Der Bundestag hat heute das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) beschlossen. Zuvor hatten die Regierungsfraktionen noch einige wichtige Änderungen an dem Entwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgenommen. Dennoch bleibe das Gesetz auf halbem Weg stehen, wie der Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) Felix Falk, am 27. Juni auf einem Symposium des Deutschen Medienrats in Berlin kritisierte.
Die Veranstaltung in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt beim Bund widmete sich unter der Überschrift „Kultur braucht Freiheit und Schutz! – Mediengrundrechte im Internet“ der Frage, wie elementare Rechte wie die Presse- und Medienfreiheit, Persönlichkeitsrechte und die Urheberrechte von Kulturschaffenden in der virtuellen Welt geschützt werden können. Eröffnet wurde das Symposium von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, die das „ambitionierte Programm“ der Tagung mit einem „Iron Man“ verglich. Die Neuverhandlung des Ausgleichs unterschiedlicher, manchmal auch gegensätzlicher Interessen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, erklärte sie, und forderte, dass der politische Gestaltungsanspruch auch in der virtuellen Welt nicht aufgegeben werde: „Was wir in der analogen Welt verteidigen, die Freiheitsrechte, bedarf auch in der digitalen Welt unseres Schutzes.“ Neben dem Schutz der wirtschaftlichen Grundlage der Kreativen im Netz, entwickle sich auch der Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit zu einer immer größeren Herausforderung. Eine der Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden müssten, so Grütters, sei, ob wir die Meinungsbildung in unserer Demokratie der Marktlogik der Klickökonomie überlassen wollen. Darauf könne es allerdings nur politische Antworten geben, sagte sie und regte etwa konkrete Transparenzvorschriften auf europäischer Ebene an, die digitale Plattformen dazu verpflichten sollen, die Funktionsmechanismen ihrer Algorithmen offenzulegen. Eine weitere wichtige Maßnahme, um der wachsenden Bedrohung von Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus im Internet zu begegnen, sieht sie zudem in der Förderung der Medienkompetenz, ein Thema, bei dem auch ihr Haus in der Pflicht sei.
Zum Symposium eingeladen hatte der Deutsche Medienrat, eines der acht Mitglieder des Deutschen Kulturrats und der größte Zusammenschluss aus Verbänden, Dachverbänden und anderen Organisationen in der Branche Film, Rundfunk und audiovisuelle Medien. Dessen Sprecher, Pim Richter, pflichtete der Staatsministerin bei, dass Freiheits-, Persönlichkeits- und Urheberrechte eines größeren Schutzes bedürfen. Er kritisierte allerdings das „zögerliche und widerstrebende“ Handeln der Politik, die sich schwertue, den „ausufernden Wünschen“ der Verbraucher_innen Grenzen zu setzen und damit Rechtestandards oft zu Lasten der Urheber_innen und Verwerter_innen absenke.
Sehr politisch wurde es dann auch gleich im ersten Panel, das sich mit Persönlichkeitsrechten im Netz befasste und mit einem Statement des Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Gerd Billen eröffnet wurde. Er gestand gleich zu Beginn ein, dass das nun verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) „ein Versuch, kein 100%ig gelungener, ist, auch mal Grenzen zu setzen“. Sein Ministerium habe sich jedoch intensiv mit der Kritik am Gesetz beschäftigt und deshalb auch noch einige wesentliche Änderungen vorgenommen. Dazu zählt vor allem die Schaffung von Einrichtungen der regulierten Selbstregulierung. Sollte es sich schwertun mit der Entscheidung, ob ein Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist oder nicht, hat Facebook die Möglichkeit, den Fall an eine solche Einrichtung abzugeben.
Sabine Frank, Leiterin Regulierung, Verbraucher- und Jugendschutz bei Google Germany, relativierte Billens Ausführungen in der sich anschließenden Diskussion allerdings umgehend. Die Kollateralschäden würden beim NetzDG überwiegen. Eine Definition des Begriffs „offensichtlich rechtswidrig“ sei auch in der neuen Fassung ausgeblieben. Einrichtungen der regulierten Selbstregulierung mit der Prüfung der Fälle betrauen zu können, sei zwar der richtige Weg, in der vorliegenden Ausgestaltung allerdings wenig wirksam. Da die Haftung trotz Abgabe an eine Ko-Regulierungsstelle weiterhin bei den digitalen Plattformen verbleibe, würden den Unternehmen wenig bis gar keine Anreize geboten, davon Gebrauch zu machen. Zumal die Kernelemente, die Ko-Regulierung ausmachten, in dem neuen Gesetz überhaupt nicht geregelt seien, kritisierte sie und bedauerte zugleich, dass solche Konzepte nicht im Vorfeld mit den betreffenden Akteur_innen diskutiert worden seien. Zustimmung erhält sie von BIU-Geschäftsführer Felix Falk, der zwar ebenfalls „freudig überrascht“ über die Idee der regulierten Selbstkontrolle gewesen sei, deren Umsetzung allerdings ebenfalls als wenig erfolgreich beurteilt.
Billen, auf dem Podium einsamer Verteidiger des NetzDG, konterte bissig: „Wenn wir ein Gesetz gemacht hätten, das ihnen zu 100 Prozent gefällt, hätten wir irgendetwas falsch gemacht.“ Tatsächlich zeigte sich aber selbst der Staatssekretär im Justizministerium insgesamt nur wenig überzeugt von dem Gesetz. So musste er auch eingestehen, dass die Identitätsfeststellung von Fake Accounts noch immer nicht ausgereift sei und man etwa auch diskutieren müsse, ob es künftig für das Anlegen eines Accounts auf digitalen Plattformen nicht ein Personalauswies erforderlich sei. Sabine Frank kündigte unterdessen an, dass man eventuell die Grundgesetzkonformität des Gesetzes überprüfen lassen wolle, sollte es den Bundestag tatsächlich passieren. Auch wenn man selbstverständlich auch weiterhin an „lösungsorientierten Ansätzen“ arbeiten möchte.