Meinung
Die kleingedruckte „Anmerkung des Verlages“ direkt unter der Anzeige verströmte geradezu das schlechte Gewissen der Verantwortlichen. Über Annahme oder Ablehnung einer Anzeige, hieß es da, entscheide der Verlag „immer unter der Prämisse der redaktionellen Unabhängigkeit“. Er achte bei der Veröffentlichung „auf die Wahrung des Grundrechts zur freien Meinungsäußerung, sofern Anzeigeninhalte – auch bei politischen und polarisierenden Äußerungen – nicht gegen geltendes Recht oder die Grundsätze des Verlages verstoßen“. In diesem Sinne sei diese Anzeige „Teil der geltenden Meinungsfreiheit“.
Die FR-Redaktion war anderer Auffassung. In einem Kasten neben der Annonce platzierte sie einen Hinweis „In eigener Sache“. Wörtlich: „Die Redaktion distanziert sich von nebenstehender Anzeige. Redaktion und Anzeigenabteilung der FR arbeiten strikt getrennt voneinander.“
Dass Redaktion und Leserschaft der FR die inkriminierte Anzeige als Provokation und geradezu unternehmens- und rufschädigend empfanden, ist nachvollziehbar. Schließlich definiert der Gesellschaftervertrag die Zeitung als „eine unabhängige, politisch engagierte links-liberale Tageszeitung…, verpflichtet dem Geist des Grundgesetzes und den Menschenrechten und ständig eintretend für das unbedingte Prinzip der Demokratie und für die soziale Gerechtigkeit“.
Nach verärgerten Protesten auch aus der Leserschaft lenkte der Verlag ein. Die Veröffentlichung der Anzeige sei ein Fehler gewesen, bat Geschäftsführer Max Rempel in der Freitagausgabe (28.1.) um Entschuldigung. Als Blatt mit einer klaren links-liberalen Haltung setze sich die FR „gegen jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus“ ein und berichte „dementsprechend kritisch“ über die AfD. Er habe entschieden, „dass es künftig keine Anzeigen der AfD mehr in der Frankfurter Rundschau geben wird“.
Seit ihrem erstmaligen Erscheinen am 1. August 1945 hat die als unabhängige, linksliberale Tageszeitung gegründete FR die deutsche Presselandschaft entscheidend mitgeprägt. Nach einer Insolvenz im Jahre 2012 und diversen Eigentümerwechseln gehört sie seit 2018 zur Zeitungsholding Hessen des Medienunternehmers Dirk Ippen, zu der unter anderem auch die „Frankfurter Neue Presse“ und die „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ gehören.
Für Negativschlagzeilen sorgte Verleger Ippen zuletzt im Oktober 2021. Damals verhinderte er die Veröffentlichung einer Recherche des hauseigenen Investigativ-Teams zu Machtmissbrauchs-Vorwürfen gegen den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. Die Recherche, die ursprünglich in der FR erscheinen sollte, wurde im „Spiegel“ publiziert und sorgte für den Rauswurf Reichelts bei Springer. Inzwischen hat das Investigativ-Team die Ippen-Gruppe verlassen und teilweise beim „Spiegel“ angeheuert.