Zuschüsse für den Zeitungsvertrieb bei fehlendem Gesamtkonzept
Der Bund will den Vertrieb von Tageszeitungen ab 2020 mit 40 Millionen Euro bezuschussen. Den Verlegern ist das zu wenig. In den Parteien ist das Meinungsbild gespalten. Die Zeitschriftenverlage fühlen sich benachteiligt. Und ein Bremer Politiker möchte das Volk über staatliche Pressesubventionen mitbestimmen lassen.
Nach den Plänen der Großen Koalition werden bundesdeutsche Zeitungsverlage demnächst erstmals direkte staatliche Förderung für ihre Zustellkosten erhalten. Einem entsprechenden Antrag hat der Haushaltsausschuss im Bundestag Mitte November zugestimmt. Bis zur Vorlage eines Gesamtkonzepts durch das Bundesarbeitsministerium steht die auf fünf Jahre begrenzte Subvention allerdings unter einem Sperrvorbehalt.
Kaum beschlossen, meldeten die Zeitungsverleger Verbesserungsbedarf an. Eine so geringe Förderung löse „kein einziges Problem“, klagte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. Die Subvention entspreche pro ausgeliefertem Zeitungsexemplar weniger als einem Cent. Dem stünden durchschnittliche Vertriebskosten von 52 Cent pro ausgetragener Zeitung gegenüber. Laut BDZV-Branchenbericht sind wegen des Mindestlohns jährliche Mehrkosten für die Verlage von rund 400 Millionen Euro aufgeführt. Was Rückschlüsse darauf zulässt, wie schlecht die Verlage bislang die Zusteller entlohnt haben. Bisher hatten die Verleger direkte staatliche Subventionen stets vehement abgelehnt.
Protest gab es auch aus der Ecke der Zeitschriftenverlage. Allerdings aus verbandsegoistischen Gründen. Die Einführung einer „selektiven Presseförderung“, so das VDZ-Präsidium, wäre eine „falsche und gefährliche Weichenstellung“. Um die Zustellung aller Presseprodukte, inklusive der regionalen Tageszeitungen zu sichern, sei die „neutrale Presseförderung“ der richtige Weg. Schließlich würden auch andere staatliche Wohltaten – etwa die reduzierte Mehrwertsteuer oder die Erleichterung von Verlagskooperationen – „Zeitungen und Zeitschriften gleichermaßen zugutekommen“. Erst kürzlich hatte der Bundestag die Ausdehnung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf digitale Presseprodukte beschlossen. E-Paper, Apps, Websites und Datenbanken werden voraussichtlich ab 2020 statt mit 19 nur noch mit sieben Prozent veranlagt.
Während die CDU/CSU die Förderung als Hilfestellung für die Verlage bei der digitalen Transformation und als Kompensation für die Mehrkosten durch den Mindestlohn begrüßt, bemängelte die SPD-Fraktion das geringe Volumen. Er hätte einen „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ bevorzugt, sagte der medienpolitische Sprecher, Martin Rabanus. Zugleich mahnt er zu Vorsicht, da die Subventionierung journalistischer Produkte „immer ein zweischneidiges Schwert“ sei. Es gelte, die „Balance zwischen journalistisch-redaktioneller Unabhängigkeit“ und der „Notwendigkeit der Verbreitung dieser Presseerzeugnisse, vor allem in der Fläche“ zu finden.
Auch Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, betrachtet die 40 Millionen Förderung allenfalls als „Tropfen auf den heißen Stein, der die Dynamik steigender Kosten und sinkender Werbeeinnahmen ein bisschen dämpft“. Die Subventionierung nach dem „Modell Gießkanne“ sorge „weder für flächendeckenden Lokaljournalismus im ländlichen Raum noch für allgemeine Vielfaltssicherung“. Es fehle ein Gesamtkonzept, „das Ziele transparent formuliert, den gesellschaftlichen Nutzen der Maßnahme darlegt und Subventionen an Bedingungen (z.B. Zustell-Aufwand und Förderbedarf) knüpft“.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Horst Röper, Chef des Dortmunder Medienforschungsinstituts Formatt. Auch er hält den vorgesehenen Fördertopf für „viel zu klein“. Die Kosten für die Zustellung seien je nach Auflage in den einzelnen Teilgebieten sehr unterschiedlich. „In den Städten sind sie geringer als auf dem Land, insbesondere in bevölkerungsarmen Gegenden.“ Die Fördermittel sollten daher nicht mit der Gießkanne ausgeschüttet werden. „Das käme einer Verschwendung öffentlicher Mittel gleich“, so Röper. Er plädiert für eine „Einzelfallprüfung des jeweiligen Bedarfs“. Zudem müsse die Förderung „an journalistische Leistungen“ und an die „Einhaltung von Sozialstandards wie Tarifverträge und Ausbildung“ gekoppelt werden.
Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang ein Vorschlag des Bremer Bürgermeisters Andreas Bovenschulte. Der SPD-Mann regte Ende November an, die Bevölkerung per Abstimmung darüber mitentscheiden zu lassen, welche Medien Gelder aus einem noch zu schaffenden Subventionstopf bekommen sollen. Je nach Abstimmungsergebnis könnten dann Subventionen an die einzelnen Bewerber verteilt werden. Neben regionalen und lokalen Zeitungsverlagen könnten, so schlug Bovenschulte im Gespräch mit Radio Bremen vor, „auch Startups und neue Medien“ auf Antrag zum Zuge kommen. Vorteil: „Es würden die grundsätzlich in der Bevölkerung vorhandenen Präferenzen zum Ausdruck gebracht.“ Zugleich wäre es „ein sehr staatsferner Weg der Verteilung von Fördermitteln“.
In der Öffentlichkeit stieß der Vorschlag überwiegend auf Skepsis. Eine „staatliche Förderung von redaktionellen Inhalten“ sei „nicht zielführend“, begründete der BDZV seine Absage. Auch David Koopmann von der Bremer Tageszeitungen AG sagte im Deutschlandfunk, ein solcher Schritt würde „die Unabhängigkeit der freien Presse gefährden“. Grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber plebiszi-tären Elementen bei der Presseförderung äußerte sich dagegen Cornelia Berger, Geschäftsführerin der dju in ver.di. Allerdings hält sie eine direkte Volksbefragung wegen eines möglichen „Masse-statt-Klasse-Effekts“ nicht für das geeignete Mittel. Sinnvoller erscheint ihr, „sowas wie einen repräsentativen Bevölkerungsdurschnitt auszuwählen, der entsprechende Entscheidungen trifft“. Dafür gelte es, „Qualitätskriterien zu entwickeln und allen Beteiligten Mut zu machen, sich für solche Experimente zu öffnen“.