Funke Mediengruppe entlässt Redakteure

Firmensitz der Funkegruppe in Essen. Foto: Udo Milbret

Es rumort derzeit wieder bei der Funke Mediengruppe: Sämtliche Wochenblätter in NRW sollen künftig zentral produziert werden und ohne eigene Inhalte – mit etwa der Hälfte an Redakteur*innen. Das deutschlandweit tätige Unternehmen mit Sitz in Essen bringt neben Tageszeitungen wie der größten Regionalzeitung Deutschlands, der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, und der „Berliner Morgenpost“ auch kostenlose Anzeigen- und Wochenblätter heraus.

Funke will seine mehr als 25 kostenlosen Wochenblätter in Nordrhein-Westfalen, die unter dem Namen Funke Wochenblatt GmbH oder WVW-Anzeigenblätter firmieren, umstrukturieren. Dafür sollen Mitarbeiter*innen gehen. Von mittlerweile nur noch etwa 18 festangestellten Redakteur*innen bzw. Redaktionsassistentinnen und Sektretärinnen sollen zehn entlassen werden oder sind bereits freigestellt worden.

Bis zum 1. März soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Einige langjährige Redakteur*innen sind bereits zum 1. Februar gekündigt worden. Da sie eine längere, siebenmonatige, Kündigungsfrist haben, bezahlt Funke ihre Gehälter noch bis in den Spätsommer. Erst Mitte November habe Funke die Redakteur*innen über die Umstrukturierung informiert – bruchstückweise, berichten Beschäftigte. Viele wussten bis Mitte Januar nichts Genaues, geschweige denn, wie und ob es für sie weitergeht. Von Entsetzen bis Verärgerung über die Informationspolitik des Arbeitgebers reichen die Reaktionen aus den Redaktionen.

Übrig bleiben offenbar nur noch 8,2 Stellen. Dies sollen sich laut Aussagen von Insidern auf sieben Vollzeitstellen und zwei 60 Prozent-Stellen aufteilen. Die beiden Redaktionsleiter bleiben. Viele langjährige freie Mitarbeiter erhalten keine Aufträge mehr und einige, die keine anderen Auftraggeber haben, sind somit arbeitslos. Die noch verbliebenen Redakteure sollen künftig die in der Region beliebten Blätter wie etwa den „Stadtspiegel“ (Essen), den „Niederrheinanzeiger“ (Dinslaken), den „Wochenanzeiger“ (Duisburger) oder die „Mülheimer Woche“ zusammenschustern. Es sollen keine eigenen (lokalen) redaktionellen Inhalte mehr erstellt werden. So sollen die Titelgeschichten und sonstiger Inhalt hauptsächlich aus Tageszeitungen wie der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ), der „Neuen Ruhr/Rhein Zeitung“ (NRZ) oder der „Westfalen Post“ (WP) eins zu eins übernommen werden. Die Funke-Zeitungen erscheinen im gleichen Verbreitungsgebiet wie die Wochen- und Anzeigenblätter. Zudem soll noch mehr als bisher auf Agenturmaterial gesetzt werden.

Um auch nach außen hin nicht mehr als die jeweilige selbstständige Zeitung aufzutreten, soll es keinerlei Berührungspunkte wie Telefonnummern, Mailadressen und Ansprechpartner für Bürger, Vereine oder Informanten mehr geben. Mit anderen Worten: Die Redaktion schottet sich ab. Damit fällt die Zeitung als Bindeglied zwischen Politik, Verwaltung, Institutionen und dem Bürger weg. Sie ist folglich auch kein Ort der Diskussion und des Austausches mehr. Dabei schreibt Funke auf der Konzern-Webseite unter „Mehr Aufmerksamkeit – Mehr Reichweite – Mehr Auflage“ folgendes: „Näher und lokaler geht es kaum: Anzeigenblätter sind kaum zu schlagen, wenn es um hohe Haushaltsabdeckung, nahezu flächendeckende Zustellung und lokale Kompetenzen geht.“

Funke hat Erfahrung in der Schaffung von „Zombie-Zeitungen“, die zentral in Essen produziert werden und kaum Kosten und Personal verursachen. So haben die Essener bereits vor zehn Jahren die Redaktionen der „Westfälischen Rundschau“ dichtgemacht. Ohne eigene Redaktion erscheint das Blatt bis heute und soll noch ordentlich Erträge abwerfen.

