Meinung
Angeschlagen war Springer-Vorstandschef Döpfner spätestens seit letztem Herbst. Damals hatte eine private Textnachricht die Runde gemacht, in der er Corona-Maßnahmen der Bundesregierung mit Praktiken des „DDR-Obrigkeitsstaates“ verglichen und das Gros deutscher Journalisten als „Propaganda-Assistenten“ diffamiert hatte. Doch hatte das BDZV-Präsidium dazu noch Milde walten lassen.
Enthüllungen der Financial Times Anfang 2022, wonach der Springer-Boss frühzeitig von Vorwürfen gegen den im vergangenen Oktober gefeuerten „Bild“-Chefredakteur und Döpfner-Vertrauten Julian Reichelt gewusst hatte, brachten das Fass zum Überlaufen. Erst trat Vizepräsident und Madsack-Chef Thomas Düffert aus Protest zurück, dann die kündigte die mächtige und beitragsstarke Funke-Gruppe den Austritt aus dem Verband an.
Seitdem rumorte es im BDZV, der es jedoch – wohl aus Furcht vor negativer Öffentlichkeitswirkung – nicht schaffte, sich aus eigenem Antrieb von seinem umstrittenen Cheflobbyisten zu trennen. Für Entsetzen sorgte der Verleger, als er sich Anfang März auf der Website der „Bild“ in einem geharnischten Leitartikel für den sofortigen militärischen Eingriff der Nato in der Ukraine stark machte. Laut Döpfner die einzige Möglichkeit zur Verteidigung „unserer Werte und unserer Zukunft“, für den Rest der Branche schlicht: Kriegstreiberei.
Da fällt kaum noch ins Gewicht, dass seit Anfang Mai von der Frankfurter Goethe-Universität auch noch Plagiatsvorwürfe gegen den promovierten Musikwissenschaftler Döpfner geprüft werden. Die jetzt publizierte offizielle Begründung für seinen vorzeitigen Abschied vom Amt – unter anderem eine Arbeitsüberlastung wegen der Übernahme des US-Nachrichtenportals „Politico“ – klingt da reichlich vorgeschoben. Es gilt offenbar, einen gesichtswahrenden, „selbstbestimmten“ Abgang zu inszenieren.
Oft genug erschien der smarte Springer-Mann eher als Verfechter der Interessen seines Konzerns denn als ideeller Lobbyist der Gesamtbranche. Zum Beispiel beim Pressekartellrecht oder in den Auseinandersetzungen um ein neues Leistungsschutzrecht. Das Bedauern der mittleren oder kleineren Verlage über seinen Abschied dürfte sich daher in Grenzen halten.