Von der Politik zum Journalismus und zurück

Ferdinand Klien

Ferdinand Klien. Foto: Privat

Meinung

Der jüngste Wechsel von Anna Engelke in das ARD-Hauptstadtstudio wird viel kritisiert. Sie war zuvor bei NDR Info und davor fünf Jahre lang Sprecherin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ähnliche Seitenwechsel vollzogen auch Steffen Seibert vom ZDF zum Regierungssprecher, umgekehrt der ehemalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der Intendant beim BR wurde und die einstmalige stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung Ulrike Demmer, die heute an der Spitze des RBB steht.

Für die im Grundgesetz verankerte Staatsferne der Sender ist beides durchaus problematisch. Wie unabhängig sind Intendant*innen dann in ihrer Amtsführung? Wie unbefangen sind Journalist*innen nach einer Rückkehr in den Beruf?

Für alle Korrespondent*innen in der Hauptstadt ist die tägliche Nähe zur Politik ohnehin eine Herausforderung, die Distanz zu wahren, trotz vieler vertraulicher Hintergrundgespräche. Offenbar um mögliche Konflikte zu vermeiden, hat die ARD im Hauptstadtstudio ein Rotationsprinzip eingeführt und die Leitungstätigkeit in der Regel auf maximal fünf Jahre beschränkt.

Wenn es vom Journalismus in die Funktion der Pressesprecher*innen geht, kann der Arbeitgeber im Prinzip keine Kündigung verlangen aber eine Klausel einbauen, wonach bei der Rückkehr eine Tätigkeit in einem anderen Ressort oder einer Fachredaktion wie Wissenschaft oder Gesundheit erfolgt. Noch viel strenger hatte das ZDF Steffen Seibert zwar ein Rückkehrrecht eingeräumt, jedoch nicht für journalistische Aufgaben. Er nahm es bekanntlich nicht wahr und wirkt heute als deutscher Botschafter in Israel.

Auf Freiwilligkeit könnte auch beruhen, nicht zugleich Mitglied in einer Partei zu sein und beim Sender Karriere zu machen. Eine weitere Möglichkeit böte die Einbeziehung eines Compliance Beauftragten, der zusätzlich zu den Gremien diese besonderen und sehr seltenen Vertragsklauseln prüft. Auch die Redakteursausschüsse von ARD, ZDF, DLF und DW (mit der Dachorganisation AGRA) könnten zumindest zur Anhörung herangezogen werden.

Rundfunkfreiheit wahren

Sie wachen explizit über die innere Rundfunkfreiheit. Können z.B. die Freien Mitarbeiter*innen kritisch berichten, wissend das der neue Intendant vorher für eine bestimmte Partei oder als Regierungssprecher tätig war? Immerhin erfüllen mehr Freie als Feste den Kernauftrag von ARD und ZDF.

Besonders interessant dürfte es werden, wenn die RBB-Intendantin Ulrike Demmer gegen den neuen Staatsvertrag des RBB klagen sollte, weil die Einflussnahme auf Personalentscheidungen darin offenbar zu weit geht. Eine ehemalige Regierungssprecherin würde dann einen zu staatsnah formulierten Vertrag verfassungsrechtlich auf Konformität prüfen lassen.

Am besten für die Staatsferne und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung wäre eine Regelung, die jegliche Seitenwechsel und eine Rückkehr vollends unmöglich macht.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »

Putins neuester Schlag im Medienkrieg

Unabhängigen Journalismus gibt es in Russland schon lange nicht mehr. Nun sperrt das Regime von Wladimir Putin den Zugang zu 81 europäischen Medien. Und damit einer der letzten Zugänge zu unabhängigen Nachrichten in Russland. Treffen dürfte das vor allem die wenigen Kolleg*innen, die noch als Korrespondent*innen vor Ort sind.
mehr »

Kapituliert Madsack vor den Rechtsextremen?

Stell Dir vor, die AfD wird Volkspartei – und die einzig verbleibende Zeitung streicht ihre ohnehin schon ausgedünnte Redaktion zusammen. Warum den Rechtspopulisten noch eine voll besetzte Redaktion mit Journalistinnen und Journalisten entgegensetzen, wenn Demokratie, Meinungsvielfalt und Pressefreiheit sowieso gefährdet sind?
mehr »

Wahlergebnis gefährdet Pressefreiheit

Das Erstarken der rechtspopulistischen Parteien bei der Europawahl ist ein Alarmsignal für die Pressefreiheit und dem Qualitätsjournalismus in der EU. Wichtige Meilensteine der europäischen Medienpolitik, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden, könnten bedeutungslos werden, wenn sich die Rechten entscheidend an der Gestaltung der Politik beteiligen können. Auch in Deutschland ist vielen Menschen nicht bewusst, wie viel Europapolitik zur Pressefreiheit beiträgt.
mehr »