen, ob die Ausnahmeregelungen für ‚maßgeblich an der Programmgestaltung‘ beteiligter Freier von den Anstalten auch wirklich als Ausnahme respektiert werden“, so Kloiber. Im Zweifel müsse jeder Einzelfall vor Gericht geklärt werden.
Länder in den Abstimmungsverfahren ihrer Staatsverträge
Parallel zum Gesetzgebungsverfahren im Bund sind in den Ländern des NDR, RBB und MDR die Rundfunk-Staatsverträge in den parlamentarischen Abstimmungen. Im NDR befindet man sich bereits auf der Zielgeraden. Dort konnte die Aufnahme aller arbeitnehmerähnlichen Personen in die betriebliche Mitbestimmung in die finale Fassung des Staatsvertrages zwischen den Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Schleswig-Holstein geschrieben werden. Der Gesetzentwurf liegt nun den Länderparlamenten zur Abstimmung vor.
Beim RBB erfolgte eine Rolle rückwärts. Der Novellierungsprozess des Staatsvertrags wurde von den Ländern Berlin und Brandenburg ausgesetzt. Der Grund dafür war zwar vor allem der Streit um den Plan, bestehende analoge Radioprogramme wie etwa RadioEins, RadioFritz oder InfoRadio mittelfristig nur noch digital, also im Netz zu verbreiten. Dennoch heißt es für die mehr als 1500 arbeitnehmerähnlichen Freien, dass sie weiter von der betrieblichen Mitbestimmung ausgeschlossen bleiben.
Der MDR-Staatsvertrag wurde in dieser Woche im Thüringer Landtag ratifiziert. Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten bereits zugestimmt. Dort konnte keine günstigere Regelung für die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte auf arbeitnehmerähnliche Personen erzielt werden.
Dagegen gibt es in vielen Landespersonalvertretungsgesetzen (LPersVG) bereits vollumfängliche Mitbestimmungsrechte für arbeitnehmerähnliche Freie, die für die Personalratsarbeit in den jeweiligen Rundfunkanstalten Anwendung finden, so im HR, SR, SWR und WDR.
Stärkung der Personalräte insgesamt
Nach Ansicht des verantwortlichen Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat „stärkt das neue Bundespersonalvertretungsgesetz die Mitsprache der Personalvertretungen bei flexiblen Arbeitszeiten und mobilem Arbeiten, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes und bei Privatisierungen.“
Die ursprünglich befristete Möglichkeit virtueller Personalratssitzungen werde nun dauerhaft vorgesehen und auf die Einigungsstelle erweitert. Ermöglicht würden zudem Personalratsbeschlüsse im elektronischen Umlaufverfahren, Online-Sprechstunden und die Übertragung von Personalversammlungen in andere Dienststellenteile. Die Gewerkschaften erhielten ein digitales Zugangsrecht zu den Dienststellen über das jeweilige Intranet.
Mehr lesen:
ver.di – Mehr Mitbestimmung für Freie – Novelle BPersVG
Aktualisierung 04. Mai 2021 – Pressemitteilung
Durchbruch nach jahrelangem Ringen
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Landesbezirk Hamburg, begrüßt die Neuerungen im Entwurf des NDR-Staatsvertrages. Die Landesregierungen der vier Länder Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben den Parlamenten einen Staatsvertrags-Entwurf für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) vorgelegt, der aus Sicht der Gewerkschaft wichtige, aber auch überfällige Verbesserungen enthält. Heute befasst sich der Kultur- und Medienausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Vertragsentwurf.
„Besonders freuen wir uns über die längst von uns geforderte Einbeziehung von freien Mitarbeiter*innen in das Mitbestimmungsrecht! Die rund eineinhalbtausend sogenannten arbeitnehmerähnlichen Freien leisten einen überragenden Beitrag zum Programm. Es war daher überfällig, dass sie bei den Personalrats-Wahlen wählbar und wahlberechtigt sein sollen – ein Meilenstein für die betriebliche Demokratie im NDR!“, betont Björn Siebke, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Hamburg. Laut §41 des Staatsvertrags-Entwurfs werden arbeitnehmerähnliche Freie den Festangestellten in den Personalvertretungen gleichgestellt. Dieser Grundsatz gilt in anderen Rundfunkanstalten wie dem WDR oder auch Radio Bremen bereits seit Jahren.
Um dies auch beim NDR zu erreichen, hatten sich ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gemeinsam seit vielen Jahren auf allen Ebenen eingesetzt. Die beteiligten Bundesländer haben mit ihrem Entwurf gute Arbeit geleistet, so Siebke, wofür ver.di dankt. Die Vorsitzende von ver.di im NDR, Stephanie Steffen mahnt: „Jetzt gilt es, den neuen NDR-Staatsvertrag mit Leben zu füllen und die freien Mitarbeiter*innen endlich so in die betriebliche Mitbestimmung einzubinden, wie es ihnen gebührt. Wir erwarten, dass der NDR als Arbeitgeber diesen Prozess konstruktiv unterstützt. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Staatsvertrag selbstbewusst auszugestalten und die Anliegen der Freien im Rahmen unserer Personalratsarbeit wirkungsvoll zu vertreten.“
Der neue Staatsvertrag soll am 1. September 2021 in Kraft treten, wenn ihn die Landesparlamente bis dahin ratifizieren. Eine Neuwahl der Personalräte steht bis Frühjahr 2023 an.