Rezo-Kritik kein „billo-shit“

Die dju-Bundesvorsitzenden Tina Groll und Peter Freitag
Foto: Murat Türemis

Durchatmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir Journalistinnen und Journalisten sollten neutral, sachlich und objektiv über das Video von Rezo und Rick bei „Space Frogs“ sprechen – und so auch darüber berichten. In dem 14-minütigen Video „Wir BILDen Rezo“ lassen sich beide über das Medium Tageszeitung aus. Dabei kritisieren sie vor allem BILD, B.Z. und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Journalisten sind teilweise so dumm“, sagt Rezo an einer Stelle. Er spricht von „billo-shit“ und „irrelevanten Pseudo-News“.

Für einige Kolleginnen und Kollegen in Zeitungsredaktionen und Verbands-Pressestellen war das offenbar zu viel, entsprechend heftig fiel ihre Reaktion aus. Von Hetze war da zu lesen, von pubertärer Polemik und Pauschalverdammung. Wir in der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di sehen das etwas anders.

Das Video ist Medienkritik. Und manche von uns finden sie sogar ziemlich unterhaltsam. Denn sie ist pointiert und trifft in vielen Punkten die Wahrheit. Rezo und Rick werfen Fragen auf, die auch viele Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Leserinnen und Leser umtreiben: Welche Relevanz für die Gesellschaft haben die meist identischen Inhalte in den Zeitungen, die aus Kostengründen aus einer Zentralredaktion für die unterschiedlichsten Titel kommen und häufig ohne Zeit für Recherche zusammengeschrieben werden? Was hat das noch mit dem Auftrag der Presse für die Demokratie zu tun? Und ja, warum sollte man Geld dafür ausgeben? Ist es gerechtfertigt, dass für all die belanglosen Berichte über Promihochzeiten und royale Babys Medienunternehmen vom Staat über den Umweg des reduzierten Mehrwertsteuersatzes subventioniert werden?

Es ist richtig zu fragen, warum viele Menschen in Deutschland so verunsichert sind und aufzuzeigen, dass manche Medien wie etwa die BILD mit sensationsheischenden Berichten über die Kriminalstatistik und Geflüchtete Hass und Hetze von Rechtsnationalen und Populisten anheizen. Noch viel mehr Menschen sollten fragen, warum nicht nur viele Boulevardmedien die Klicks und Reichweite zwar mitnehmen, aber Hasskommentare in ihren Foren und Social Media-Auftritten entweder gar nicht oder nur unzulänglich moderieren.

Was die beiden Youtuber allerdings nicht erwähnen: Qualität zu liefern, kostet Geld – denn darum müssten sich gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten kümmern. Doch das Geld dafür sind immer weniger Medienhäuser bereit zu investieren. Warum? Weil ihnen die Leserinnen und Leser wegsterben, weil die junge Generation das Medium Print eben nicht mehr nutzt, wie Rezo und Rick eindrücklich darstellen.

Dabei ist guter Journalismus immer noch zeitgemäß und immer noch gefragt – auch für Rick und Rezo, wie sie sagen.

Die beiden fordern mehr Kritikfähigkeit ein, dabei gehen sie allerdings nicht weit genug: Es reicht nicht allein, wenn die Medien mehr kritischen Medienjournalismus machen und wie uebermedien.de oder der bildblog.de Fehlentwicklungen dokumentieren und kritisieren. Es ist viel mehr nötig. Es braucht Journalistinnen und Journalisten, die angemessen auf die Kritik der Youtuber reagieren und Youtuber als Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen – denn Rezo hat Recht: Auch in der YouTube-Szene wird Qualität geliefert. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe, denen es nur um Unterhaltung und Reichweite geht. Es braucht aber vor allem Medienhäuser, die in YouTube nicht nur eine übergroße Konkurrenzplattform sehen, sondern die kluge und innovative Lösungen finden, um in Zeiten der Digitalisierung Qualitätsjournalismus zu liefern – und zwar für ein Massenpublikum. Die Leserinnen und Leser, Nutzerinnen und Nutzer sterben nicht weg, sie wachsen nach, sie sind sogar schon da und es sind unzählige. Rezo hat mehr als 1,7 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten!

Es wird auch Zeit, dass das Publikum aktiv wird – Junge wie Alte, denen es um eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft geht, sollten Qualitätsjournalismus einfordern. Und auch bereit sein, einen angemessenen Preis dafür zu zahlen. Und die Medien? Müssen sich berechtigter Kritik stellen, auch und grade, wenn sie von denjenigen kommt, die ein Publikum von der Größe haben, von denen sie mancherorts nur träumen können.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Das Manifest für die Schublade

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.
mehr »

EU-Kommission geht gegen TikTok vor

Mit dem Digital Services Act (DSA), der nun in der gesamten EU gilt, werden vor allem die großen sozialen Netzwerke stärker als bislang reguliert. Zu diesen gehört auch TikTok. Die Plattform hat in der EU mittlerweile 135,9 Millionen monatlich aktive Nutzer*innen und ist vor allem bei Jugendlichen beliebt. Die EU-Kommission hat TikTok daher im April vergangenen Jahres als „sehr große Online-Plattform“ (Very Large Online Plattform, kurz: VLOP) eingestuft. In der Konsequenz muss die Plattform damit beginnen, eine Reihe von Vorgaben umzusetzen, unter anderem zum Schutz vor Minderjährigen.
mehr »

AfD im TV: Demokratie ist kein Boxring

Im Superwahljahr 2024 stellt sich den Medien verschärft die Frage, wie ein angemessener Umgang mit der AfD aussehen könnte. Sie einfach zu ignorieren scheidet als Strategie aus. Zum einen wäre eine solche Verweigerung weitgehend wirkungslos. Mit ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken hat sich die Partei längst eine Bühne geschaffen, von der sie ungefiltert ihr krudes völkisches Weltbild unter den Menschen verbreitet. Zum anderen würde diese Verweigerungshaltung den Informations- und Aufklärungsauftrag der Medien gegenüber einer Partei konterkarieren, die die Zerstörung der Demokratie anstrebt.
mehr »

Preis für respektloses Verhalten

Der seit Februar nicht mehr amtierende Produzent und Vorstandsvorsitzende der Constantin Film Martin Moszkowicz soll im Mai durch die Produktionsallianz und die Stadt Laupheim mit dem Carl Laemmle Preis 2024 für sein Lebenswerk geehrt werden. Empörend findet der Bundesfachausschuss Filmunion die Wahl dieses Preisträgers vor dem Hintergrund des aus einer Constantin Produktion heraus entstandenen „Schweiger-Skandals“ vor nicht mal einem Jahr.
mehr »