Ende September haben ARD, ZDF und Deutschlandradio den Ländern ihre Vorschläge unterbreitet, wie sie künftig spürbar Kosten einsparen wollen. Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin wurde nun über einen zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Rundfunk debattiert. Dabei wurde schnell klar: Der Politik reichen die bisherigen Vorschläge nicht aus. Die Anstalten wiederum sehen ihren Reformbeitrag als erbracht an.
Die Macher der „Berliner Mediendiskurse“, einer neuen Diskussionsreihe der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und der Senatskanzlei Berlin, hätten ihre Veranstaltung zur „Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ nicht besser timen können. Denn am gleichen Tag hatte Rainer Robra (CDU), Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, in der Mitteldeutschen Zeitung zu einem Rundumschlag gegen die Anstalten ausgeholt. Die Botschaft: Die Sparvorschläge von ARD, ZDF und Deutschlandradio seien viel zu wenig und würden noch immer eine deutliche Beitragserhöhung ab 2021 nötig machen, die mit Sachsen-Anhalt nicht zu machen sei. Deshalb: weg mit dem Ersten und der „Tagesschau“, Beschränkung der ARD auf ihre regionalen Dritten und nur das ZDF als nationalen Anbieter. Dazu das konsequente Verbot „presseähnlicher Textangebote“ für die Öffentlich-Rechtlichen im Internet.
Länder wollen mehr Einsparungen sehen
Harter Tobak, wenn auch nicht der erste dieser Art aus einem Politikermund, und eine Steilvorlage für die Podiumsdiskussion im Roten Rathaus in Berlin. Björn Böhning (SPD), Chef der Berliner Senatskanzlei, stellte dann auch ohne Umschweife fest: „Alle wissen, dass Robras Vorschlag nicht Wirklichkeit wird.“ Die von ARD, ZDF und Deutschlandradio vorgelegten Vorschläge für Strukturreformen seien durchaus „substanziell“. Gleichzeitig sei aber klar, dass sie den Ländern in dieser Form noch nicht ausreichen würden. „Hier müssen die Sender noch etwas drauflegen. Wir werden schauen, ob es nicht noch Strukturreserven in anderen Bereichen gibt.“ Derzeit sei die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) damit beauftragt, die Vorschläge zu prüfen und gegebenenfalls eigene zu machen. Es sei zudem wahrscheinlich, dass die Sender Anfang kommenden Jahres weitere Fragen zur Beantwortung bekämen.
„Größte Reform in der ARD-Geschichte“
Einen naturgemäß anderen Blick auf die Dinge hatte RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. So warnte sie eindringlich vor einem Kahlschlag: „Wer ein öffentlich-rechtliches System abschafft, der bekommt es nicht zurück!“ Andere Staaten würden uns um unsere Medienlandschaft beneiden. Außerdem schrumpfe die ARD schon jetzt, das werde manchmal vergessen. „Unsere Reformvorschläge gehen richtig an die Substanz“, so Schlesinger. Am Ende der Reformdekade im Jahr 2028 werde es deutlich weniger Doppelstrukturen und Personal geben. „Das ist die größte Reform in der Geschichte der ARD.“
Betrachte man außerdem das derzeitige politische Umfeld, sei mehr als deutlich, dass es ein erhöhtes Informationsbedürfnis der Menschen gebe. Dem pflichtete auch ZDF-Intendant Thomas Bellut bei, insbesondere vor dem Hintergrund von AfD, Fake News und Co: „Die Bedeutung der politischen Berichterstattung ist gestiegen. Deshalb ist es gut, wenn wir zwei starke öffentlich-rechtliche Sendesysteme haben, die auch um Qualität konkurrieren.“
Zeit für eine ergebnisoffene Debatte?
Dass ARD und ZDF so auf dem Status quo beharrten, stieß dem einzigen Vertreter der privaten Medienwirtschaft auf dem Podium spürbar auf – und traf damit einen sensiblen Punkt. Claus Grewenig, Leiter Medienpolitik bei RTL, lobte denn auch den Vorschlag Robras, weil er zu einer dringend nötigen Diskussion beitrage. „Warum wird jetzt nicht die Zeit für eine offene Diskussion genutzt, wie es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen soll? Der Legitimationsdruck ist derzeit enorm. Die bloße Verteidigung des Bestehenden hilft uns deshalb nicht weiter. Die Strukturvorschläge der Anstalten werden nicht ausreichen“, so Grewenig.
Streit um den zeitgemäßen Auftrag
Schlesinger konterte mit dem Verweis darauf, dass die Zukunft von ARD und ZDF mehr als bisher im Digitalen liegen müsse. Hier gebe es aber zu starre Grenzen für die Sender. Damit spielte sie insbesondere auf das im Staatsvertrag festgelegte Verbot „presseähnlicher“ Inhalte an. „Die Öffentlich-Rechtlichen nehmen den Verlagen im Internet nichts weg“, resümierte sie. „Schauen Sie doch in die USA. Dort gibt es keine öffentlich-rechtliche Konkurrenz und die Verlage haben trotzdem große Schwierigkeiten, online Erlöse zu erwirtschaften.“
Björn Böhning machte für die Länder jedoch deutlich: „Das Kriterium der Presseähnlichkeit ist und bleibt wichtig, weil sonst die Grenzen zwischen den Systemen zu sehr verwischen.“ Er könne sich aber vorstellen, den Auftrag der Anstalten mehr in Richtung Information zu stärken. Für die Zukunft stellte er daher einen neuen, zeitgemäßen Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Aussicht. Die Überarbeitung der bestehenden Telemedienregelungen, die die Länder vor kurzem in die Wege geleitet hatten, werde aber wohl nicht so schnell umgesetzt wie erwartet. „Das wird wohl erst im 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag kommen. Wir liegen innerhalb der Länder in den Positionen noch zu weit auseinander“, so Böhning.
„Strukturoptimierung“ der Rundfunkanstalten
Bis Ende September hatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Zeit, den Ministerpräsident_innen ihre Vorschläge für Strukturreformen einzureichen. So verlangte es die Länder-Arbeitsgruppe „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“. ARD, ZDF und Deutschlandradio haben jeweils eine Stellungnahme abgegeben. Ziel der Länder ist es, den Rundfunkbeitrag „stabil“ zu halten und einen Anstieg mit der nächsten Beitragsperiode ab 2021 möglichst zu verhindern. Die von den Anstalten vorgelegten Vorschläge setzen im Wesentlichen auf stärkere senderübergreifende Kooperationen, etwa bei der produktionstechnischen Abwicklung von Großereignissen oder bei den IT-Prozessen in Verwaltung, Produktion und Programmerstellung, sowie auf „effizientere Personalkonzepte“ (ARD), zum Beispiel durch den Einsatz smarter Produktionstechnik mit kompakterem Equipment, die weniger Personalaufwand erfordert. Bis 2028 wollen die Sender so insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro einsparen.