Statt Quote zählt Erfolg

Prof. Dr. Lothar Rolke lehrt Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz und erforscht Zusammenhänge zwischen Kommunikation und Unternehmens­erfolg.

M | Corporate Publishing (CP) ist als Gegenstand von Wissenschaft und Forschung ein sehr junges Feld. Ist es für Sie ein lohnenswerter Forschungsgegenstand und warum?

Prof. Dr. Lothar Rolke | Unbedingt. Es ist ein Bereich, der sich rasant entwickelt. Kooperationsbeziehungen zu den wichtigen Ansprechpartnern eines Unternehmens spielen hier eine tragende Rolle. Sie betreffen Shareholder, Kunden und Mitarbeiter, aber auch Verbände und Organisationen – also alle Stakeholder, die zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Ihre Beziehungen zum Unternehmen gewinnen noch an Bedeutung. Die Instrumente des Corporate Publishing sind geeignet, die erfolgsentscheidende Kooperation kommunikativ zu unterstützen.

M | CP-Produkte sind Marketinginstrumente. Kann man ihnen mit allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen beikommen?

Rolke | Marketing ist Teil der Betriebswirtschaftslehre. Es weist darüber hinaus viele Schnittstellen auf – zur empirischen Sozialforschung etwa, zu Psychologie im weitesten Sinne, natürlich auch zur Sozio­logie und im speziellen Fall des Corporate Publishing zur Journalistik. Da nutzen wir Instrumente der Qualitätsbeurteilung, wie sie im klassischen Journalismus üblich sind. Corporate-Publishing-Produkte liegen, wenn man so will, genau an der Schnittstelle zwischen Marketing und Journalismus. Natürlich sind die journa­listischen Methoden hier letzten Endes Mittel zum Zweck, sind aber unabdingbar.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage: Verhalten sich Rezipienten von Kunden- oder Mitarbeiterpublikationen anders als Nichtrezipienten? Studien be­legen, dass sich Empfänger von Kundenzeitungen durchaus für die gesetzten Themen interessieren, wenn sie gut gemacht sind. Solche Rezipienten sind häufiger Wiederholungskäufer und interessieren sich auch für weitere Produkte eines Markenanbieters. Im Grunde erfüllen sie die Marketingerwartungen genau. Paradoxerweise fühlen sich Leser von Kundenblättern aber schlechter informiert als Nichtleser. Hier tritt der überraschende Effekt ein, dass der gut informierte Kunde ständig neue Fragen hat und auch permanent neue Antworten erwartet. Deshalb reicht informieren nicht, Unternehmen müssen ihre Kunden und Mitarbeiter kommunikativ führen.

M | Ist der Eindruck richtig, dass zunächst die empirische Forschung überwiegt? Und welche Gebiete sind noch eher unerforscht?

Rolke | Empirische Erhebungen sind wichtig. Allerdings immer vor dem Hin­tergrund, wie lassen sich solche Erkenntnisse in Marketing-Kampagnen einbauen, wie lässt sich CP mit anderen Marketinginstrumenten koppeln. Interessant ist außerdem die Frage, welche Art von Journalismus, von redaktioneller Aufbereitung brauche ich da? Natürlich geht es stark um Nutzwert. Doch dahinter liegen grund­legendere Probleme: Wie kann Corporate Publishing die Identifikation mit einem Unternehmen erhöhen? Helfen diese Instrumente, Kunden und Mitarbeiter stärker auf das zu fokussieren, worauf es dem Unternehmen wirklich ankommt? Da ist noch etliches unerforscht. Das gilt auch für die zweifellos notwendige engere Kooperation von PR- und Marketing-Experten. Etwas zugespitzt: Die Marketer bringen das Kundenverständnis mit und die PR-Leute das journalistische Know-how.

M | Sie haben PR als „Lizenz zur Mitgestaltung der öffentlichen Meinung“ bezeichnet. Geht es beim Corporate Publishing – im Unterschied zur Werbung zwar mit Informations- und Nutzwertvermittlung – nicht letztlich doch nur ums Verkaufen? Einige Ihrer Fachkollegen gehen soweit, den eigentlichen Wert von Kundenzeitschriften darin zu sehen, „Informationen über Kunden zu sammeln“ und dieses Wissen „intelligent weiter zu verwenden“.

Rolke | Datensammlung allein wäre ein viel zu enger Focus. Natürlich kann man CP auch nutzen, Wissen zu erlangen. Dafür gäbe es aber einfachere Möglichkeiten. Viel entscheidender ist, über die Produkte des Corporate Publishing eine ständige, glaubwürdige Beziehung zur Zielgruppe zu entwickeln. Unternehmen sind heute abstrakte Gebilde. Sie müssen über Köpfe und Produkte, Bilder und Inhalte anschaulich und fassbar gemacht werden. Das darf nicht vordergründig plump geschehen. Geschichten sind interessant, Hintergründe, Personen – nicht nur Statements von Vorstandsmitgliedern. CP-Produkte ermöglichen, dass sich Unternehmen selber präsentieren. Dabei muss Kommunikation mithelfen, den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen.

M | Das Problem der Rückkopplung, des Feedback von Kunden oder Empfängern von CP-Medien scheint ein zentrales zu sein …

Rolke | Heute muss ein Unternehmen verstärkt überlegen, wie es seine Kunden zu „Lernpartnern“ macht. Im elektronischen Bereich finden sich Vorbilder: Softwareproduzenten bieten ihrer Kernkundschaft an, Beta-Versionen zu testen und Rückmeldungen dazu zu geben. Das nutzt beiden Seiten und schafft Bindungen. Corporate Publishing sollte bewusst auch auf Rückkopplung setzen – ob über Coupons, Verlosungen oder auf anderen Wegen. Da liegen noch Reserven brach.

M | In Ihrer eigenen Studie zu Privatbanken brechen Sie u. a. eine Lanze dafür, die Mitarbeiter als Zielgruppe nicht zu vernachlässigen.

Rolke | Etwa die Hälfte der Unternehmen sehen, dass ihre Mitarbeiter die eigentlichen Träger des Leistungsprozesses sind. Bestimmte Markenversprechen werden am Markt eingefordert, einlösen können sie nur die Beschäftigten. Deshalb müssen die Mitarbeiter solche Ansprüche kennen, verstehen und mittragen. Internal Branding – Markenkommunikation nach innen – ist das aktuelle Stichwort. Die Orientierung, wie sich Mitarbeiter betei­ligen und einbringen können, ist nur mit beständiger Kommunikation zu vermitteln. Unternehmen, die das erkannt haben, nutzen dafür vielfältige, untereinander abgestimmte Instrumente. Es lässt sich – nicht nur mit unserer Studie, sondern auch mit anderen – nachweisen, dass solche Unternehmen deutlich erfolgreicher abschneiden.

M | Kann die Wissenschaft zur ausgerufenen Qualitätsoffensive im CP-Bereich beitragen?

Rolke | Durchaus. Einerseits über die Wirkungsforschung, andererseits aber auch über Qualitätsvergleiche. Woran schulen Rezipienten ihr Kommunikationsverhalten? Natürlich am klassischen und kommerziellen Bereich, an dem, was sie am Kiosk kaufen können oder im Fernsehen sehen. Dort sind die Maßstäbe gesetzt. Die Kundenpublikation einer international tätigen Unternehmensberatung muss sich am Managermagazin und an brand eins messen. Und: Unternehmerische Kommunikationsangebote werden letztlich dann angenommen, wenn sie den Nutzern etwas bringen.

Das Gespräch führte Helma Nehrlich

 

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