Der Betriebsrat der NRW-Anzeigenblätter will sich zu der Causa nicht äußern und verweist einzig auf die Unternehmenskommunikation des Konzerns. Bei der Funke Mediengruppe hingegen wurden die Fragen des Autors nach Neuausrichtung sowie weiteren Hintergründen der Entlassungen vom Leiter der Unternehmenskommunikation auf schriftliche Anfrage nicht beantwortet. „Wenn wir das können, sind Sie der erste, den wir informieren“, hieß es lediglich unverfroren.

„Die Schließung der Redaktionen der Wochenblätter ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“, bewertet dagegen Till Düwel, Gewerkschaftssekretär für kollektive Betriebs- und Tarifarbeit von ver.di NRW, diese sogenannte Umstrukturierung. „Schon in der Vergangenheit wurde die Belegschaft zusammengeschrumpft. Der Funke-Konzern ist ein großer Akteur auf dem Medienmarkt, der die Möglichkeit hätte, unternehmensintern andere Wege zu finden“, kritisiert ver.di. Stattdessen werde die Zukunft darin gesehen mit möglichst wenigen Mitarbeitenden auf Dauer möglichst viel Gewinn zu machen. „Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten der Funke Mediengruppe die Leidtragenden einer über Jahre verfehlten Politik der Unternehmensführung sind.“ Die Medienlandschaft in NRW verliere mit diesem Stellenabbau erneut ein Stück Vielfalt und journalistische Arbeitsplätze.

Nicht nur die Anzeigenblätter in NRW haben massiv unter der Corona-Pandemie zu leiden gehabt. 2021 ist die Gesamtauflage kostenloser Wochenblätter laut Bundesverband BVDA hierzulande um zehn Prozent gesunken. Aufgrund von Energiekrise, Inflation und Rohstoffmangel kämpfen die Printprodukte mit steigenden Papierpreisen. Auch im Einzelhandel setzen weniger Anbieter auf gedruckte Prospekte, die oftmals den Anzeigenblättern beiliegen. Der Kölner Lebensmitteleinzelhändler REWE etwa will künftig auf Werbung in Printprodukten wie Wochenblätter verzichten und mehr auf digitale Kanäle setzen.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Entlarven und kontern auf TikTok

Rechte und Rechtsextreme verfügen über große Reichweiten auf sozialen Medien, insbesondere auf TikTok. Dort trenden populistische Inhalte und fremdenfeindliche Hashtags. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand. Politiker*innen und Institutionen wollen das digitale Feld nicht der AfD überlassen. Doch warum gelingt es den Demokratiefeinden dort offenbar so mühelos, junge Menschen anzusprechen? Antworten erhoffen sich Nachwuchsjournalist*innen der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft mit ihrem Medienprojekt „Im rechten Licht“.
mehr »

Equal Pay – auch nicht im Journalismus

Am 6. März ist dieses Jahr Equal Pay Day, denn die Gender Pay Gap liegt seit dem Jahr 2020 nach wie vor bei 18 Prozent. Legt man die Prozente, die Frauen weniger verdienen, in Tage um, entspricht dies der Zeit von Neujahr bis zum 6. März als Nullverdienst. Im Journalismus sieht es dabei nicht wesentlich besser aus: Auf 17,3 Prozent errechnete eine Studie zur „Prekarisierung im Journalismus“ von 2021 die Gender Pay Gap in diesem Beruf, wie M berichtete. Auf der Basis dieser Daten ist jetzt der „vernachlässigte geschlechterspezifische Aspekt prekärer Beschäftigung im Journalismus“ noch einmal deutlich herausgestellt worden.
mehr »

Rundfunkbeitrag soll um 58 Cent steigen

Der finanzielle Spielraum von ARD, ZDF und Deutschlandradio schrumpft. Wie erwartet, empfiehlt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags ab 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro. Die von einigen Ministerpräsidenten geäußerten Forderungen nach Beitragsstabilität sieht die KEF angesichts der inflationären Entwicklung als übererfüllt an. Ver.di warnt vor weiterem Programmabbau und noch mehr Druck auf die Rundfunkbeschäftigen.
mehr »

Verbindliche Regeln zur KI erforderlich

Klare Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) fordern Schauspieler*innen, Schriftsteller*innen oder Journalisten*innen immer drängender. In der Reihe "DGB-Dialog Künstliche Intelligenz" ging es am 22. Februar um "Alles Fake?! KI in Medien und Kultur“. Mittlerweile werde die generative KI so mächtig, dass sie Teile menschlicher Arbeit tatsächlich ersetzen könne, hieß es in der Diskussion. 
mehr »