Der Alptraum ist noch nicht vorbei

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Das tut weh. Nach dem Kassensturz beim RBB schwört Interims-Intendantin Katrin Vernau die Belegschaft auf harte Zeiten ein. Die von ihr verkündete „Neuausrichtung“ sieht harte Schnitte bei Programm und Personal vor. Das RBB-Fernsehen war schon durch Schlesingers Politik zum Schlusslicht aller Dritten ARD-Programme heruntergewirtschaftet.

Nacheinander scheiterten Formate wie „Abendshow“, „Talk aus Berlin“ und die Zusammenarbeit mit dem MDR-„Riverboat“. Jetzt schrumpft der „Metropolensender“ auf ein Rumpfprogramm mit regionaler Kernversorgung und ganz viel „Kooperationen“, will sagen: alte ARD-Produktionen in Wiederholungs-Dauerschleife. Einstige Prestigeprojekte der alten Intendanz – die Federführung bei Studio Warschau oder die Mitverantwortung für das ARD-Mittagsmagazin: nicht mehr finanzierbar.

Ausbaden sollen es nicht die eigentlich Verantwortlichen. Bei einem angepeilten Einsparvolumen von fast 50 Millionen Euro geht es – na klar! – auch den Beschäftigten an den Kragen. Ganze 100 Jobs sollen bis Ende 2024 wegfallen – laut Managersprech à la Vernau „im Sinne des nachhaltigen Sparens der künftig kleineren Organisationsstruktur des RBB angepasst“. Sicher: auch das Direktorium wird halbiert, der Wildwuchs bei den außertariflich Beschäftigten gestutzt. Nicht nur die Indianer, auch die Häuptlinge müssen leiden? Für die RBB-Belegschaft ein schwacher Trost. Schließlich waren es die Verschwendungssucht, Gier und Selbstbedienungspolitik der Schlesinger-Wolf-Bande, die den Sender derart in die Miesen manövriert hat: Mit üppigen Gehältern, großzügigen Ruhegeldern, illegalen Boni und fragwürdigen Beraterverträgen.

Und der Alptraum ist noch nicht vorbei. Auch die nach wie vor laufende Aufarbeitung des Skandals kostet. Wie bei den meisten Scheidungen profitieren vor allem die Anwälte – allein die Zwischenabrechnung für die juristische Untersuchung der Verfehlungen der geschassten alten Geschäftsleitung summiert sich auf 1,4 Millionen Euro.

Die Interimsintendantin selbst trifft zwar an der Misere keine Schuld. Sie versucht, die „Neuausrichtung“ des Senders als kühle Saniererin einigermaßen geräuschlos zu bewältigen. Und sich auf diese Weise für die in einem halben Jahr anstehende Neuwahl der Intendanz zu profilieren. Die RBB-Beschäftigten, vor allem die Freien, erleben dagegen zähneknirschend, wie ihnen – den eigentlich Kreativen – symbolträchtig ausgerechnet am Aschermittwoch eine rigide Fastenkur verordnet werden soll.

Auffällig: Die Verkündigung der Sparorgie erfolgt unmittelbar vor der Wiederaufnahme festgefahrener Tarifverhandlungen. Gleichzeitig soll offenbar jede weitere Verhandlung um einen Bestandsschutz für Freie auf Eis gelegt werden. Zufall? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Einem nackten Sender kann man nicht in die Tasche greifen? Die Belegschaft dürfte sich von dieser Strategie Vernaus kaum bluffen lassen. Seit dem erfolgreichen ganztägigen Streik ist sie selbstbewusster denn je.

Als die Interimsintendantin zusätzlich zu ihrem Jahresgehalt von 297.000 Euro einen monatlichen Mietzuschuss von 1.500 Euro für eine Zweitwohnung in Berlin aushandelte, warf ihr die RBB-Freienvertretung zu Recht mangelndes Problembewusstsein vor. Wo für solche Sonderzulagen Geld da ist, müsste doch auch für die Beschäftigten einiges drin sein. Mindestens ein Inflationsausgleich.

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