Pressefreiheit in Zeiten von KI

Tina Groll ist Redakteurin bei Zeit Online und Bundesvorsitzende der dju in ver.di Foto: Stephanie von Becker

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut in einer Demokratie – eine Binse, sollte man meinen.  Dennoch stehen Medienschaffende in Deutschland immer wieder im Kreuzfeuer pauschaler Kritik, werden angegriffen – verbal und nicht selten körperlich; erleben mangelnde Wertschätzung durch die eigenen Unternehmen, die Politik. Der Pressefreiheit ist das nicht dienlich. Dennoch lieben Journalistinnen und Journalisten ihren Beruf, sind sich ihrer Verantwortung bewusst, stellen sich neuen digitalen Entwicklungen, wollen sie mitgestalten. Aus diesem Grund verteidigt die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di die Pressefreiheit unermüdlich. Und der Kampf lohnt sich.

Auch im vergangenen Jahr gab es in Deutschland wieder heftige Übergriffe auf Medienschaffende während Demonstrationen. Auf vielfältige Weise, etwa durch Einschüchterungsklagen, wurde versucht, kritische Berichterstattung zu verhindern. Zudem ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Medien nach drei Jahren Pandemie, nach Monaten in multiplen globalen Krisen nach wie vor zerrüttet. Und dann sind da die vielen Einsparungen, die Medienkonzerne in der jüngsten Zeit vorgenommen haben: Bertelsmann reißt quasi den Medienstandort Hamburg mit dem Kahlschlag bei Gruner & Jahr ein, immer mehr Regionalzeitungen stellen ihren Vertrieb in manchen Teilen Deutschlands ganz ein und liefern allenfalls eine Digitalausgabe, andere Redaktionen schließen ganz. Und die Politik schaut untätig zu. Dabei hätten längst Regeln für eine öffentliche Förderung von gemeinnützigem Journalismus geschaffen werden können, unter anderem um die Informationsmöglichkeiten in sogenannten Ein-Zeitungskreisen zu verbessern. 

Auch auf ein Bundespresseauskunftsrecht, das Bundesbehörden und Ministerien dazu verpflichtet, Journalistinnen und Journalisten zeitnah mit den erforderlichen Auskünften und Informationen zu versorgen, fehlt immer noch. Und dann ist da noch der Tendenzschutz, der es Medienunternehmen weiterhin ermöglicht, ihr Geschäft zu betreiben, ohne echte betriebliche Mitbestimmung und Teilhabe der Arbeitnehmenden-Vertretung an der wirtschaftlichen Kontrolle. Alles dies hat konkrete Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Deutschland. 

Kein geringer Einfluss auf die journalistische Arbeit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit zeigt sich auch durch die exponentielle Entwicklung beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz.  

Nicht nur Chatprogramme wie Chat-GPT4, sondern auch Bildgeneratoren wie Midjourney oder Tools wie Deepfake stellen einerseits eine große Arbeitserleichterung etwa bei der Recherche dar. Andererseits bergen sie enorme Risiken, was den Wahrheitsgehalt, die Auswahl von Fakten oder Stereotypen betrifft – ihnen fehlt Empathie.     

In den ersten Redaktionen laufen bereits Tests, wie etwa Sportberichterstattung, zum Beispiel Bundesliga-Spielberichte, künftig generell ausschließlich von KI-Programmen geschrieben werden können, besser als die bisherigen automatisierten Tools des sogenannten Robo-Journalismus. KI, automatisiert in Redaktionssysteme, kann also auch zum Jobkiller werden. 

Bildredaktionen nutzen schon jetzt KI, um Bildmontagen zu erstellen. Und freilich wird schon seit längerem immer wieder mit Deepfake versucht, politische oder gesellschaftliche Einflussnahme vorzunehmen. Manipulierte Bilder, Audios und Videos werden immer schwieriger zu erkennen sein, auch hochspezialisierte Rechercheexpertinnen und -experten kommen hier an ihre Grenzen. Und was gänzlich fehlt, ist Transparenz und Regeln für Urheberschaft. Es gilt, viele Fragen zu beantworten: Mit welchen Quellen werden die KI-Programme trainiert? Wie werden die menschlichen Urheberinnen und Urheber daran beteiligt? Was ist eigentlich mit einer Kennzeichnungspflicht von KI-erstellten Inhalten? Wird KI bald allein mit erfundenen, verfälschten Inhalten trainiert? Dann würden sich Hass, Lügen, Propaganda und Manipulationen verselbständigen. Die Folgen für die öffentliche Meinungsbildung und die freiheitliche Demokratie wären massiv.

Damit die Chancen von KI für einen guten Journalismus zum Tragen kommen, wird sich die dju in ver.di in die Gestaltung der Prozesse und Regelungen im Presse- und Urheberrecht einbringen.  

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