Verleger klagen bei EU über Radio Bremen

Neue Eskalation im Streit um die Online-Angebote der ARD-Anstalten: Der Zeitungsverlegerverband Bremen hat sich an die EU-Kommission gewandt, weil der Rundfunkrat von Radio Bremen den Internetauftritt des Senders nicht ordentlich kontrolliere. Deutschland verstoße gegen EU-Recht. Auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger plant eine Beschwerde in Brüssel.

Erst die Wettbewerbsklage vorm Landgericht, nun das Schreiben an die EU-Kommission: Die vier großen Tageszeitungsverleger im Raum Bremen wenden sich mit aller Kraft gegen das Online-Angebot von Radio Bremen (RB). Es enthalte diverse presseähnliche Inhalte ohne Sendungsbezug und verstoße damit gegen den Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer. Während die Klage vor dem Landgericht Bremen noch anhängig ist, hat der Zeitungsverlegerverband Bremen (ZVVB) jetzt zusätzlich die EU eingeschaltet. Anlass ist ein Gastbeitrag des RB-Rundfunkratsvorsitzenden Klaus Sondergeld im Fachorgan epd Medien über den „öffentlich-rechtlichen Telemedienauftrag“ – einen juristisch bisher sehr eng gefassten Auftrag, über dessen mögliche Ausweitung Medienpolitiker derzeit nachdenken. Sondergeld, ehemaliger Fernsehredakteur und Bremer Ex-Senatssprecher, setzt sich dafür ein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „das Publikum in großem Umfang auf allen verfügbaren Ausspielwegen und Endgeräten“ erreichen darf. Eine Beschränkung auf Fernsehen und Hörfunk „mutet an wie ein Ansinnen aus dem Hinterwald“, findet der Rundfunkratschef. Nicht weniger weltfremd erscheine ihm der Versuch, die Ausspielung von Inhalten in den digitalen Kanälen drastisch zu regulieren. „Und doch üben sich Zeitungsverleger in solch – aus Nutzersicht – unverständlichem Unterfangen“, spielt Sondergeld auf die Klagen von Verlagen gegen die Tagesschau-App, gegen RB und den RBB wegen angeblich zu presseähnlicher Inhalte an. Die Frage nach der Presseähnlichkeit sei „eine Frage aus der grauen Vorzeit der bunten Moderne des Internets“.

Zusage nicht eingehalten?

Nach Ansicht des ZVVB lässt sich aus den Ausführungen des Rundfunkratschefs ableiten, dass das Aufsichtsgremium des Senders nur „mangelhafte Kontrolle“ ausübe: „Anscheinend wird das aus unserer Sicht rechtswidrige Handeln des Senders aber vom Rundfunkratsvorsitzenden mit Nachdruck unterstützt“, meint der ZVVB-Vorsitzende Matthias Ditzen-Blanke, im Hauptberuf Geschäftsführer der Bremerhavener Nordsee-Zeitung. In dem Beschwerdebrief an die EU-Kommission weist der Verlegerverband darauf hin, dass Deutschland 2007 den sogenannten Beihilfekompromiss mit der EU vereinbart habe. Brüssel ging damals dem Vorwurf der deutschen Privatfunkbetreiber nach, dass die deutsche Rundfunkgebühr eine unzulässige staatliche Beihilfe sei. Im Zuge des langwierigen Verfahrens erklärte sich Deutschland bereit, den öffentlich-rechtlichen Anstalten einige Auflagen zu machen, vor allem für ihr Online-Angebot. Aus Anlass des Sondergeld-Aufsatzes meint der Verlegerverband nun, dass die Bundesrepublik ihre damalige Zusage nicht eingehalten habe, „eine funktionierende Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuführen“.

BDZV droht mit offizieller Beschwerde

Nach dem eher formlosen Schreiben des ZVVB wird sich wohl auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Brüssel melden. „Ich gehe fest davon aus, dass der BDZV demnächst eine offizielle Beschwerde bei der EU-Kommission einlegt“, sagt Helmut Verdenhalven, Leiter Medienpolitik in der BDZV-Geschäftsleitung. Sollte man damit Gehör finden, könnte die EU im Extremfall ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Falls Brüssel einer solchen Beschwerde nachgehen will, kann zunächst der Mitgliedsstaat Stellung nehmen. Kommt die EU dann zu dem Schluss, dass ein Vertragsverstoß vorliegt, fordert sie von dem Staat Abhilfe. Geschieht dies nicht, kann die EU den Staat vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. „Die meisten Fälle werden allerdings vorher geklärt“, heißt es auf einer EU-Internetseite.

Radio Bremen will sich bisher nicht zu dem Schreiben des ZVVB äußern, weil dem Sender weder der Brief noch die dazu versandte Pressemitteilung des Verbands vorliegt. Der RB-Rundfunkrat hatte schon Anfang Juni eine Stellungnahme zu den Verlegerklagen beschlossen. Darin äußerte er die Überzeugung, „dass das Telemedienangebot von Radio Bremen der gegenwärtigen Rechtslage entspricht“. Deshalb solle Intendant Jan Metzger wenn nötig „die Instanzen des Rechtswegs ausschöpfen“ – aber zugleich auch nach „partnerschaftlichen Lösungen“ suchen.

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